Klingentänzer

Ob Conan der Barbar, Aragorn aus Mittelerde oder Loras Tyrell aus Westeros – alle drei sind legendäre Krieger in ihren Welten. Und auch im Rollenspiel „Das Schwarze Auge“ war der Krieger einer der ersten und bis heute beliebtesten Helden, den man spielen durfte. Und so überrascht es nicht, dass nach den Beschreibungen der Magierakademien auch ein Band über die Kriegerakademien und Schwertgesellenschulen erscheinen sollte, um Hintergründe wie Ausbildung, Abläufe des Alltags, unterschiedliche Moral- und Wertvorstellungen und vieles mehr zu beschreiben.

von Ansgar Imme

Erfolgreiche Ideen werden immer nachgeahmt. Nachdem die Quellenbücher zu den Magierakademien bei den Spielern von „Das Schwarze Auge“ sehr gut angekommen waren, sprach aus Sicht des Ulisses Verlags nichts dagegen, auch die Kriegerakademien und Schwertschulen mit einem Quellenband zu versehen. Als verantwortlicher Bandredakteur wurde Martin Schmidt ausgesucht, der seit 2005 an verschiedenen Publikationen (Quellenbände wie „Land der ersten Sonne“, „Herz des Reiches“ oder „Katakomben und Kavernen“) mitgearbeitet hat und hier zum ersten Mal die Bandredaktion übernahm. Jenseits von „Das Schwarze Auge“ ist er auch als Autor für das Rollenspiel „Shadowrun“ bekannt und aktiv.

Layout, Aufmachung, Illustrationen

Das Quellenbuch umfasst 184 Seiten und liegt damit in der Mitte des dicksten und dünnsten Bandes zu den Magierakademien. Im Gegensatz zu diesen wurde hier auf Bodenpläne der Kriegerakademien oder Schwertgesellschulen verzichtet. Das Layout hält sich ansonsten an die Vorgaben vorheriger Quellenbücher und unterbricht die Fließtexte ab und zu durch grau hinterlegte Kästen mit Hintergrundinformationen. Das Inhaltsverzeichnis mit nur zwei Ebenen stellt hier im Gegensatz zu anderen Spielhilfen kaum ein Problem dar, da in den wenigen allgemeinen Texten nicht so stark in die tiefe Gliederung gegangen werden muss.

Während das Cover exzellent getroffen ist und sowohl Dynamik als auch Detailtreue offenbart, sind die Illustrationen leider sehr beliebig und an manchen Stellen etwas zu dunkel geraten. Ärgerlich ist zudem, dass bei den Akademien meist nur allgemeine Aspekte herausgegriffen und auf den Bildern dargestellt werden, anstatt vermehrt auch die Illustrationen für die Bebilderung der Personen der Akademien zu nutzen. Lobenswert sind dagegen die Wappen und Schwertgesellenringe, da diese im Spiel schnell nutzbar sind und für Individualität und Unverwechselbarkeit des jeweiligen Schule/Akademie sprechen.

Der Inhalt

Wie üblich startet der Quellenband mit einem kurzen Vorwort inklusive Abkürzungsverzeichnis und geht dann in den allgemeinen Teil zu den Kriegerakademien über. Hier wird der historische Ursprung der Akademien skizziert sowie auf die Institution an sich eingegangen und somit welche Räume eine Kriegerakademie enthält und was dort passiert als auch der Lebensraum genau genutzt wird. Der allgemeine Tages-, Wochen- und Jahresablauf sowohl der angehenden Krieger als auch der Lehrmeister wird erläutert und die Ausbildung eines Kriegers in seinen verschiedenen Stufen vom Anfänger bis zum Empfang des Kriegerbriefs beschrieben. Ergänzt wird dies durch die Beschreibung der Bediensteten einer Kriegerakademie sowie die Erläuterung des Kriegerbriefs selbst. Ein weiterer Abschnitt widmet sich in Kürze der Zeit nach der Ausbildung und wie ein Krieger als Profession vom Spieler gestaltet und ausgebaut werden kann.

Dann folgt der erste sehr große Teil des Bandes, der eben genau die Kriegerakademien beschreibt. Eine Einleitung erklärt, wie die Beschreibungen aufgebaut sind (weitestgehend analog zu den Texten der Magierakademien). Es sind z.B. Historie, Ausstattung, Leben an der Akademie, bekannte und wichtige Personen sowie Abenteuer an der Akademie und Heldenkontakt beschrieben. Die ausführlichen Akademiebeschreibungen liegen zu folgenden Städten vor, die zudem große und bekannte Akademien beherbergen: Arivor, Baburin, Baliho, Elenvina, Eslamsgrund, Gareth, Havena, Hylaios, Mengbilla, Neersand, Prem, Punin, Rommilys, Thorwal, Vinsalt, Winhall und Xorlosch. Dazu werden noch die kleineren Akademien aus Birkholt, Festum, Methumis und Neetha in kürzerer Form vorgestellt. Eher traditionelle und altehrwürdige Akademien wie Arivor oder Gareth werden dabei durch unkonventionelle Akademien wie Hylailos oder Xorlosch unterbrochen. Letztlich steht hinter den Beschreibungen das Ziel, zu erklären, wie Kriegerakademien funktionieren, wie angehende Krieger ausgewählt werden und welche Ausbildung sie durchlaufen und wie die unterschiedlichen Moral- und Wertvorstellungen der Akademien sind und sich somit die Abgänger unterscheiden.

Der zweite größere Teil des Quellenbuchs stellt das Schwertgesellentum und die bisher bekannten Stile und Ausbilder vor, jedoch in geringerem Umfang als bei den Kriegerakademien. Eine Einleitung fasst noch einmal die Geschichte und Entstehung dieser Kämpferausbildung zusammen, ehe dann ähnlich der Akademien auf Auswahl von Zöglingen, Lehrplan, zeitlicher Ablauf und Jahresverlauf, die Prüfung wie auch Duellregeln eingegangen wird. Im Gegensatz zu den Kriegerakademien gibt es weniger Stile, die dafür aber auch viel unterschiedlicher sind. Der Leser findet Informationen zu folgenden Schwertgesellenschulen: Gebrüder Adersin, maraskanische Buskur-Stil, die brillantzwergischen Schwertgesellen, die almadanischen Caballeros, die Vinsalter Vaganten, die aranischen Balayanim, die Balayanim nach Marwan Sahib, die Farisim von Amhallah, ni Uinins „albernisches Raufen“, die Schule der Fechtkunst zu Khunchom und die Schule der hohen tulamischen Kampfkunst zu Rashdul. Während hier die Geschichte oft kürzer ist, wird das Leben an der Schule stärker thematisiert und vor allem der eigentliche Kampfstil genauer vorgestellt, der durch den Gründer geprägt ist. Abgeschlossen wird der Abschnitt zu den Schwertgesellen mit Hinweisen, wie ein Spieler beziehungsweise dessen Charakter eine Schwertmeisterschaft erreichen kann. Auch die damit mögliche Gründung einer eigenen Schwertgesellenschule und deren Kosten werden kurz vorgestellt.

Der Band endet mit einem Regelteil, der aktualisierte Werte zu einigen Akademien liefert. Neben Medienhinweisen für Krieger und Schwertgesellen aus den Bereichen Literatur, Musik und Filmproduktionen enthält der Band auch einen Index.

Bewertung

Es bleibt nicht aus, diesen Band mit den drei Quellenbüchern zu den Magierakademien zu vergleichen, wenn man über die Qualitäten wie auch Schwächen sprechen möchte, was im folgenden an verschiedenen Stellen geschehen soll. Von der Quantität her siedelt sich „Klingentänzer“ mit 184 Seiten in der Mitte der drei Bände an, hat sich also von der Textmenge nicht vorzuwerfen. Für 30 Euro bekommt man einigen Text für sein Geld. Allerdings bleibt auch mehr als fünfzehn Mal eine Seite nur halb gefüllt (was zum Teil natürlich layouttechnischen Situationen geschuldet ist), obwohl oft gerade an diesen Stellen durchaus noch Platz für ausführlichere Szenarioideen oder Persönlichkeiten hätte verwendet werden können. Alternativ wäre auch Platz für Bodenpläne der Akademien gewesen, auf die man leider komplett verzichtet hat, was in Forenaussagen damit begründet wurde, dass im Gegensatz zu den Magierakademien diesen keine Wichtigkeit beigemessen wird und keine Besonderheiten vorhanden sind (was aber der Aussage am Anfang des Bandes widerspricht: „Äußerlich gleicht keine Kriegerakademie der anderen. In jedem Gebäude spiegeln sich regionale wie kulturelle Einflüsse wider.“). Da diese jedoch auch als Abenteuerschauplätze präsentiert werden und an sich auch durchaus Unterschiede bieten, wären Karten eine sehr sinnvolle Veranschaulichung gewesen.

Wenn es auch von der reinen Seitenzahl zum Mithalten reicht, fehlt es inhaltlich jedoch oft an ähnlicher Kreativität und Innovation zu den Magierakademienbänden. Schon der einleitende allgemeine Teil zum Krieger vergrätzt einem durch die allgemeinen Formulierungen das Weiterlesen wie z.B. „Damit der Lehrbetrieb einer Akademie möglichst reibungslos funktioniert, müssen bestimmte Aufgaben erfüllt werden“. Zudem werden hier zu viele allgemeine Aussagen getroffen, während der Kriegerband doch diese extra einzigartiger machen sollte. Am interessantesten gestaltet sich die Beschreibung des Kriegerbriefs, die aber dafür zu kurz geraten ist. Es wird extra betont, dass dieser je nach Akademie höchst unterschiedlich aussieht, aber genau die Möglichkeit, diese Unterschiede an Beispielen zu benennen, lässt man aus. Während der Magierakademien zudem fast durchgehend mit nur sehr wenigen Aussetzern ein sehr individuelles und besonderes Profil hatten, ähneln sich etliche der Kriegerakademien doch sehr, obwohl es von der Anzahl ja wesentlich weniger gibt. Vor allem die mittelreichischen Akademien hinterlassen kaum Eindruck, sodass man bereits kurz nach dem Lesen nicht mehr sagen kann, was beispielsweise Gareth, Eslamsroden oder Elenvina unterscheidet. Nun mag man den Magierakademien zu Gute halten, dass diese durch die verschiedenen Spezialgebiete mehr Unterschiede böten, aber auch die Kriegerakademien haben ja verschiedene Kampftechniken, die sie unterscheiden. Auch hier gibt es historisch unterschiedliche Entwicklungen von „jungen“ und altehrwürdigen Akademien des Reiches. Diese Unterschiede werden aber oft viel zu wenig herausgegriffen und betont. Dabei gibt es auch sehr gute Beispiele, die allerdings von vorneherein etwas ungewöhnlicher aufgrund ihrer örtlichen Lage oder speziellen Situation schon auffallen, dann aber auch noch eine spannende Beschreibung bekommen haben: Die zyklopäische Kriegerschule auf Hylaios, die Schule des Drachenkampfes zu Xorlosch und die schwarzgraue Akademie in Mengbilla, die mehr Söldner als Krieger hervorbringt. So hätte es viel öfter auch bei den anderen Schulen aussehen sollen.

Was das Schwertgesellentum angeht, hat man zumindest im allgemeinen Teil für einen wesentlich lesenswerteren Teil gesorgt: Alles wirkt besser abgestimmt auf die Umsetzung am Spieltisch und greift zum Beispiel auch die Unterschiede zum Kriegertum auf. Auch die Schulen wirken wesentlich individueller und spezieller (unterschiedliche Rüstungen, Waffen, Philosophien der Ausbildung) und gehen jeweils auf bestimmte Aspekte ein wie klassische Duellkämpfer, philosophische Kampfkünstler, zwergische „Minnesänger“ oder meuchlerähnelnde Schwertgesellen. Allerdings stört die starke Häufung tulamisch geprägter Schwertgesellenschulen, wobei man sich im Gegensatz zu den Kriegerakademien des Mittelreichs mehr Mühe gegeben hat, diese unterscheidbar zu machen (was allerdings auch nicht immer gelingt). Der Weg zur Schwertmeisterschaft selbst wirkt doch etwas zu allgemein und vereinfachend: Mindestens 12 Duelle soll man gefochten und gewonnen haben, ehe man von seinem eigenen Schwertmeister die Prüfung abgenommen bekommt und gegebenenfalls im Mittelreich noch die Erlaubnis eines Hochadligen benötigt. Wie genau die Prüfung aussieht und welche Duelle zugelassen werden, werden nur in kurzen Einzelbeispielen mancher Lehrmeister erwähnt. Wenn man dies sowieso schon aufführt, kann man auch genauer darauf eingehen und alle Lehrmeister aufführen. Auch die Gründung einer eigenen Schwertgesellenschule wird zu kurz angerissen und beschränkt sich nahezu auf Kosten und mögliche Dienstleistungen. Hier hätte man beispielsweise auf die Auswahl von Schülern, mögliche Lehrpläne eingehen und die Beschreibung durch Szenariovorschläge oder auch beispielhafte Grundrisse ergänzen können.

Abschließend sollen noch einige allgemeine Eindrücke erwähnt werden. Insgesamt kommen für das Gefühl des Rezensenten über alle Bereiche hinweg relativ viele Rechtschreibfehler vor, auch ein Wappen entspricht nicht den Beschreibungen des Textes, Texte enden zudem mehrfach mitten in der Luft. Das kann natürlich alles bei der Erstellung eines Bandes passieren und wird man nie vermeiden können, aber man hat den Eindruck, dass es hier häufiger vorkam als in anderen Bänden. Enttäuschend sind in beiden Bereichen Akademien und Schwertgesellen die Szenariovorschläge und Geheimnisse, die weder wesentliche Neuerungen oder innovative Ideen bieten, sondern oft sogar etwas hingeschludert wirken, weil nichts Besseres einfiel.

Fazit: Insgesamt hätte man mehr aus dem Band machen können: „Klingentänzer“ bewegt sich leider nicht auf einem Niveau mit den teils herausragenden Bänden zu den Magierakademien. Es fehlen sowohl die liebevolle wie auch individuelle Ausgestaltung der einzelnen Akademien. Auch bei den besseren Schwertgesellenschulen ist manches noch zu beliebig und wiederholt sich. Da auch die Abenteuerideen eher uninspiriert erscheinen, eignet sich der Band weniger für die Allgemeinheit als vielmehr wirklich für Spieler von Kriegern und Schwertgesellen, die für das Spiel dann aber viele Informationen bekommen.


Klingentänzer
Quellenbuch
Martin Schmidt, Alex Spohr, u.a.
Ulisses Spiele 2013
ISBN: 386889263X
184 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 30,00

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