Lord of the Rings TCG: Shadows

Die „Shadows“-Edition des LOTR-TCG ist seit dem Erscheinen der „Fellowship of the Ring“-Edition im Jahre 2001 sicherlich die Spielerweiterung mit den größten Veränderungen. Die 266-Karten-Edition (60 Commons, 60 Uncommons, 60 Rares, 86 Starter Deck-only Cards) mit dem Pfeife schmauchenden Aragorn auf dem Booster bildet den Auftakt zu einem neuen, großen Kapitel im Kampf um Mittelerde.

von Michael Wilhelm, Stephan Schäfer & Bernd Perplies

 

Fakten, Fakten, Fakten

Mit „Mount Doom“ fand das LOTR-Sammelkartenspiel, wie es bisher gewesen war, ein Ende. Das soll nicht heißen, dass man alle Karten jetzt wegschmeißen kann, aber die Kompatibilität zu „Shadows“ ist doch, wie sich unten zeigen wird, zumindest in gewissem Maße eingeschränkt. Vielmehr soll „Shadows“ neuen Spielern den Einstieg in das Hobby LOTR-Sammelkartenspiel erleichtern und so erwartet uns de facto mit den angekündigten neun Editionen ein kompletter zweiter Satz LOTR-Spielkarten, diesmal nicht chronologisch, sondern thematisch sortiert. Im Augenblick sieht das wie folgt aus:

  • Shadows (November 3, 2004 / 266 Karten)
  • Black Rider (März 2005 / 196 Karten)
  • Bloodlines (Juli 2005 / 180+ Karten)
  • The Hunters (November 2005)
  • Rise of Saruman (März 2006)
  • Treachery and Deceit (Juli 2006)
  • The Great Eye (November 2006)
  • Shelob's Lair (März 2007)
  • Age's End (Juli 2007)

Die „Shadows“-Edition, das erste von drei Sets im so genannten „War of the Ring“-Block, kommt dabei – wie gehabt – in Boostern mit jeweils 11 Karten auf den Markt sowie in vier verschiedenen Starter-Sets (Gandalf, Aragorn, Legolas und Éowyn), in denen sich erstmals eine große Anzahl an „Starter Deck-only Cards“ befindet, die sich zum Teil aus Reprints alter Karten, z.B. dem „Hobbit Sword“, samt altem Bild und Gametext, nur mit aktualisiertem „Shadows“-Sammlercode, zusammensetzen. Neben den regulären 266 Karten existiert ein Subset aus 18 Foil-Karten, von denen ungefähr alle sieben Booster je eine Karte die reguläre Rare ersetzt. Die Foil-Karten bilden dabei ein „Best of“ der normalen Rares und beinhalten z.B. den „Witch King“, „Aragorn“ und „Lurtz“ – Yep, den guten alten Uruk-Anführer sieht man in „Shadows“ auch wieder!

Die Kartenqualität ist diesmal außerordentlich gut. Der Druck ist klar, die Farben sind kräftig und alle Karten schön zentriert gedruckt mit einem gleichmäßigen schwarzen Rand – was durchaus nicht immer der Fall ist. Leider scheint im Gegenzug die Kartenmischung diesmal nicht besonders gelungen. Bereits in einem Display aus 36 Boostern kann man locker sechs bis acht doppelte Rares finden. Das ist eigentlich zu viel! Aber vielleicht hatten wir auch nur Pech beim Ziehen ...

Vom Wandel der Kulturen

Zu den auffälligsten Neuerungen von „Shadows“ zählt, dass die Shadow-Minions in neue Kulturen aufgeteilt wurden. Wo früher die Kulturen Isengard, Sauron, Dunland und Raider (= Southrons / Easterlings / Corsairs) den Gefährten ihren Weg durch Mittelerde erschwerten, stellen nun die Kulturen Orcs, Uruks und Evil Men die Gegner. In dieser Neuordnung der Shadow-Minions liegt auch eine beachtliche Einschränkung begründet: Die Gegner der alten Editionen können nicht mehr ohne weiteres mit den neuen Minions kombiniert werden. Es ist zwar möglich, aber doch mit deutlich mehr Denkarbeit verbunden. Beibehalten wurden die Kulturen Gollum und Nazgûl (früher Ringwraith, heute schlicht Wraith genannt), in denen sich daher am wenigsten Schwierigkeiten in der Kombination von neuen und alten Karten ergeben.

Aber auch für die Seite der Free Peoples ergeben sich Änderungen. Alle Companions haben jetzt statt der Signets aus den bisherigen Sets die (für Nicht-Ringträger) neue Eigenschaft Resistance. Analog zum Ringträger sinkt die Resistance eines Charakters mit jeder Burden, die der Ringträger erhält, um 1. Da die meisten Charaktere über eine Resistence von 6 verfügen, werden eine Menge Kartentexte schon bei ein oder zwei Burdens auf dem Ringträger ausgelöst. Viele Shadow-Karten profitieren von Resistance 4 oder 5, während Free-Peoples-Karten ihre Wirkung manchmal nur dann zeigen, wenn die eigenen Charaktere noch über 6 oder 7 Resistance verfügen. Gerade hier zeichnen sich die widerstandsfähigen Hobbits aus, da sie alle eine Resistance über 8 aufweisen, die noch um 1 steigt, wenn „Sam, Steadfast Friend“ ins Spiel kommt. Es ist also durchaus doppelt von Vorteil, zu Spielbeginn verhalten Burdens zu bieten, um nicht gleich von durch niedrige Resistance gestärkten Uruks oder anderen Unannehmlichkeiten niedergemacht zu werden. Aus dieser durchaus interessanten Regelerweiterung ergibt sich aber auch der Nachteil, dass Companions aus alten Editionen nicht mehr in „Shadows“ gespielt werden können. Da die Kulturen der Free-Peoples-Seite aber beibehalten wurden, ergeben sich zumindest in der Übernahme von anderen alten Karten keine weiteren Probleme.

Neue Keywords braucht das Spiel

Gleichermassen wird in der „Shadows“-Edition auf die Fortsetzung alter Spielmechanismen weitgehend verzichtet: So werden z.B. „Threats“ und „Initiative“ auf den neuen Karten und auch im Starter-Regelwerk nicht mehr erwähnt. Aber die neuen Keywords „Toil“, „Muster“ und „Lurker“ sollten für so manche Überraschung verantwortlich sein können:

So stellt „Toil“ eine Möglichkeit dar, Karten mit hohen Twilight-Kosten relativ günstig zu spielen. Für jeden Charakter der gleichen Kultur, der sich gleichzeitig „anstrengt“ („exert“), reduzieren sich die Twilight-Kosten um einen Betrag von meist 2 Twilight-Tokens. So kann der „Witch-King“, der sonst für 8 Twilight-Tokens ins Spiel kommt, der Fellowship plötzlich ohne verbliebene Twilight-Tokens entgegengeschickt werden, wenn schon vier andere Nazgûl oder Ringwraith-Orcs im Spiel sind, die dafür angestrengt werden. Da der Shadow-Spieler davon ausgeht, dass die Minions sowieso nur für eine oder zwei Kampfrunden im Spiel sind, ist das für ihn nur wenig schmerzhaft. Für den Free-Peoples-Spieler kann das schon weitaus unangenehmer sein, wenn nicht die Möglichkeit besteht, an einem Sanctuary oder durch andere Karten zu heilen. So wird man in Zukunft wohl noch vorsichtiger sein, das Risiko durch eine größere Zahl an Twilight-Tokens in Kauf zu nehmen, da der Shadow-Spieler mittels Toil möglicherweise noch einen Gegner mehr spielen kann. Der Free-Peoples-Spieler kann Toil zwar ebenfalls nutzen und profitiert noch am ehesten davon, Wunden und Twilight-Tokens kombinieren zu können, insgesamt ist Toil wohl aber doch eher für den Shadow-Spieler interessant.

„Muster“ ist einfach eine zusätzliche Möglichkeit, am Ende der Runde Karten abzuwerfen. Ein Spieler, der über Charaktere mit Muster verfügt, kann zu Beginn der Regroup-Phase eine Zahl von Karten abwerfen, die kleiner oder gleich der Anzahl dieser Charaktere ist, um dann gleich dieselbe Zahl Karten neu ziehen. Das kann durchaus zu einem beträchtlichen Durchlauf an Karten führen, da ja während der Regroup-Phase zusätzlich nochmal eine weitere Karte abgeworfen werden kann. Dennoch sind Muster deutliche Grenzen gesetzt. So verfügt bisher keine Kultur, weder auf Shadow- noch Free-Peoples-Seite, über mehr als ein oder zwei Charaktere mit Muster, da es ja schon zu einer echten Gefährdung der Spielbalance führen könnte, wenn ein Spieler jede Runde seine komplette Kartenhand austauscht.

Den größten direkten Einfluss auf das Kampfgeschehen hat die auf Shadow-Minions begrenzte „Lurker“-Fähigkeit. Kämpfe, an denen Minions mit Lurker beteiligt sind, müssen vom Free-Peoples-Spieler als letzte zur Abwicklung bestimmt werden. Deshalb ist es noch wichtiger als bisher, sich schon während der Assignment-Phase die Reihenfolge der Kämpfe vor Augen zu halten, da eine beträchtliche Zahl an Karten Vor- und Nachteile hat, je nachdem wie viele Minions oder Charaktere im Augenblick einem Kampf zugeteilt sind. „Merry, Loyal Companion“ beispielsweise ist Stärke +2 für jeden Unbound Companion, der einem Kampf zugeteilt ist. Ist er einem Lurker zugeteilt, muss er auf diesen Bonus verzichten, da bis dann alle anderen Kämpfe abgewickelt sind. Der neue Gollum ist natürlich ein Lurker, genauso wie einige Evil Men, Orcs, ein paar Uruks und Nazgûl.

Auf neuen Wegen

Die fundamentalsten Modifikationen der „Shadows“-Edition fanden am Site Path statt. Die einzelnen Sites haben nun keine feste Site Number mehr. Vielmehr kann jede Site, je nach Bedarf des Spielers, an jeder Stelle des Site Paths gespielt werden. Im eigenen Adventure-Deck darf eine Site nur einmal vorkommen, dafür ist es aber zulässig, eine bereits vom Gegner gespielte Site im späteren Verlauf noch einmal selbst auszuspielen. Das heißt, die Fellowship kann durchaus merkwürdige Routen durch Mittelerde nehmen. Nachdem der Startspieler als erste Site „The Prancing Pony“ spielt, um einen Ranger aus dem Deck zu holen und dann als zweite Site den „Watch-Tower of Cirith Ungol“ vorgelegt bekommt, möchte der Gegner später vielleicht auch einen Ranger spielen und wählt deshalb als Site 3 sein eigenes „The Prancing Pony“. Das ist dann vielleicht vom Storytelling her nicht mehr ganz realistisch, aber dafür eröffnet es ganz ungeahnte neue strategische Möglichkeiten, da es eine enorm hohe Zahl an Karten in der „Shadows“-Edition gibt, die sich auf ein spezielles Terrain wie Mountain, River usw. beziehen.

So kann man nun auch mehr von einer guten Abstimmung der Free-Peoples- und Shadow-Aspekte eines Decks profitieren. Hobbits fühlen sich eben in Dwelling- und Forest-Sites am wohlsten, Nazgûl merkwürdigerweise auch, sodass diese beiden Kulturen gut in einem Deck harmonieren. Elfen bevorzugen River- und Forest-, Zwerge und Orcs Mountain- und Underground-Sites, die Uruks genießen Vorteile an Battlegrounds und manche der Evil Men an Plains. Diese funktionieren deshalb gut mit den Rohirrim zusammen, die ebenfalls von Plains profitieren. Es ist nun also von viel größerer Bedeutung, über die Zusammensetzung des Site Paths zu entscheiden als bisher. So gewinnen auch Companions (z.B. die „Gondor Ranger“), Minions und Karten, die die nächste Site bestimmen oder auch eine Site des Gegners ersetzen können, enorm an Bedeutung. Durch die bisher für jede Location des Site Paths eingeschränkte Auswahl aus fünf oder sechs zur Verfügung stehenden Kartenalternativen war die persönliche Einflussnahme gering. Jetzt ist es möglich, die kommende Site an die aktuellen Bedürfnisse anzupassen. Hat man Gandalf im Kampf verloren, spielt man eben „Pinnacle of Zirakzigil“, um ihn von den Toten wiederzuholen.

Fazit: Nach anfänglicher Skepsis über den Sinn und Umfang der Regeländerungen, schafft es die „Shadows“-Edition dann doch, dem LOTR-TCG interessante neue Aspekte und strategische Möglichkeiten zu eröffnen, sodass es zwar inhaltlich noch das gleiche Spiel ist, sich aber dennoch so grundlegend geändert hat, dass sich selbst Veteranen anfangs des Gefühls „des ersten Mals“ nicht ganz erwehren können. Das Einzige, was die Freude ein wenig trübt, ist die Tatsache, dass die „Shadows“-Edition mit 266 neuen Karten deutlich kleiner ist als die bisherigen Editionen zu Beginn einer Trilogie. Bei der eingeschränkten Kombinierbarkeit von neuen und alten Karten wird so mancher Spieler bei der Zusammenstellung seines Decks so an Grenzen stoßen.

Man kann gespannt sein, was die „War of the Ring“-Edition noch so alles bringen wird. Vermutlich wird es vorerst keine weiteren Veränderungen im Ausmaße von „Shadows“ geben, interessant dürfte aber trotzdem sein, wie sich das Spiel weiter entwickeln wird.


The Lord of the Rings TCG: Shadows (War of the Ring Block 1)
Sammelkarten-Erweiterungsset
Decipher 2004
266 Karten, englisch
Preis: EUR 131,88 (Starterdisplay) / 132,84 (Boosterdisplay)

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