Meister der Dämonen (Die Sieben Gezeichneten II)

Aventurien bedroht die Rückkehr der Finsternis in Gestalt des alten Dämonenmeisters und Schwarzmagiers Borbarad. Die Kampagne „Die Sieben Gezeichneten“ (7G), oder auch schlichter Borbarad-Kampagne genannt, findet unter dem Titel „Meister der Dämonen“ (MDD) ihre Fortsetzung.

von Jorge C. Kafka

 

MDD ist der zweite von insgesamt vier Bänden der Neuauflage dieser Spielwelt umspannenden und Geschichte umwälzenden Kampagne. Details zur Entstehung und Neuumsetzung sind in der Rezension „Rückkehr der Finsternis“ nachzulesen. Hervorzuheben ist an dieser Stelle jedoch das im Internet entstandene und publizierte „Borbarad-Projekt“ unter www.borbarad-projekt.de. Es enthält eine schier endlose Material- und Ideensammlung zur 7G-Kampagne, die von erfahrenen Spielleitern für interessierte Spielleiter erstellt wurde.

Der Band MDD enthält die Teile 4 bis 6 der 7G-Kampagne. Im Einzelnen sind das „Pforte des Grauens“ von Thomas Römer (1996), „Bastrabuns Bann“ von Jörg Raddatz (1996) und die Neuveröffentlichung „Schatten im Zwielicht“ von Anton Weste (2005). Ausgepolstert mit Szenarien zwischen den Abenteuern und zum Teil enormen Anhängen ist dieser Band II prall gefüllt.

Nach einer kompakten Zusammenfassung von Band I der 7G-Kampagne erhält der Leser einen kurzen Ausblick auf das, was im Verlauf der drei Teile von Band II geschehen wird. Zunächst jedoch wird den Abenteurern eine Verschnaufpause gewährt, liegen doch zwischen dem Ende des letzten Abenteuers („Grenzenlose Macht“ von Thomas Finn) der Kampagne und dem folgenden („Pforte des Grauens“) gut zwei Jahre. Um diese Zeit zu überbrücken oder sie zu verkürzen darf – besser: sollte – sich der Spielleiter verschiedener Optionen bedienen, die allerdings hohe bis höchste Ansprüche an ihn stellen.

Die erfahrene Heldentruppe ist innerhalb dieser Kampagne auf dem besten Wege, zu aventurischen Volkshelden zu werden. Der dafür notwendige Ruhm hat sich aber noch nicht so richtig auf dem Kontinent herumgesprochen. Und überhaupt, die Kunde von Borbarads Rückkehr ist ebenso wenig weit vorgedrungen. Eine ebenfalls heldenwürdige Aufgabe! Weltliche wie kirchliche Mächte und Autoritäten, Zauberkundige und ihre Organisationen wollen informiert sein. Aber auch Familien oder Freunde der Helden können mit den Ereignissen vertraut gemacht werden. Sollten die Helden ihre Köpfe in den Sand stecken wollen angesichts er Übermacht Borbarads, so brauchen sie Zuspruch, Seelenheilung und Erfolgserlebnisse. Eine Luftveränderung wäre da durchaus angebracht.

Generell wichtig und von den Autoren gewünscht ist die Interaktion der Helden mit Institutionen und bekannten Meisterpersonen der Spielwelt. So bieten die beinahe zwei Jahre ‚Pause‘ zwischen den Kampagnen-Abenteuern Gelegenheit, durch Aventurien zu reisen und Band II verschiedene unterschiedliche Möglichkeiten dafür. Ausführliche Abenteuervorschläge sind „Des Greifen Leid“, in dem es um die Spaltung der Praios-Kirche und den neuen Boten es Lichts geht oder „Der Hochkönig“, in dem der Bergkönig Arombolosch die Helden um einen Dienst bittet. Ein weiterer Szenariovorschlag ermöglicht es dem Spielleiter, die Helden auf eine Recherchereise nach Borbarads Vergangenheit und Gegenwart zu schicken. Zur Vorbereitung der kommenden Abenteuer dienen sechs Seiten Informationen aus aventurischen Gazetten und Periodika, die zum Beispiel dem „Aventurischen Boten“ oder dem „Salamander“ entnommen sind.

Der vierte Teil der 7G-Kampagne „Pforte des Grauens“ von Thomas Römer wurde überarbeitet und ergänzt von Mark Wachholz. Das Abenteuer ist für drei bis sechs Spieler ausgelegt, die über mittlerer bis hohe Erfahrung verfügen und spielt im Zeitraum von Rahja 1018 bis etwa Efferd 1019 BF (25/26 Hal). Die Kampagne ist auch ohne das Abenteuer spielbar, sollte der Spielleiter auf einen Ausflug nach Maraskan verzichten wollen. Aber klug ist es nicht, sich die Dschungelhatz entgehen zu lassen. Zu viel spannende Szenen, Begegnungen und wichtige Ereignisse gehen den Helden damit verloren. Wer will, kann das Abenteuer auch losgelöst von der 7G-Kampagne spielen – dazu wiederum eignet es sich hervorragend.

Für den Spielleiter und (im Nachhinein) auch die Spieler ist das Grußwort des Autors sehr erhellend. Dort beschreibt Thomas Römer, wie das Abenteuer entstand, welche Vorgaben er hatte und welchen entscheidenden Anteil doch Mark Wachholz mit der Überarbeitung hat! Für Spiel(leit)er, die das Abenteuer schon kennen sollten, wird schnell deutlich, wie gut es „Pforte des Grauens“ getan hat, noch stärker mit Figuren und der Handlung der 7G-Kampagne verflochten zu werden. Hier wird deutlich, was eine eingehende Überarbeitung ausmachen kann! Das linear aufgebaute Abenteuer gewinnt mehr und mehr an Konturen und Fahrt, sobald die Helden von Punin aus nach Kunchom aufbrechen. Auf beinahe 70 Seiten macht die Heldengruppe Bekanntschaft mit stürmischer See, der Grünen Hölle und einer der wertvollsten Bergbauminen, in der ein magisches Metall gefördert wird.

Trotz seiner Linearität erweist sich das Abenteuer für den Spielleiter alles andere als einfach; die vielen wechselnden Schauplätze, zahlreichen Begegnungen und Nichtspielercharaktere winden sich um den roten Faden der Geschichte und machen ihn zu einem starken Strang, der besonders im letzten Akt und damit im Kampf gegen einen mächtigen Gegner bis zum Zerreißen gespannt bleibt. Allerspätestens hier muss den Spielern klar werden, dass ihre Helden sterblich sind und diese Kampagne große Opfer fordert. Anhang I beschreibt die Dramatis Personae, Anhang II hält Informationen über die Artefakte bereit und Anhang III bereichert das Abenteuer um eine Zeitleiste (1014 bis 1019 BF). Zum Abschluss hält das Abenteuer noch gut drei Seiten an Vorschlägen für die Zeit zwischen den Abenteuern bereit.

Teil fünf der Kampagne ist „Bastrabuns Bann“ von Jörg Raddatz. Drei bis sechs Helden hoher Erfahrung sehen sich darin großen Gefahren und harten Herausforderungen gegenüber, denn Borbarad ist weiter auf dem Vormarsch. Im Grußwort des Autors ist zu lesen, dass das Abenteuer im Vergleich zu seiner ersten Veröffentlichung nunmehr einen zentralen Platz in der 7G-Kampagne gewonnen hat. „Bastrabuns Bann“ lässt sich ohne weiteres auch als Einzelabenteuer spielen. Mit wenig Aufwand kann es zum Beispiel in das Jahr 1028 BF verlegt werden. Auch wenn die 7G-Kampagne ohne „Bastrabuns Bann“ auskäme, wäre ein Verzicht insofern bedauerlich, da hierin die Helden mehr über Borbarads Vergangenheit erfahren und der „Auftritt“ des im Titel angedeutete Bannzaubers gegen Ende der Kampagne einem deus ex machina gleichkommt.

Aufgeteilt ist das Abenteuer in drei große Kapitel: „Auf Bastrabuns Spuren“, „Khoramsbestien“ und „Die Macht des Chaos“. Sie alle haben jeweils als Etappenziel ein kleines Zwischenfinale, bis das Abenteuer in einem großen, aber – im Wortsinne – offenen Finale schließt. Im Gegensatz zum vorhergehenden Abenteuer ist „Bastrabuns Bann“ modular aufgebaut, das heißt für die Helden, dass sie in ihrer Freiheit nur durch die grenzenlose Wüste eingeschränkt werden… und die alte Bannmauer Bastrabuns, die auf der archäologischen Expedition rekonstruiert werden soll. So unterschiedlich die drei Kapitel auch sind, sie drehen jedes für sich ordentlich an der Spannungsschraube, bis das Abenteuer in einem Ereignis kulminiert, dass für „World of Warcraft“-Spieler mit den Worten „Silithus“ und „Ahn’Qiraj“ angedeutet werden kann. (muah ha ha haaa…)

Der Anhang beschreibt auf sechseinhalb Seiten die Nichtspielercharaktere, Monster, den Hintergrund des Abenteuers mit wichtigen Orten und den Bann-Komponenten. Außerdem bietet er wieder Vorschläge, um den Abenteuerzwischenraum auszukleiden. Der düstere ägyptische Touch des Abenteuers, die Kanopen und das gesamte Kapitel III haben es mir besonders angetan. Ein wundervolles Stück Arbeit ist Raddatz da in der Überarbeitung gelungen – Respekt!

Der sechste Teil der 7G-Kampagne und damit letzte Teil von Band II hat eine besondere Entstehungsgeschichte. Er heißt „Schatten im Zwielicht“ und wurde von Anton Weste geschrieben. Weste war 17 Jahre alt, als er – nach Erscheinen von „Bastrabun Bann“ – seinen eigenen, privaten Kampagnenteil schrieb. Er war so begeistert und inspiriert von den ersten Bänden, dass er den zeitlichen Zwischenraum zwischen „Bastrabun Bann“ und dem nachfolgenden siebenten Teil („Goldene Blüten auf blauem Grund“ von Lena Falkenhagen, 1996) überbrücken wollte. Einer der Hauptgründe, warum Westes Abenteuer zunächst nicht in die offizielle Produktlinie aufgenommen werden konnte, war sein enormer Umfang von über 150 Seiten! In Fankreisen machte die Existenz des Abenteuers langsam aber sicher die Runde und galt bald als „verlorenes Fragment der Borbarad-Kampagne“. Ein Glück für Weste aber auch für die 7G-Kampagne, dass man sich zu einer 4. Regeledition entschloss. Nun liegt Westes Abenteuer nach vollständiger Regelanpassung in einer intensiven Überarbeitung und um die Hälfte gekürzten Neufassung vor.

Auf knapp über 80 Seiten erleben drei bis sechs Helden mit hoher Erfahrung die kunstvolle und kongeniale Verknüpfung unzähliger loser Fäden aus den bisherigen Geschehnissen um Borbarads Rückkehr. Über dem gesamten Abenteuer schwebt die philosophische, vielleicht auch theologische Frage: Kann aus Bösem auch Gutes erwachsen? Oder in der DSA-Terminologie gefragt: Ist es nicht nur denkbar, sondern auch tatsächlich möglich, dass die Magier der Schwarzen Gilde sich gegen die Borbaradianer stellen und damit auf die Seite der Helden? Kein vernünftiger Spielleiter sollte tatsächlich darauf bestehen, diesen Teil der 7G-Kampagne auszulassen. Es als Einzelabenteuer zu spielen, ist zwar möglich, aber ungleich schwerer, denn viele Orte und Personen sind explizit mit dem Dämonenmeister Borbarad verknüpft. Dennoch macht Weste sich die Mühe, dem Spielleiter eine Möglichkeit aufzuzeigen.

Das Abenteuer selbst besteht aus einem Prolog, der im Herbst des Jahres 26 Hal (1019 BF) in Punin lokalisiert ist. Des Weiteren ist es zusammengesetzt aus vier Teilen, die zum Teil über kleinere Intermezzi verfügen. Hervorgehoben werden soll kurz die Episode um die untergegangene Dschungelstadt auf Altoum: Alta?a. Sie beherbergte einst die „Leuchtende Kugel der Hesinde“ und ein altes Orakel auf einer Insel im Fluss. Als Lektüre für Spiel(leit)er zu empfehlen ist der DSA-Roman „Und Alta?a brannte“ von Momo Evers. Weste gestaltet den Reiseweg zur versunkenen Stadt und den Aufenthalt mit einem wunderbaren Gespür für Spannung und Details. Dabei vergisst er nie das gesamte Bild, sprich: Er verliert nie wirklich die Kampagne aus den Augen. Das Finale von „Schatten im Zwielicht“ schließt in einem furiosen Inferno diesen Band III und öffnet ein finsteres Kapitel neuzeitlicher aventurischer Geschichte… Zwei Anhänge zu den Meisterpersonen und dem zeitlichen Ablauf runden das Abenteuer gelungen ab.

16 Seiten gemeinsame Anhänge (von Mark Wachholz und Anton Weste) erläutern das Dritte und das Vierte Zeichen und gehen detailliert auf die unterschiedlichen Prophezeiungen und ihre Verwendung im Spiel ein. Außerdem widmen sie gut fünf Seiten ausgiebig dem Dämonenmeister Borbarad, der Darstellung seiner Person, seiner Erscheinung, seinen Fähigkeiten und seinem Wesen und Charakter. Auch seine Pläne und seine Beziehung zu dem Gezeichneten werden beleuchtet. Einige Zitate vervollständigen das bisher eher vage Bild von ihm. Ein zweiseitiger Index macht Band II komplett.

Fazit: Wer sich mit Band I entschieden hat, die 7G-Kampagne mit seiner Rollenspielgruppe zu spielen und wer von der irrwitzig-genialen Idee, die hinter ihrem Konzept steht, fasziniert ist, kommt um Band II ebenso wenig herum wie um die beiden noch verbleibenden. Auch beim zweiten Band stimmt wieder alles: Preis, Umfang, Inhalt, Intention und Ausstattung. Mit scheint es nicht übertrieben, dass es sich bei der Fantasy-Kampagne „Die Sieben Gezeichneten“ um die beste deutschsprachige Veröffentlichung handelt. Kaufen, lesen, spielen und eintauchen!

Mit freundlicher Unterstützung von Fantasy Productions GmbH, www.fanpro.com und www.f-shop.de

Meister der Dämonen (Die Sieben Gezeichneten II) Abenteuerkampagne Thomas Römer, Jürgen Raddatz, Anton Weste Fantasy Productions 2005 ISBN: 3-89064-383-3 275 S., Hardcover, deutsch Preis: EUR 25,00 bei amazon.de bestellen

Links:

 

www.borbarad-projekt.de