Lovecraft-Bibliothek 02: Der Lovecraft-Zirkel

Nicht nur Lovecraft hat Mythos-Geschichten geschrieben, eine Tatsache, die sich die Reihe "H. P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens" vom Festa Verlag zu Nutze macht. In ihr bekommen wir Geschichten und Romane unterschiedlichster Couleur rund um den Cthulhu-Mythos geliefert, zuletzt sogar vom Meister persönlich – neu übersetzt und kommentiert. Was einst als Taschenbuchreihe begann, wurde bald auf Hardcover umgestellt und vergriffene Taschenbücher als Hardcover neu veröffentlicht.

von amel

 

 

"Der Lovecraft-Zirkel" ist ein solcher Nachdruck eines ursprünglich 2000 erschienen Taschenbuches mit neuem Cover. Das alte Bild hat mir besser gefallen, aber da scheiden sich die Geister.

Lovecraft hatte regen Briefverkehr mit vielen verschiedenen Leuten. Angeblich soll er 100.000 Briefe in seinem Leben geschrieben haben. Wie er dafür die Zeit gefunden haben soll, ist mir zwar schleierhaft, aber fest steht, dass es viele Briefe waren, durch die er Kontakt mit anderen Schriftstellern pflegte, die seinen Mythos teilweise aufgriffen und Geschichten darüber schrieben. Das vorliegende Buch veröffentlicht verschiedene Werke von unterschiedlichen Zeitgenossen Lovecrafts. Die wenigsten davon haben Mythosbezug, sondern wurden eher in die Reihe aufgenommen, weil Lovecraft die Geschichte selbst oder zumindest den Autoren interessant und gut fand.

Jede Geschichte wurde mit einer kurzen Anmerkung über den Autor und seine Beziehung zu Lovecraft versehen, was für den interessierten Leser fast so spannend ist, wie die Geschichte selbst.

Den Auftakt bildet ein kurzes und durchaus lesenswertes Gedicht über Lovecraft von Frank Belknap Long. Darauf folgt eine Mischung von sehr unterschiedlichen Geschichten. Sicherlich für den Fan sehr interessant sind "Das Nachtmeer" von R. H. Barlow und Lovecraft selbst, das für mich den Höhepunkt des gesamten Buches darstellt, und "Die Bedrohung aus dem Weltall" von insgesamt fünf verschiedenen Autoren. Beides sind selten veröffentlichte Geschichten.

Bei Barlows "Nachtmeer" liegt das sicherlich daran, dass der Anteil Lovecrafts an der Arbeit nur zu erahnen ist; vielleicht hat er nur ein paar Kommas verbessert, vielleicht hat er sie auch komplett umgeschrieben. Die Idee stammt jedenfalls von Barlow. Es geht um einen Künstler, der für eine Weile in ein Ferienhaus am Meer zieht und vom Strand gefühlsmäßig stark beeinflusst wird. Ob das "Übernatürliche", das er sieht, eingebildet ist oder nicht, kommt nie heraus. Wegen seiner Bandwurmsätze nicht leicht zu lesen, ist die Geschichte die Stimmungsvollste im Buch.

"Die Bedrohung aus dem All" ist besonders für Fans interessant. Lovecraft hat mit einigen befreundeten Autoren eine "Round-Robin-Story" geschrieben, in der einer von ihnen begann, seinen Teil an den nächsten schickte, der weiter schrieb und das Resultat wiederum weiterreichte. Als Experiment ist die Geschichte sehr interessant und es ist witzig zu sehen, wie sich Thema und Stil verändern, sobald der Autor wechselt (besonders der Übergang Lovecraft-Howard ist spannend zu beobachten), inhaltlich ist sie aber weniger interessant. Trotzdem sind mit ihr und dem "Nachtmeer" zwei viel zu selten veröffentlichte Geschichten im Band enthalten.

Der Rest des Bandes ist weniger ungewöhnlich. C. A. Smiths "Die Epiphanie des Todes" hätte lieber durch eine seiner Fantasy-Geschichten ersetzt werden sollen, denn weder Schreibstil noch Pointe machen sie für den modernen Leser wirklich interessant. Das Thema von "Das kleine schwarze Ding" von D. W. Rimel wurde mal von einer "Akte X"-Folge aufgegriffen; wenn man die Pointe nicht kennt, ist sie durchaus interessant. R. E. Howards Geschichte "Im Wald von Villefére" ist so langweilig wie sie kurz ist. Auch hier hätte sicher eine bessere ausgesucht werden können. Von R. F. Searsight sind gleich zwei Geschichten enthalten. "Die versiegelte Urne" ist nicht weiter erwähnenswert (eine von diesen Storys, die man vergisst, sobald man die letzte Zeile gelesen hat), doch "Das Hirn" ist sehr gelungen. Zwar wird wieder ein altbekanntes Thema (das von dem lebenden Gehirn im Glas) aufgegriffen, doch sowohl Stimmung als auch Erzählstil sind sehr schön. Die längste Geschichte des Buches ist "Hort des Bösen" von Henry S. Whitehead und für mich durch ihre stimmungsvolle Erzählweise und einfach auch durch die Länge ein weiteres Highlight des Bandes. Den Abschluss des Bandes bildet Muriel E. Eddys "Howard Phillips Lovecraft", worin uns einige persönliche Erinnerungen an den Schriftsteller erzählt werden.

Fazit: Für Fans des Meisters und generelle Lovecraft-Enthusiasten ist das Buch eine Schatztruhe an Einblicken und Geschichten, die aus verschiedenen Gründen interessant sind (meist, um zu sehen, was Lovecraft selbst für Geschichten mochte). Für den eher allgemein interessierten Phantastik-Fan, der ein paar gute Geschichten lesen will, ist es nicht ganz so interessant, denn einige der Beiträge sind doch eher Mittelmaß. Auf der anderen Seite bekommt man den selten zu findenden Klassiker "Das Nachtmeer" neben einigen anderen guten Geschichten geboten, die sonst schwer zu finden sind.


Der Lovecraft-Zirkel (H. P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens #02)
Horror/Mystery-Geschichtensamlung
Clark Ashton Smith, Robert E. Howard u. a.
Festa-Verlag 2006
ISBN: 3-932171-89-6
224 S., Hardcover, Deutsch
Preis: EUR 22,00

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