Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels

Indy ist zurück! 19 Jahre mussten die Fans weltweit warten. Das glorreiche Triumvirat aus George Lucas, Steven Spielberg und Harrison Ford hat sich endlich zum lang ersehnten vierten Kapitel der grandiosen „Indiana Jones“-Saga zusammengefunden und den verwegensten Archäologen aller Zeiten in ein weiteres brandgefährliches Abenteuer verwickelt. Passend zum Kinostart erscheint der offizielle Comic zum Film in deutscher Übersetzung bei Panini Comics.

von Simon Ofenloch

 

Raus aus dem Hörsaal und auf zur nächsten Jagd nach einem verlorenen Schatz. Dieses Mal geht es um ein mysteriöses Artefakt, das nicht von dieser Welt zu stammen scheint: einen Kristallschädel. Wir befinden uns in den späten 1950er Jahren, und Indiana Jones wird ein paar heiße Tage erleben, in den Zeiten des Kalten Krieges.

Die Russen haben die Nazis als Pulp-Bösewichte ersetzt. Unter dem Kommando der charismatischen und originell gestalteten Wissenschaftlerin für Parapsychologie Oberst Doktor Irina Spalko macht eine Gruppe kommunistischer Soldaten dem Helden das Leben schwer. Die Handlung zelebriert ein Rendezvous der Mythen und verknüpft die Spekulationen um die seltsamen Kristallschädel mit der Legende der Konquistadoren über eine goldene Stadt, El Dorado. Nebenbei werden noch die Nazca-Linien gestreift, die Geschichte des Ugha-Stammes abgehandelt, und auch die berühmt-berüchtigte Area 51 findet kurz Erwähnung. Am Ende fügt sich alles zu einer Story, an der Erich von Däniken seine helle Freude haben dürfte. Und auch der alteingesessene Indy-Fan sollte versöhnlich gestimmt sein. Nach altem Rezept findet sich alles wieder, was die „Indiana Jones“-Reihe so liebenswert macht: Nervenkitzel, Humor, Action, Hut und Peitsche, und sogar Schlangen – o.k., zumindest eine.

George Lucas und Steven Spielberg haben vieles richtig gemacht. Sie haben Harrison Ford erneut die Rolle seines Lebens – sorry, Han! – auf den willigen und fähigen Leib schreiben lassen. Und sie haben weitere Kinogrößen mit ins Boot geholt, die den Qualitätsanspruch der Produktion noch bereichern. Cate Blanchett ist erwartungsgemäß genial als Erzrivalin. Und der langsam aber sicher etablierte Newcomer Shia LaBoeuf stellt sich gar nicht so blöd an wie man befürchtet hat. Mit John Hurt und Jim Broadbent sind zwei weitere „große“ Darsteller im Spiel, deren Kapazitäten allerdings leider etwas verschenkt wurden. Ein Clou ist der Wiederauftritt von Karen Allen. Und selbst Sean Connery ist wieder mit von der Partie, wenn auch nur auf einem Foto auf Indys Schreibtisch.

Im Grunde konnten George Lucas und Steven Spielberg auf gar nicht viel falsch machen. Denn sie bedienten sich im Großen und Ganzen altbewährter Schemata. Viele Szenen des Films erinnern an frühe Abenteuer des Teilzeit-Professors. Den Tempel mit den Indianern kennt man aus „Jäger des verlorenen Schatzes“, die Hypnose von Indy durch den Kristallschädel erinnert an das Blackout des Helden in „Indiana Jones und der Tempel des Todes“, die Verfolgungsjagd im Dschungel gleicht irgendwie derjenigen mit den Panzern in „Indiana Jones und der letzte Kreuzzug“. Und das Ende im Dschungeltempel ist im Ablauf dem Ende des dritten Filmabenteuers im Wüstentempel sehr ähnlich, wobei man sich natürlich auch an den Ausbruch der Bundeslade erinnert fühlt.

Insbesondere im Abgleich mit „Jäger des verlorenen Schatzes“ und „Indiana Jones und der letzte Kreuzzug“ lassen sich viele Gemeinsamkeiten im Aufbau und in der Struktur der Story finden. So ist zum Beispiel die Szene in Oxleys Zelle in Nazca im Storykonstrukt der Szene in dem als „Quelle der Seelen“ bezeichneten Raum im ersten Film und der in der Bibliothek in Venedig im dritten Film sehr ähnlich. Es heißt, Indiana Jones sei auch entstanden, weil Steven Spielberg keinen „James Bond“-Film drehen durfte. Im formelhaften Aufbau der Geschichten stehen die Abenteuer des Archäologen denen des Superagenten in nichts nach.

Eine andere Verwandtschaft ist neu: Die Auflösung der Handlung erinnert an das Ende des ersten „Akte X“-Kinofilms. „Indiana Jones“ Meets „The X-Files“. Warum eigentlich nicht? Bezüge zwischen mystischer Archäologie und Science Fiction haben eine lange Tradition.

Genial am neuesten Abenteuer des unkonventionellen Professors ist der Einstieg bis zum „strahlenden“ Höhepunkt. Und unterhaltsam ist das Spiel mit dem neuen, zeitlichen Setting überhaupt, das in diesen Szenen seinen Anfang nimmt und weiterhin präsent bleibt, vor allem auch in der Inszenierung von Shia LaBoeuf als Marlon-Brando-Verschnitt.

Die Comic-Adaption folgt der Story des Films erwartungsgemäß treu und lässt nur wenige Kleinigkeiten aus, ohne die es auch geht. Schon der Anfang ist reduzierter dargestellt, was man allerdings verschmerzen kann. Alles Wesentliche ist da. Einige Gags aus dem Film, wie beispielsweise die eingelagerte Bundeslade, fehlen. Alles in allem ist der Film als Bildergeschichte ansprechend und rasant umgesetzt worden. Der Zeichenstil verfolgt einen naturalistisch-realistischen Ansatz, allerdings sind die Ähnlichkeiten mit den realen Darstellern aus dem Film eher oberflächlich realisiert. Oberst Doktor Irina Spalko sieht in nicht einer Zeichnung aus wie Cate Blanchett. Dafür entschädigt eine zweiseitige Cover Gallery im Anhang, auf deren Bildern die bekannten Gesichter besser getroffen sind.

Fazit: Prinzipiell gilt: Besser den Film sehen als einen zugehörigen Comic lesen. Für echte Fans gibt es aber natürlich kein Umhin: Wir brauchen den Comic genau so wie den Roman, den Bildband, das vermeintliche Tagebuch, das Lego-Computerspiel, die Lego-Figuren, die Tasse, den Hut, die Peitsche, die Lederjacke… und was den hassgeliebten Merchandisern noch so alles einfallen mag.


Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels
Comic zum Film
George Lucas, David Koepp, John Jackson Miller, Luke Ross, Fabio Laguna u. a.
Panini Comics 2008
ISBN: 978-3-86607-573-3
100 S., Softcover, deutsch
Preis: EUR 12,95

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