MWDA 05: Schatten der Wahrheit

Martin Delrio ist ein Mann, der Probleme mit Romanenden hat – dessen bin ich mir jetzt, da ich seinen zweiten Mechwarrior-Dark Age-Roman gelesen habe, ganz sicher. Wie schon bei „Der Himmel schweigt“, dem ersten Band seiner Northwind-Highlanders-Trilogie, wird auch bei seinem neuen Werk „Schatten der Wahrheit“ die Spannung langsam und bedächtig aufgebaut, nur um dann urplötzlich – und diesmal sogar wortwörtlich – ins Nichts zu verpuffen. Aber der Reihe nach...

von Jakob Schwarz

 

Der Roman spielt erneut auf Northwind, der Heimatwelt der einst berühmten Söldnerregimenter der Northwind Highlanders, und zwar von November 3133 bis Februar 3134, also ungefähr ein halbes Jahr nach den Ereignissen des vorangeganenen Buches. In selbigem war eine Invasion der Stahlwölfe unter ihrer Anführerin Anastasia Kerensky von der Countess und Präfektin Tara Campbell von Northwind sowie dem Paladin der Republik der Sphäre Ezekiel Crow zwar nur mit Mühe aber dennoch erfolgreich zurückgeschlagen worden, mittlerweile hat sich die Welt beinahe wieder von dem Feldzug erholt.

Doch dann treffen unerfreuliche Nachrichten ein. Die Landungsschiffe der Stahlwölfe sind laut dem Nachrichtendienst der Highlanders nie nach Tigress, von wo sie Richtung Northwind gestartet waren, zurückgekehrt. Stattdessen sind sogar einige Landungsschiffe mit unbekanntem Ziel verschwunden. Alles deutet darauf hin, dass Anastasia Kerensky die jüngste Schlappe nicht einfach so hinzunehmen gedacht hat. Diese Vermutung wird bestätigt, als die Wolfsclanerin auf dem südlichen Kontinent Kearny zufällig von eben der kleinen Scouteinheit um Will Elliot, Lexa und Jock entdeckt wird, die ihr erst Monate zuvor den Marsch durch den Red-Ledge-Pass auf die planetare Hauptstadt Tara zu so verleidet hatte. Tara Campbell schickt daraufhin eine Expedition los, um die Stahlwölfe aufzuspüren, die Northwind offenbar nie verlassen haben. Ezekiel Crow heuert unterdessen Söldner an, um die geschwächten Highlander-Einheiten zu verstärken. Dann jedoch tritt eine Reihe unvorhergesehener Entwicklungen ein und als es tatsächlich zum zweiten Mal zum Kampf um Northwind kommt, sehen sich die Verteidiger erneut auf verlorenem Posten...

„Schatten der Wahrheit“ ist ein wirklich guter BattleTech-Roman. Langsam baut er die Spannung auf, langsam enthüllt er sein Netz aus Intrigen, das überraschenderweise einen Drahtzieher weit hinter den Kulissen und Fronten andeutet, mit dessen Einmischung man erst einmal nicht gerechnet hätte. Und obwohl die Handlung nach wie vor auf Northwind konzentriert bleibt, beginnt man als Leser die größeren galaktischen Entwicklungen Stück für Stück zu erahnen. Das mag den politisch interessierten Fan, der seinerzeit ausschließlich die Stackpole-Romane mit ihren massiven Umwälzungen der Inneren Sphäre verschlang, zwar nicht zufriedenstellen, aber mir reichen die Hinweise zunächst, um die Neugierde auf mehr aufrecht zu erhalten.

Die Figuren entwickeln sich im zweiten Band nicht wirklich weiter, sondern verfestigen sich stattdessen eher zu griffigen Klischees, wie es für Rollenspiel-Romane nicht unüblich ist. So ist Tara Campbell die zwischen Hitzköpfigkeit und Verantwortungsbewusstsein changierende Jung-Präfektin, General Griffin der ebenso treue wie korrekte Militär, Will Elliot der bodenständige Naturbursche, Lexa die schlagfertige Kämpfernatur, Jock der liebenswert-tumbe Muskelprotz usw. Schwerer zu greifen ist nach wie vor Anastasia Kerensky, die mich nach wie vor durch ihre fast wütende Verteidigung der Clan-Werte sowie ihre eiskalte Zielgerichtetheit überrascht und fasziniert. Und auch der Paladin Ezekiel Crow macht ein paar sehr interessante Wandlungen durch, die einen zeitweise regelrecht ungläubig den Kopf schütteln lassen!

Drei neue namhafte Charaktere erweitern geschickt das bestehende Ensemble. So wäre da erstens die Adjutantin Campbells Tara Bishop, ein – im Rahmen des Genres - eher farbloser Frauentyp: sexy, cool und gerne Spielchen spielend. Ihr persönlicher Widerpart wird „Einauge“ Jack Farrell, der in Han-Solo-Manier auftretende Anführer der Söldner, der auf die aufregende Highlanderin offenkundig „ein Auge“ geworfen hat (hua, was ein Wortspiel!). Der Dritte ist Ian Murchinson, ein MedTech, der in Gefangenschaft gerät und zum Leibeigenen von Anastasia gemacht wird, um fürderhin als Identifikationsfigur für den Leser aus den Reihen der Stahlwölfe zu berichten.

All das ist gut beschrieben, in vielen kurzen Kapiteln, mit häufigen Schauplatzwechseln und dabei doch auf das Finale hinstrebend – sehr filmisch. Am Finale, da hängt’s dann aber schließlich wieder. Schon im letzten Roman war die von langer Hand vorbereitete Endschlacht plötzlich einfach so vorbei gewesen. Die Stahlwölfe packten ihre sieben Sachen und machten sich vom Acker – die dringend benötigten AgroMechs, um die sich vorher alles gedreht hatte, wurden von Delrio darüber völlig vergessen. In der vorliegenden Geschichte verhält es sich ähnlich – ich will nicht die genauen Umstände verraten, aber auch hier bahnt sich ein letzter, dramatischer Konflikt an und – PUFF – löst sich dann in Wohlgefallen auf, so als habe der Autor keine Zeit oder Lust mehr gehabt, zu Ende zu bringen, was er angefangen hatte – vielleicht hatte er auch erneut die vorgeschriebene Seitenzahl des Verlags überschritten. Das ist gleichermaßen blöd und ärgerlich, denn bei einem Roman ist es wie im Kino. Wenn das Ende enttäuscht, verlässt man den Saal (respektive legt das Buch zur Seite) und ist irgendwie vom ganzen Produkt enttäuscht – und das hat „Schatten der Wahrheit“ wahrlich nicht verdient.

Fazit: In „Schatten der Wahrheit“ unternimmt Anastasia Kerensky mit ihren Stahlwölfen den zweiten Anlauf, den Northwind Highlanders ihre Heimatwelt abzunehmen. Ein cineastischer Spannungsaufbau und nette Intrigen sorgen gemeinsam mit ordentlichen, wenngleich etwas klischeebehafteten Charakteren für ein kurzweiliges Lesevergnügen, das sich allerdings durch diverse kleinere Logikfehler (z.B. beginnt eine Nacht für Ian Murchinson im Dezember 3133 und endet im Januar 3134 – habe ich Silvester verpasst?) und vor allem das abrupte Ende unnötige Minuspunkte einhandelt. Ein Appell, der vor allem an die Lektoren gerichtet ist: Beim nächsten Mal bitte etwas besser auf formale und dramaturgische Stolpersteine achten!


Schatten der Wahrheit (Mechwarrior Dark Age - Bd. 5)
Rollenspiel-Roman
Martin Delrio
Heyne 2004
ISBN: 3-453-52002-5
302 S., Softcover, deutsch
Preis: EUR 7,95

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