von Pascal Kamp
Wenn man Neil Gaiman („Niemalsland“, „American Gods“) glauben darf, so hat „Mike Carey […] die klassische Constantine-Story geschrieben“. Des Weiteren rät er, „wenn Sie wissen wollen, worum so viel Wirbel gemacht wird, dann lesen sie dieses Buch“. Ganz schön große Worte, die eine ordentliche Erwartungshaltung beim Leser wecken. Schauen wir nach der Zusammenfassung des Inhaltes mal, ob wir Neil Gaimans Urteil bestätigen können!
In London fallen immer mehr Menschen in ein unerklärliches Koma. Die Enkelin von Constantines Freund Chas ist ebenfalls ein Opfer dieser mysteriösen Seuche. Durch seinen Freund wird Constantine auf das Problem aufmerksam, und wo die Weisheit der Ärzte endet, fängt seine gerade erst an. Eine untrügliche Spur führt nach Los Angeles, wo Constantine tatsächlich den Ursprung der Seuche findet. Er trifft auf einen Dämonen, der in L.A. eine neue Filiale der Hölle eröffnen will, und einen aztekischen Totengott, dem das überhaupt nicht in den Kram passt. Also beginnt er, auf seine ganz eigene Art um die Seelen derer zu pokern, die daheim im Koma liegen. Er spielt die Dämonen gegeneinander aus und täuscht sie, um am Ende als Einziger noch zu stehen und seine tausendfach verkaufte Seele noch etwas länger zu behalten.
Der vorliegende Sammelband erschien in Amerika unter dem Titel „All his engines“ pünktlich zum Kinostart von „Constantine“ und richtete sich wohl in erster Linie an die neuen Interessenten. So ist John Constantine seinem filmischen Ich in diesem Band etwas ähnlicher als es die Leser der Reihe gewöhnt sind. Wenn er um fremde Seelen und auch um seine eigene pokert, tut er dies in „Hölle auf Erden“ recht gefahrlos. Stets hat er die Situation unter Kontrolle und er durchsteht jede seiner Intrigen ohne riskante Drahtseilakrobatik.
Der Plot ist sehr geradlinig und wer auf überraschende Wendungen wartet, wird mindestens ebenso sehr enttäuscht wie der, der sich Charakterentwicklung erhofft. Wer darauf steht, wird bei anderen Constantine-Comics sicher beglückt, hier jedoch hangeln wir uns von Station zu Station und schauen John zu, wie er gekonnt sein Intrigennetz in L.A. spinnt. Der Horror soll dabei gänzlich durch optische Effekte erzeugt werden. Psychologischer Horror gehört ganz offensichtlich nicht zu Careys Repertoire.
Hat Mike Carey hier zwar halbwegs ordentliche, aber keinesfalls herausragende Arbeit geleistet, macht die Optik umso mehr Spaß. Leonardo Manco verpasst dem Comic einen düsteren, schmierigen Stil, der durch die Kolorierung perfekt ergänzt wird. Schon die Aufmachung der Panels trägt grandios zur Atmosphäre bei: Manche Panels befinden sich in unsauber gezeichneten Rahmen, einige in Filmstreifen und auf manchen Seiten finden sich schwarze Flecken. Dabei ist die Panel-Aufteilung sehr klassisch und angenehm zu verfolgen. Auch der Detailgrad lässt keine Wünsche offen. Selbst beim immer lässigen John Constantine findet sich eine differenzierte Mimik, die bei ihm ebenso immer treffend zur Situation passt wie bei den anderen Charakteren.
Abrundend findet sich am Ende des Bandes noch ein siebenseitiger, durchaus interessanter Artikel zur Figur des John Constantine und der Comic-Serie. Beleuchtet werden sowohl die Entstehung der Figur, ihre ersten Auftritte in verschiedenen Comic-Serien, als auch die prägendsten Erlebnisse in John Constantines Leben.
Abschließend lässt sich also feststellen, dass die Macher dieses Sammelbandes ihn wohl während des Film-Hypes als Bauernfänger einsetzen wollten. Da macht sich ein ziemlich übertriebenes Zitat von Neil Gaiman ganz gut. Aber zumindest bei der Optik konnte man den Neulesern zeigen, was Hellblazer alles drauf hat.
Fazit: Die „Hölle auf Erden“ ist dieser Band zwar nicht, aber seine Story überzeugt den anspruchsvollen Leser nicht wirklich. Dazu mag auch die sehr hohe Erwartungshaltung beitragen, die geweckt wird. Dafür überzeugt und begeistert die Optik dieses Bandes auf ganzer Linie und macht Lust auf mehr! Wer also mit einer geradlinigen Story klarkommt, wenn die Optik stimmt, der wird an diesem Comic auf jeden Fall seine helle Freude haben!
Hellblazer. Hölle auf Erden
Comic
Mike Carey
Panini Comics 2007
ISBN: 3866073720
128 S., Softcover, deutsch
Preis: EUR 16,95
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