Jenseits der Zeit

Mit „Jenseits der Zeit“ erscheint bereits der zweite Abenteuerband zu „Tales from the Loop“, welches auf den fantastischen Bildern Simon Stalenhags basiert. Konnte „Unsere Freunde, die Maschinen“ bereits vollends überzeugen, geht „Jenseits der Zeit“ ein äußerst komplexes Thema an. Man darf gespannt sein.

von Jens Krohnen

Genau wie bei „Unsere Freunde, die Maschinen“ handelt es sich bei „Jenseits der Zeit“ um eine wahre Ideenfundgrube. Denn neben der titelgebenden Kampagne, die aus drei Mysterien besteht, gibt es wieder einen ganzen Haufen nicht vollständig ausgearbeiteter Abenteuervorschläge und sogar einen eigenen Mysterien-Generator! Sehen wir uns die einzelnen Bestandteile einmal etwas genauer an.

Eröffnet wird der Band mit drei vollwertigen Mysterien, die gemeinsam eine Kampagne rund um das Thema „Zeitreisen“ ergeben. Und jetzt Achtung: Die Wiedergabe der Handlung erfolgt mit Spoilern, liebe Spieler! Die Ereignisse werden dabei durch die Handlungen der Forscherin Kim Johnson ins Rollen gebracht. Johnson arbeitet nämlich bereits seit den 1950ern an einer Zeitmaschine und hinterlässt dafür Maschinen, die als Zeitanker fungieren sollen. Irgendwann in naher Zukunft löst der Einsatz ihrer Maschine jedoch ein Desaster aus. Johnsons Lösung: Sie schickt ihren Geist in die Vergangenheit, um sich selbst daran zu hindern, die Maschine fertigzustellen. Das Problem: Sie landet dabei in unterschiedlichen Körpern und ihr Geist übersteht die Reise auch nicht sonderlich gut.

Im ersten Mysterium, „Die Arche“, verschwinden Haustiere spurlos. Natürlich machen sich die Kinder auf die Suche nach ihren verlorenen Lieblingen und treffen schließlich auf einen Mann, der verrückte Zeitexperimente mit den Tieren anstellt. Natürlich handelt es sich dabei um einen von Johnsons Geist Besessenen. Johnson wiederum erkennt nun, dass die Kinder ihr eine Hilfe sein können und übergibt ihnen ein Steuerelement der Zeitmaschine. Im zweiten Mysterium, „Sommercamp“, werden die Kinder selber Opfer der Experimente Johnsons. Denn kaum geht endlich das lang erwartete Sommercamp los, werden ihre Geister in die Körper von Kindern in den 1960ern transferiert. Hier experimentiert gerade Lagerleiterin Johnson mit der Möglichkeit, den menschlichen Verstand durch die Zeit zu schicken. Aber auch in den 1950ern treffen die Kinder auf einen seltsamen Mann, der Johnsons Ziele sabotiert und ihnen zurück in die Zukunft hilft. Apropos Zukunft – diese bewegt sich rasant auf den verhängnisvollen Einsatz von Johnsons Zeitmaschine zu. Im dritten Mysterium, „Der Sturm im Stundenglas“, gilt es nun also für die Kinder alle Puzzlestücke zusammenzusetzen. Als plötzlich Zeitblasen an allen möglichen Orten auftauchen, haben die Kinder Gelegenheit, einige von diesen zu studieren und so weitere Zusammenhänge – wiedererkannte Zeitanker, Hinweise von Johnson – zu erkennen. Wird es ihnen gelingen, den Einsatz der Maschine zu verhindern?

Nach dieser langen und vielleicht folgenschweren Kampagne gibt es nun einige Kapitel, die kurze Szenarienideen enthalten. Dabei werden – noch mehr als in der Kampagne, die ebenfalls für beide Systeme funktioniert – explizit Themen aufgegriffen, die sich auch für die „Teenager“ im Nachfolgerollenspiel „Things from the Flood“ eignen. Vorgestellt wird eine neue Mysterienlandschaft voller Geheimnisse und eine „Mix-CD der 90er“, wo – wie auch schon beim „Mix-Tape aus den 80ern“ in „Unsere Freunde die Maschinen“ – wieder ein ganzer Haufen Szenarien vorgestellt wird, die sich an bekannten Songtiteln orientieren. Ergänzt wird das Ganze durch „Die Mysterien-Maschine“, ein Haufen Zufallstabellen, mit deren Hilfe weitere, eigene Mysterien erstellt werden können sollten. Hier liegt wirklich ein kleiner Schatz vor, denn die Tabellen sind umfangreich und treffen den Ton der anderen „Loop“-Szenarien gut.

Wie auch schon das Grundregelwerk ist der Abenteuerband liebevoll und umfänglich aufbereitet. Die Qualität der Texte ist hoch, durch einfache Hinweisketten, Übersichtsgrafiken und eine klare Struktur findet man sich als Spielleiter schnell zurecht. Das kann allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass Zeitreise-Abenteuer ein hoch komplexes Thema sein können. Auch „Jenseits der Zeit“ enthält einige Fallstricke, die ein Spielleiter umgehen können muss, damit die Kampagne wie geplant funktioniert. Und noch mehr als in anderen Szenarien ist es natürlich absolut vonnöten, dass die Spieler einerseits gewisse Meilensteine erreichen, andererseits aber viele Dinge eben nicht tun, um den Lauf der Zeit nicht zu verändern. Wer daran Spaß hat, der erhält hier eine nette Kampagne mit einigen „Aha“-Momenten im Finale. Wer seinen Spielern lieber mehr Freiheiten gönnt, der greift besser zu anderen Szenarien.

Die Illustrationen, eines der Markenzeichen des „Loop“-Universums, sind wieder absolut großartig gelungen. Die Bilder stammen wiederum nicht alle von Stalenhag persönlich, fügen sich jedoch zu einem harmonischen Gesamtbild zusammen und überzeugen vollends. Das Layout wurde vom Grundregelwerk übernommen und ist mit seinen klar abgesetzten Textkästen, den schlichten aber gut lesbaren Karten und den gelungen Übersichtsskizzen gut gelungen. Technisch ist damit alles einwandfrei.

Fazit: Eine eher durchwachsene Zeitreisenkampagne und ein ganzer Haufen neuer Szenarienvorschläge, das Ganze in optisch absolut einwandfreier Präsentation. „Jenseits der Zeit“ kann nicht so vollends überzeugen wie „Unsere Freunde die Maschinen“. Dennoch ist die Ideendichte auch hier hoch, und wer über das Grundregelwerk und den anderen Band hinaus unbedingt noch mehr Mysterien sucht, findet auch hier wieder viele Anregungen.

Jenseits der Zeit
Abenteuerband
Rickard Antroia, Nils Hintze, Thomas Michalski u. a.
Ulisses Spiele 2020
124 S., Hardcover, deutsch
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