Mr. Monster

John Wayne Cleaver, der junge Soziopath, ist zurück. In der Fortsetzung von „Ich bin kein Serienkiller“ geht erneut ein Serienkiller in Clayton um – jemand, der die vorherigen Verbrechen kopiert. Für den Dämonen in John ein gefundenes Fressen. Es beginnt ein gefährliches Katz-und-Maus-Spiel, in welchem die Rollenverteilung nie ganz klar ist…

von Lars Jeske

 

Rückblick: Im beschaulichen Städtchen Clayton geht ein Serienkiller um. Der 15-jährige John Wayne Cleaver ist davon überaus fasziniert. Zum einen hegt er schon von je her das absonderliche Interesse für Serienkiller und sämtliche Details, zum anderen hat dieser Killer eine eindeutige Handschrift. Er tötet seine Opfer nicht nur, sondern entnimmt diesen jeweils Organe. Beim zur Strecke bringen des Killers nimmt John Cleaver eine bedeutende Rolle ein, wobei ihm dies nur dadurch gelingt, dass er seinen selbst betitelten „inneren Dämon“ freilässt.

Nun ist knapp ein halbes Jahr seit den mysteriösen Ereignissen vergangen. John hat es noch immer nicht geschafft, sein Leben wieder in eine für ihn normale Bahn zu lenken. Während der äußere Dämon vernichtet ist, hat John weitaus länger mit seinem inneren Dämon zu kämpfen. Er ließ seinen „Mr. Monster“ frei, welcher nun immer öfter Freigang verlangt, sodass John zusehends die Kontrolle über sein Handeln verliert. Er ist sich in dieser Situation selber überlassen, was die schlimmste aller Alternativen ist. Seine Mutter möchte nicht über die Vorfälle reden, und sein Psychiater wurde auch ein Opfer des Clayton-Killers. John hat somit keine Vertrauten mehr, die ihm bei der emotionalen Bewältigung helfen könnten.

Zupass kommt ihm in dieser angeschlagenen psychischen Verfassung, dass ein neuer Killer in Clayton umtriebig wird. Somit kann er seine negative Energie fokussieren, da ihn die neuesten Vorfälle sofort auf den Plan rufen. Noch immer ist Agent Forman in der Stadt, da der Clayton-Killer noch nicht geschnappt ist und dieser nur eine Pause eingelegt zu haben scheint. Somit sucht John gezielt Kontakt zum Bundesagenten, um so an Informationen zu gelangen, welche ihm auf seiner eigenen Jagd weiterhelfen könnten. Dabei wird immer offensichtlicher, dass die neuen Leichen gezielt für John platziert werden und der neue Killer so dessen Aufmerksamkeit einfordert. John lässt sich auf dieses Spiel ein, ohne die Konsequenzen zu bedenken oder auch nur die Gefahr zu erahnen, die dadurch von ihm ausgeht.

Dan Wells schickt überraschenderweise seinen inzwischen 16-jährigen Protagonisten John Wayne Cleaver in ein neues Abenteuer. Nach dem reißerisch betitelten Debüt „Ich bin kein Serienkiller“ liegt nun die Fortsetzung der zur Trilogie gediehenen Geschichte namens „Mr. Monster“ vor. Wie der Titel schon andeutet, scheint sich John nunmehr vollends seinem Schicksal ergeben zu haben und die selbst erfüllende Prophezeiung des „Monsters Within“ zu akzeptieren. Nicht nur das, er hat seine dunkle Seite immer weniger unter Kontrolle und liebt es, diese ausleben zu wollen und zu können. Da das Dämonen-Thema gut funktioniert hat, trifft es sich gut, dass zufällig ein neuer in der Stadt erscheint. Mit der richtigen Taktik kann John somit vielleicht seinen geweckten Blutdurst stillen, um seinen Mr. Monster unter Kontrolle zu halten und nicht selbst zum Serienkiller zu mutieren.

Aufgrund der kurzen Zeitspanne, die zwischen den Geschehnissen liegt, können keine neuen Charaktere glaubhaft in die Geschichte rund um John integriert werden. Viele fielen dem Killer zum Opfer, sodass allein der FBI-Mann Agent Forman neu ist. Zudem spielt Johns Freundin Brooke eine größere Rolle. Da so gut wie alle anderen Personen nur Randerscheinungen sind, konzentriert sich Dan Wells auf diese Handlungsträger. „Mr. Monster“ beschreibt somit einerseits den Versuch von John, normal zu leben und die erste Liebe mit Brooke zu erfahren. Andererseits wird das Thema der Dämonen und die dunklen Triebe in John im Verhalten gegenüber Forman thematisiert. Gegensätze, die in Grundzügen vage an die historische Charaktervorlage von Dr. Jekyll und Mr. Hyde erinnern.

Erneut beschreibt John seine selbst auferlegten Regeln, Selbstzweifel/Reflexion und den Versuch das Schlechte in sich zu beherrschen oder auszuschalten aus der Ich-Perspektive. Die lustigen Passagen sind jedoch fast alle verschwunden, mitunter gewagte Thesen zur Verhaltensanalyse stehen im Vordergrund. (Textpassage: „Glauben Sie mir“, beharrte ich. „Von einem Soziopathen zum anderen: Wenn Sie etwas nicht verstehen, dann geschieht es immer aus Liebe.“) Während im ersten Teil die überraschenden Fakten auf den Leser einstürzen, weiß dieser nunmehr schon vorher alles über den Protagonisten. Es fehlt eine interessante Weiterentwicklung der Charaktere und somit die Spannung für den Leser.

Dies ist für mich die Krux dieses Mittelteils der Trilogie. Obwohl ein Großteil der ersten 350 Textseiten vom Wesen Johns handelt, bleibt dieser jedoch im Gegensatz zu „Ich bin kein Serienkiller“ dem Leser gegenüber distanziert, unerreichbar und man selbst teilnahmslos. Damals bescherte die gebetsartige Litanei, die aufgestellten Regeln unbedingt einhalten zu müssen, um das innere Monster unter Kontrolle zu halten, ein düsteres, beklemmendes Bild. In „Mr. Monster“ gibt es diesen Spannungssog nicht. Dadurch, dass man weiß, dass John eigentlich der Gute in der Geschichte ist, wird eher das Gegenteil bewirkt. Man kann sich trotz (oder aufgrund?) der mitunter schon lethargisch anmutenden Repetition nicht auf den Charakter einlassen, sodass selbst die richtige Geschichte nie vollends zu packen weiß. Diese ist zudem zu kurz, nachdem man sich erst durch 150 Seiten ständig wiederkehrende Wiederholungen lesen musste. Obwohl gut geschrieben, langweilt dies und ist dabei nicht einmal besonders aufschlussreich für Neuleser.

Fazit: Zu meiner Überraschung erfuhr die interessante Geschichte um John Cleaver eine Fortsetzung. Erneut kein Thriller, wie einen abermals der Buchaufdruck glauben macht, aber eine solide Mystery-Geschichte. Wenngleich nicht gehegte Erwartungen selten enttäuscht werden können, bleibt „Mr. Monster“ weit hinter „Ich bin kein Serienkiller“ zurück. „Mr. Monster“ ist nicht gescheitert, die sich wiederholende Einführung ist jedoch selbst für Neuleser viel zu lang gehalten und erst das (leider recht unglaubwürdige) Finale lohnt das Lesen der Fortsetzung. Dennoch ist die Schlussszene ein guter Cliffhanger für den Abschluss der Trilogie, der es noch einmal in sich haben könnte. Die Veröffentlichung des Finales „Ich will dich nicht töten“ ist für den Oktober 2010 geplant.


Mr. Monster
Mystery/Horror-Roman
Dan Wells
Piper 2010
ISBN: 978-3-492-26726-7
391 S., Paperback, deutsch
Preis: EUR 12,95

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