von Jakob Schwarz
Lange Zeit haben wir uns in der neuen „BattleTech“-Reihe „Mechwarrior Dark Age“ mit den Folgen der Abrüstungspolitik von Devlin Stone herumschlagen müssen, jenem Friedensstifter, der vor 50 Jahren die Republik der Sphäre als Puffer zwischen den alten Häusern eingerichtet, die Innere Sphäre zum Einmotten ihrer Militärtechnologie überredet und erfolgreich Wohlstand durch wirtschaftlichen Aufschwung gepredigt hatte. Zu Beginn wurden also eher Scharmünzel denn Schlachten geschlagen und Infanterie, Panzer und Agromechumbauten beherrschten das Schlachtfeld. Das Auftreten nur eines einzelnen BattleMechs, der einstigen Krönung der Kriegsmaschinerie der Inneren Sphäre, wurde mit viel Trara gefeiert. Der Titel der neuen Reihe hatte sich nicht ohne Grund geändert. Die Namensgeber des Universums schienen Vergangenheit – was zahlreiche Fans bewog, sich der Parallelreihe von Fantasy Productions mit dem suggestiven Titel „Classic BattleTech“ zu widmen.
In Victor Milans erstem Beitrag zu MWDA, dem Roman „Der Flug des Falken“, scheint die alte Zeit zurückgekehrt, zumindest dann, wenn man die Zeit der Clankriege als „alte Zeit“ zu akzeptieren bereit ist. Dadurch, dass er Clan Jadefalke ins Zentrum seiner Geschichte stellt, der eine Streitmacht unter der Leitung des Galaxiscommanders Bec Malthus und seiner beiden jüngeren Mitstreiter, der Geschko-Geschwister und Jadefalken-Kometen Malvina und Aleks Hazen, in die Innere Sphäre schickt, entkommt Milan der Agromech-Falle. Die Falken, die scheinbar die geächteten Stahlwölfe unter Anastasia Kerensky jagen, in Wirklichkeit aber einen Brückenkopf für eine groß angelegte Invasion einrichten wollen, sind von Devlin Stones Maßnahmen weitgehend unberührt geblieben und auch wenn sie stärker als früher auf Verbundstreitkräfte setzen, bringen sie endlich wieder im großen Stil ins Spiel, was die Romanserie eigentlich ausmacht: BattleMechs!
Auch die Verteidiger der Republik der Sphäre, die hastig auf Skye, dem errechneten Schauplatz der entscheidenden Konfrontation, zusammengezogenen Einheiten der „Northwind Highlanders“ unter Countess Tara Campbell, sind weiß Gott keine Horde aus Milizionären und Forstmechfahrern. Die „Schotten“-Armee – ich weiß nicht, ob es ein Running Gag unter den Autoren ist oder ob sie alle Schottland-Fans sind, jedenfalls sind die Guten bei MWDA immer Iren und Schotten – vereint sich mit den wenigen Streitkräften, die Skye geblieben sind, nachdem Jasek Kelswa-Steiner, der Sohn des planetaren Herzogs Gregory Kelswa-Steiner alle guten Truppen abgezogen hat, um aus ihnen die Haus Steiner ergebene und die Autorität der Republik untergrabende „Sturmhammer“-Legion zu gründen. Gemeinsam wollen sich die Heimatfront Skye und die Northwinder dem Jadefalken-Desant stellen, um ihm den freien Weg nach Terra zu verweigern.
Es zeugt von einer netten Verdichtung des Handlungsuniversums innerhalb der MWDA-Reihe, dass Milan sowohl Tara Campbell und ihre Highlanders aus Martin Delrios „Highlanders“-Trilogie einbauen darf, als auch deren Erzfeindin, die ebenso schöne wie wahnsinnige Anastasia Kerensky (bezeichnend, dass alle Clankriegerinnen, die höhere Ränge bekleiden, als schön und wahnsinnig beschrieben werden – auf Malvina Hazen trifft das auch zu). Sogar MedTech Ian Murchinson, Kerenskys Leibeigener hat einen kurzen Cameo. Zudem spielt ein bedeutender Teil der Handlung auf Skye, der Welt, von der – wie erwähnt – Jasek Kelswa-Steiner mit seinem „Sturmhammer“ abstammt, der wiederum zur düster über den Köpfen aller hängenden Bedrohung im Roman „Soldatenehre“ von Mike Moscoe gehörte. Trotz der eher episodenhaften Natur der Romane innerhalb der Reihe – alle handeln irgendwie vom Untergang der Republik der Sphäre – beginnt sich mehr und mehr ein Geflecht aus Beziehungen und Querverweisen zu entwickeln, das einen guten Zyklus ausmacht.
Etwas seltsam mutet der Perspektivenwechsel an, den Milan im Laufe der Geschichte vollzieht. Liegt am Anfang die Aufmerksamkeit deutlich auf den Jadefalken, hier vor allem den Taten und den sehr unterschiedlichen Philosophien der beiden kriegerischen Geschwister Malvina und Aleks Hazen, kippt das Ganze gegen Ende in Richtung Tara Campbell und Highlanders. Die Figuren, die man zunächst für Protagonisten gehalten hatte, werden plötzlich zu Antagonisten, die Nebenfiguren zu Hauptfiguren und zumindest ein interessanter Charakter bekommt im Strudel der Ereignisse – man könnte auch sagen: im Verheddern der Handlungsstränge – am Ende nicht das, was er verdient hätte. Die ansonsten spannende und großartig geschriebene Geschichte, die in vielerlei Hinsicht (Mechkämpfe, Clanbedrohung, Ränkespiele, Intrigen und Geheimoperationen) genau das bietet, was Fans gerne lesen, stellt sich damit ausgerechnet zum Leseschluss nochmal selbst ein Bein, auch wenn dies – zugegeben – die Qualität des Romans als Ganzes kaum zu schmälern vermag.
Fazit: Der Jubiläumsband (Nr. 10) der MWDA-Romanreihe ist „BattleTech“-Unterhaltung auf höchstem Niveau. Battlemech-Gefechte mischen sich mit Regierungsintrigen, namhafte Charaktere geben sich die Klinke in die Hand und zu guter Letzt wird einiges Interessantes über die Clans im Jahre 3134 verraten. Wer der „Mechwarrior“-Reihe bislang skeptisch gegenüber stand, sollte sich durch „Der Flug des Falken“ von Victor Milan eines Besseren belehren lassen.
Der Flug des Falken (Mechwarrion Dark Age – Bd. 10)
Rollenspiel-Roman
Victor Milan
Heyne 2006
ISBN: 3-453-52150-1
413 S., Taschenbuch, deutsch
Preis: EUR 7,95
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