Lovecraft-Bibliothek 18: Namenlose Kulte

Mit „Namenlose Kulte“ liegt nun der zweite Band der sechsteiligen Sammlung der neu übersetzen Werke H. P. Lovecrafts vor. Kann dieser Band die Bibliothek eines Cthulhu-Sammlers bereichern oder werden lediglich alte Geschichten in schöner Verpackung neu aufgelegt?

von Oliver Adam

 

Der edle, 304 Seiten umfassende Band überzeugt zuerst einmal durch seine hervorragende Ausstattung. Mit dem Hardcover-Umschlag, einem schwarzen Lesebändchen sowie der stimmungsvollen Titelgestaltung reiht er sich nahtlos in die mit „Der kosmische Schrecken“ begonnene Reihe des vollständigen literarischen Schaffens Lovecrafts ein, und so nimmt Stück für Stück eine gediegene Lovecraft-Bibliothek im Bücherschrank Formen an. Allenfalls der Titelschriftzug fällt leicht aus dem Rahmen, da dieser einen etwas dunkleren Farbton aufweist als der Vorgängerband.

Den Auftakt der elf Geschichten macht „Der Ruf des Cthulhu“. Dabei handelt es sich um eine klassische Cthulhu-Story, bei der verschiedene Entwicklungsstränge miteinander verwoben werden und schließlich in einem düsteren, für den Protagonisten unentrinnbaren Finale münden. Jedem Cthulhu-Interessierten sei diese Geschichte ans Herz gelegt, da sie den grundlegenden Mittelpunkt des Mythos bildet. Deshalb wäre diese Geschichte meiner Meinung nach besser bereits im ersten Band der Reihe platziert gewesen.

„Die Katzen von Ulthar“ ist nur wenige Seiten lang, spielt in den Traumlanden – einer parallelen Welt jenseits der Mauer des Schlafes – und verarbeitet die Schwäche Lovecrafts für Katzen.

Viele Künstler nutzen Modelle, die sie als Vorlagen für ihr kreatives Schaffen heranziehen. Manchmal ist das ein Früchtekorb mit kräftigen Farben, und auch so manch leicht bekleidete Dame hat sich dergestalt auf Leinwänden zeitgenössischer Maler wiedergefunden. Die Modelle, die der Bostoner Künstler Pickman in „Pickmans Modell“ als Vorlage für seine morbiden Werke heranzieht, sind allerdings schreckliche Geschöpfe, die tief unter den zivilisierten Städten der Menschen leben. Eine tolle Geschichte, die durch ihre Neuübersetzung stimmungsvoller und sinnvoll wird.

„Das Grauen von Dunwich“ spielt in der fiktiven, abgelegenen und dünn besiedelten Gegend mit dem Namen Dunwich. Dort braut sich ein düsteres Grauen zusammen, als zwei monströse Zwillingsbrüder geboren werden. Der eine gleicht seinem Vater und wird zu einem schrecklichen Monster, während der andere in Arkham und anderen Bibliotheken nach Wissen strebt. Am Ende können mehrere gelehrte Männer aus Arkham sowie der Bibliothekshund dem gottlosen Treiben Einhalt gebieten.

Ein weiteres Highlight ist „Die Farbe aus dem All“. Eine weite Grünfläche unweit Arkhams soll bei einem Staudammprojekt geflutet werden. Der ausgesandte Vermesser findet bei seinen Recherchen sowie in Gesprächen mit den Anwohnern heraus, welches Schicksal die „verfluchte Heide“ und seine Bewohner heimgesucht hat.

Weitere kürzere – aber deshalb nicht weniger empfehlenswerte – Geschichten in diesem Band sind „Celephais“, „Das Weiße Schiff“, „Der Tempel“, „Herbert West – Reanimator“ und „Aus dem Jenseits“. Viele weitere Höhepunkte aus dem Gesamtwerk Lovecrafts hat sich der Verlag sicherlich als Highlight für die bereits angekündigten Folgebände aufgespart.

Den Abschluss bilden Erinnerungen an Lovecraft von seinen Freunden Robert H. Barlow, Marian F. Bonner, Mary V. Dana und Zealia Bishop, die sich auch nicht mit Kritik zurückhalten (vor allem Zelia Bishop) und so dem Leser Einblicke in die Seelenwelt und sozialen Schwierigkeiten des Autors vermitteln.

Fazit: Bei den Geschichten handelt es sich um wirklich hervorragende, wortgewandte Horror-Erzählungen, die vor allem durch ein subtiles hintergründiges Grauen und einen konstanten Spannungsaufbau hin zu einem überraschenden Finale überzeugen. Etwas befremdlich wirken allerdings - für einen Leser unserer Zeit  - die rassistischen Anklänge bei einigen Geschichten. Damit stellt „Namenlose Schrecken“, wie auch der erste Band der Reihe, eine wirkliche Bereicherung einjeder cthulhoiden Bibliothek dar und bietet eine hervorragende Aufmachung für einige der besten Erzählungen Lovecrafts. Um dessen Gesamtwerk in edler Aufmachung zu erhalten, wird es jedoch notwendig sein, alle sechs Bände der Reihe zu erwerben – bei einem Preis von 24,- Euro je Band werden hierzu vor allem Sammler und Liebhaber bereit sein.

Namenlose Kulte (H. P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens #18)
Horror/Mystery-Roman
H. P. Lovecraft
Festa Verlag 2006
ISBN: 3-935822-84-8
304 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 24,00

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