Mass Effect #1: Erlösung

Der Videospiele-Entwickler BioWare gilt seit Jahren als Spezialist für starke Rollenspiele. Titel wie „Baldurs Gate“, „Star Wars: Knights of the Old Republic“ und „Dragon Age“ sind jedem Gamer ein Begriff. Mit „Mass Effect“ brachte die Spieleschmiede 2007 ein SF-Rollenspiel auf den Markt, dessen epische Handlung und spektakuläre Optik ihm Bestnoten von Spielern und Kritik bescherten. Das Abenteuer um den Soldaten Commander Shepard wurde ein Riesenerfolgt und zog bis jetzt zwei Fortsetzungen nach sich. Romane und Comics machten das Universum noch größer. Dieser hier ist einer davon.

von Kurt Wagner

 

„Erlösung“ versteht sich laut Klappentext als Tie-In-Comic, der zwischen „Mass Effect 1“ und „Mass Effect 2“ angesiedelt ist. Das stimmt allerdings nicht ganz. Genau genommen wird der Anfang von „Mass Effect 2“ darin vorweggenommen, sodass man am besten beide Spiele gezockt haben sollte, wenn man keine unnötigen Spoiler erleben will. Außerdem wird auch zumindest ein Grundwissen um die galaktischen Fraktionen dieses Universums vorausgesetzt.

Achtung! Um die Handlung des Comics ansatzweise zu beschreiben, sind gewisse Spoiler unvermeidbar!

Die Geschichte spielt einen Monat nach einem Angriff der Kollektoren auf Shepards Schiff „Normandy“, bei dem Shepard getötet oder zumindest schwer verwundet wurde. Er gilt seitdem als verschollen. Eine seiner ehemaligen Gefährten, die blauhäutige Asari Liara T’Soni kann sich mit dieser Situation nicht abfinden und macht sich daher auf die Suche nach ihm. Ihre Bemühungen führen sie mitten in ein Kräftemessen zwischen dem geheimnisvollen, kriminellen Informationshändler namens Shadow Broker und der Organisation „Cerberus“, die beide an Shepards Körper interessiert sind. Zusammen mit dem Drell-Schurken Feron, dessen Loyalitäten fragwürdig erscheinen, versucht Liara das Wettrennen um diese ungewöhnliche Ware zu gewinnen.

Es ist kurios, dass schon im Vorwort der Bezug zwischen „Star Wars“ und „Mass Effect“ hergestellt wird. Verfasser Mattia Dal Corno schreibt zu recht, dass es heutzutage kaum einen 30-Jährigen gibt, dem die ikonischen Figuren und Momente von „Star Wars“ durch seine Jugend nicht in Fleisch und Blut übergegangen wären. Und er hofft, dass „Mass Effect“ mit seinem Epos, seinen Raumschlachten und seinen coolen Charakteren diese Rolle für die Jugendlichen von heute übernehmen wird. Dem Comic gelingt diese Nachfolge sehr gut, denn man fühlt sich regelrecht ins „Star Wars“-Universum versetzt.

Das hat nicht nur mit „Star Wars“-Schreiber John Jackson Miller zu tun, der hier als Co-Autor fungiert, sondern vor allem mit der Story: Eine junge Frau, die ihrem verschollenen Freund nachspürt, dabei die Hilfe von einem zwielichtigen Schurken erhält und in einen Kampf zwischen der Unterwelt und einer Organisation der Menschen gerät ... Das klingt verdammt nach „Shadows of the Empire“ von 1996, jenem Multimediaprojekt aus der Lucas-Schmiede, das seinerzeit die Lücke zwischen „Das Imperium schlägt zurück“ und „Die Rückkehr der Jedi-Ritter“ schloss und Leia an der Seite des Schurken Dash Rendar zeigte, die gegen das Imperium und den Unterweltboss Xizor, den Herrscher der Schwarzen Sonne, nach dem in Karbonit eingefrorenen Han Solo suchte.

Doch nicht nur die groben Linien wecken Assoziationen. Auch die schäbigen Cantinas, ein cooler Killer, eine die „Macht“ einsetzende Protagonistin, die Verfolgungsjagd durch ein Asteroidenfeld und die Söldner der Blauen Sonnen (!) wecken „Star Wars“-Feeling. Aber bevor mich jemand falsch versteht: Das ist keine Kritik! Der Comic übernimmt hier vielmehr alles, was an „Star Wars“ gut und cool war, ohne sich die kindischen Absurditäten zu erlauben, die seit den Prequels in George Lucas’ Universum Einzug gehalten haben. Und nicht nur inhaltlich weiß er zu überzeugen, auch optisch punktet er mit einer attraktiven Protagonistin, einem noir-mäßigen Sidekick, fiesen Aliens und schicken Raumschiffen.

Fazit: Natürlich ist „Mass Effect #1: Erlösung“ ein Tie-In, dessen Handlungsende bereits zu Beginn feststeht (und vielen auch bekannt sein dürfte). Doch wie in vielen guten Geschichten ist der Weg das eigentliche Ziel – und hier weiß der Comic hervorragend zu unterhalten. Inhaltlich kurzweilig und optisch ansprechend, steht „Mass Effect“ hier im  besten Sinne in der Tradition seines Genre-Vorbilds „Star Wars“ – nur ohne kalauernde Kampfdroiden und Jar Jar Binks! Für „Mass Effect“-Jünger ohnehin ein Muss, aber auch für Space-Opera-Fans, die das Videogame „Mass Effect“ nicht gespielt haben (beispielsweise „Clone Wars“-müde „Star Wars“-Leser) ist das Ganze höchst empfehlenswert.


Mass Effect #1: Erlösung
Comic
Mac Walters, John Jackson Miller, Omar Francia
Panini Comics 2010
ISBN: 978-3-86201-011-0
100 S., Softcover, deutsch
Preis: EUR 12,95

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