Midgard - Das Fantasy-Rollenspiel

Midgard, das erste deutsche Rollenspiel, ist 20 Jahre alt geworden und liegt nun in der 4. Ausgabe vor. In diesem Klassiker des Fantasy-Rollenspiels werden die kompletten Regeln für Rassen, Charaktererschaffung, Fertigkeiten und Kampf aufgeführt. Wer noch Magie in seine Kampagne einbringen will (und das wollen wohl alle), der muss dazu auf das „Arkanum“ zurückgreifen. Spielleitern, die tiefer in das Führen von Nichtspielerfiguren eintauchen und etwas über das Entwerfen eigener Abenteurertypen erfahren wollen, sei das „Kompendium“ empfohlen. Der Spielleiterschirm wird mit den alten Gildenbrief-Ausgaben auf CD ausgeliefert – alleine deshalb schon eine Anschaffung wert. Worauf man auch kaum verzichten mag, ist das „Bestiarium“, in dem Tiere und Fabelwesen dargestellt werden. Wer etwas über den Aufbau des Multiversums, von dem Midgard ein Teil ist, wissen will, der wird sich „Meister der Sphären“ zulegen wollen, worin auch der Abenteurertyp des Beschwörers vorgestellt wird. Wem das alles zuviel Material für den Anfang ist, dem sei „Midgard – Das Abenteuer beginnt“ als preiswerte, zu den Regeln von Midgard kompatible Einführung in das Rollenspiel nahegelegt.

von Markus Kolbeck

 

„Midgard – Das Fantasy-Rollenspiel“ enthält in vereinzelten Auszügen Beschreibungen der gleichnamigen Welt Midgard, doch haben diese eher atmosphärische Bedeutung; sie reichen nicht, um eine komplette Weltbeschreibung zu liefern. Das bleibt den Quellenbänden zu "Midgard" vorbehalten. Natürlich kann man mit den "Midgard"-Regeln auf jeder anderen Fantasy-Welt spielen.

Es stehen 30 Abenteurertypen zur Auswahl: Assassinen, Barbaren unterschiedlicher Herkunft, Barden, Ermittler, Glücksritter, Händler, Krieger, Kundschafter, Ordenskrieger, Seefahrer, Söldner, Spitzbuben, Tiermeister, Waldläufer, Druiden, Heiler, Hexer (weiße, graue und schwarze), Magier, Priester verschiedener Domänen, Schamanen und Thaumaturgen.

Als Rassen stehen zur Verfügung: Menschen, Elfen, Zwerge, Gnome und Halblinge, also die klassische Auswahl.

Als Basiseigenschaften gibt es: Stärke, Geschicklichkeit, Gewandtheit, Konstitution, Intelligenz und Zaubertalent, deren Werte von 1 bis 100 reichen können. Jede Rasse zeichnet sich dadurch aus, dass sie bestimmte Vor- und Nachteile bei den Basiseigenschaften hat – mit Ausnahme des Menschen, der keine besonderen Vor- oder Nachteile hat. Der Halbling zeichnet sich darüber hinaus dadurch aus, dass er früher Schicksalsgunst erhält als die Vertreter anderer Rassen. Je Punkt Schicksalsgunst kann man einen Wurf wiederholen.

Von den Basiseigenschaften leiten sich weitere Eigenschaftswerte ab: der Schadensbonus, der Ausdauerbonus, die Größe und das Gewicht. Ferner werden Aussehen und Bewegungsweite ausgewürfelt. Aus Größe und Gewicht wird die Kleidergröße bestimmt, womit nicht jede gefundene Rüstung auch passen wird. Weitere abgeleitete Eigenschaften sind persönliche Ausstrahlung, Willenskraft und Selbstbeherrschung. Dann gibt es noch Lebens- und Ausdauerpunkte, wobei Elfen und Zwerge überdurchschnittlich viele Lebenspunkte haben, Halblinge und Gnome unterdurchschnittlich viele.

Als naturgegebene Fertigkeiten werden Angriffsbonus, Raufen, Abwehrbonus, Abwehr, Zauberbonus, Zaubern, Resistenzboni und Resistenzen gegen verschiedene Formen von Magie berechnet. Damit nicht genug, gibt es auch Werte für die Sinne einschließlich „sechster Sinn“. Ferner sind noch Stand und Glaube (Götterglaube, schamanistisch, druidisch oder gleichgültig) relevant.

In den Lehrjahren des Abenteurers kann dieser Fachkenntisse, Waffenfertigkeiten, Allgemeinwissen, ungewöhnliche Fähigkeiten, Berufsfertigkeiten und u. U. Zauberkünste erwerben; eine ganze Menge also. Darüber hinaus kann noch eine ganze Liste von Fertigkeiten ungelernt mit einem niedrigeren Erfolgswert angewandt werden, z. B. „Menschenkenntnis“ und „Schwimmen“.

Das Fertigkeitensystem funktioniert so, dass man im allgemeinen einen 20-seitigen Würfel wirft (Erfolgswurf) und zu dem Ergebnis seinen Erfolgswert in der betreffenden Fertigkeit, z. B. „Schleichen“, addiert, eventuell modifiziert durch einen Malus oder Bonus. Erreicht man den Wert 20, so ist die Fertigkeitsprobe gelungen. Interagiert man mit einem anderen Wesen, so steht diesem aber in der Regel ein Widerstandswurf zu, betreffend einer Fertigkeit, z. B. „Horchen“. Ist der Widerstandswurf mindestens so hoch wie das Gesamtergebnis des Erfolgswurfs, so gelingt der Widerstandswurf. Es gibt dann noch „kritischen Erfolg“ bei einer natürlichen 20 und „kritischen Fehler“ bei einer gewürfelten 1 mit je nach Fertigkeit verschiedenem Ausgang.

Das Kampfsystem sieht dann so aus, dass man ein Ergebnis von 20 braucht, um zu treffen. Ist die Abwehr erfolglos, so erzielt man schweren Schaden und Lebenspunkte, modifiziert um den Rüstungsschutz, sowie Ausdauerpunkte werden abgezogen. Ist die Abwehr erfolgreich, werden nur Ausdauerpunkte abgezogen, um die Anstrengung bei der Abwehr zu simulieren. Würfelt man beim Angriff eine 20, so besteht die Chance, dass man kritischen Schaden anrichtet, der dann mit Hilfe einer Tabelle bestimmt wird. Kritischen Schaden beim Angriff kann man nur mit einem kritischen Erfolg bei der Abwehr vermeiden. Bei einem kritischen Erfolg bei der Abwehr hat man im allgemeinen den Angreifer entwaffnet oder verletzt. Zusätzlich gibt es noch kritische Fehler bei Angriff und Abwehr, die ebenfalls auf Tabellen ausgewürfelt werden. Es gibt noch einige Sonderregeln wie gezielte Angriffe und Sturmangriff. Man hat sich ersichtliche Mühe gegeben, die Vor- und Nachteile der einzelnen Waffen auszugleichen.

Man kann nach der Abenteurererschaffung über 150 Fertigkeiten und Waffen während des Spiels erlernen oder steigern. Dazu muss man Erfahrungspunkte aufwenden, die man im Spiel erwerben kann. Man kann durch Unterweisung, Praxis und Selbststudium lernen. Für das Lernen ausgegebene Erfahrungspunkte summieren sich zu den Gesamtfähigkeitspunkten. Erreicht man darin eine bestimmte Summe, steigt man einen Grad auf und bekommt mehr Würfel, mit denen man die Ausdauerpunkte neu bestimmen kann. Die Lebenspunkte bleiben dagegen in der Regel gleich.

Fazit: „Midgard“ ist ein Klassiker im modernen Gewand. Das Baukastensystem beim Lernen kann sich nach wie vor sehen lassen. Mit den Fertigkeitensystem kann man realistische Interaktionen und Handlungen nachspielen ohne allzu sehr ins Detail zu kommen. Gefahren wie der Kampf bleiben auch für hochstufige Abenteurer riskant, sodass man sich mehr auf seine allgemeinen Fertigkeiten verlassen wird. „Midgard“ ist sicherlich kein kampflastiges System; Grips, Einfälle und gutes Rollenspiel werden auch mit Erfahrungspunkten belohnt. Um ein abschließendes Urteil zu fällen, muss man aber vorher noch einen Blick auf das „Arkanum“ werfen, denn Magie ist ein wichtiger Bestandteil eines Fantasy-Rollenspiels.


Midgard – Das Fantasy-Rollenspiel
Grundregelwerk
Jürgen E. Franke
Pegasus Spiele / VF&SF 2001
ISBN: 3930635216
352 S. plus 8 Farbseiten, Hardcover, deutsch
Preis: EUR 32,50

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