Im Schatten des Mondkaisers

Der zweite Band von Bernd Perplies’ „Carya“-Trilogie führt die Protagonistin und ihre Freunde von der unwirtlichen postapokalyptischen Einöde an den Hof des mysteriösen Mondkaisers. Schnell ist klar: Das Leben bei Hofe ist mindestens genauso gefährlich wie die Wildnis. Doch nur hier scheint Carya Antworten auf ihre Fragen finden zu können.

von Andreas Loos

Kleine Spoilerwarnung am Anfang: Die Rezension nimmt teilweise konkret Bezug auf den Inhalt des Romans und den vorangegangen ersten Teil. Wer sich also die Lust am Lesen nicht verderben möchte, sollte jetzt besser nicht weiterlesen.

Mit dem Band „Im Schatten des Mondkaisers“ geht Bernd Perplies’ „Carya“-Trilogie in die zweite Runde. Die junge Protagonistin Carya und ihre Freunde, der Ex-Templer Jonan und der Straßenjunge Pitlit, machen sich auf, das Geheimnis um die rätselhafte Herkunft der jungen Frau zu lüften. Eine Spur, die bereits in „Flammen über Arcadion“ gelegt wurde, weist auf einen Ort in der Nähe von Paris hin.

Die Freunde organisieren mit einer gehörigen Portion Glück ihre nicht ungefährliche Reise. Das postapokalyptische Europa bietet dabei genug Gelegenheiten für ein kleines „Roadmovie“. Die Reise selbst verläuft dabei für meinen Geschmack zu linear ab. Einige Situation, die zu Schwierigkeiten hätten führen können, werden nur kurz angeschnitten und sehr rasch finden sich hilfsbereite Schurken mit einem Herz aus Gold, die mehr oder minder selbstlos bei der Reise behilflich sind. Für meinen Geschmack lief es einfach zu glatt. Die „postapokalyptische Wildnis“ wirkt auf mich recht organisiert. Ich habe mir da wohl einfach eine andere Vorstellung gemacht.

Im Reich des Mondkaisers, einem Warlord, der die Macht in dem Gebiet an sich gerissen hat, das einmal Frankreich war, werden die Protagonisten getrennt, und Carya wird von einem mysteriösen Gönner an den Hof des Mondkaisers gebracht. Hier, so hofft sie, kann sie mehr über ihre Herkunft erfahren. Schnell muss Carya aber feststellen, dass das Leben bei Hofe seinen eigenen Gesetzmäßigkeiten folgt, und das hier ein Fehler ebenso tödlich sein kann, wie in der verseuchten Öde außerhalb der Siedlungen. Dabei wirkt der Roman ein wenig wie eine Reisebeschreibung. Bernd Perplies schildert etliche Orte des zu weiten Teilen zerstörten Paris sehr plastisch, so als ob er sie zu Recherchezwecken besucht und dann in einem ruinierten Zustand dem Leser beschreibt. In jedem Fall gibt es nur noch wenige große Sehenswürdigkeiten in der Stadt an der Seine. Aber die heute wohl bekanntesten Wahrzeichen findet man wieder. So darf zum Beispiel der Eiffelturm als Schauplatz nicht fehlen.

Für den Hof des Mondkaisers hat der Autor ein sehr reales Beispiel zum Vorbild erkoren. Das „Schloss des Mondes“ ist dasselbe, welches Ludwig XIV im 17. Jahrhundert für seine repräsentative Hofhaltung errichten ließ. Der Mondkaiser pflegt dabei einen ähnlich opulenten Lebensstil wie der Sonnenkönig. Da bereits der Orden des Lux Dei in Arcadion ein Sonnensymbol verwendet, wäre wohl eine weitere Referenz mit der Sonne fehl am Platze gewesen. Aber auch ansonsten ist der Mondkaiser und sein Hof recht passen gewählt. Die Hofhaltung ist ein dunkles Spiegelbild Versailler Glanzzeiten. Bei aller Verschwendung, die hier zur Tagesordnung gehört, können die Zeichen des Verfalls nicht übertüncht werden. Der hier präsentierte Jahrmarkt der Eitelkeiten ist nur ein müder Abklatsch des Originals. Insofern ist die Analogie mit dem Mond sehr passend. Der neue Herr in Frankreich will als Kaiser mehr sein als der Sonnenkönig, aber er stellt nur ein schwaches, verzerrtes Abbild des Originals dar.

Nur wenige Kilometer entfernt stellen Jonan und Pitlit unterdessen fest, dass Paris nur noch bedingt eine Reise wert ist und die Macht des Mondkaisers hier schon nicht mehr viel gilt. Die beiden versuchen dort eine Möglichkeit zu finden, zu Carya an den Hof zu gelangen. Dazu müssen die beiden ein paar Aufträge und Gefälligkeiten erledigen, um ans Ziel zu gelangen. Carya macht sich unterdessen einige wichtige Leute zum Feind und auch ihr rätselhafter Gönner, der scheinbar mehr über ihre Herkunft weiß, als er zugibt, gibt ihr nur neue Rätsel auf.   

Die Figur der Carya ist noch immer sehr widersprüchlich angelegt. Immer wieder bricht bei Gefahrensituationen in ihr ein kalter Killerinstinkt hervor, der sie ohne Weiteres reuelos Morde begehen lässt. Auf der anderen Seite findet sich die Tochter eines kleinen Bürgers Arcadions ohne große Schwierigkeiten bei Hofe zurecht. Die noch junge Liebe zu Jonan wird zudem auch noch auf eine sehr harte Probe gestellt.

Der Roman lässt hier keinen Aspekt aus und ist gut durchdacht. Wirklich überraschen konnte mich allerdings nur wenig. Die Handlung und auch die Wahrheit hinter Caryas rätselhafter Herkunft sind meiner Meinung nach vorhersehbar präsentiert. Dennoch bleiben noch genug Fragen offen, die Raum für den dritten Band bieten.  Die Aufmachung des Buches mit festem Einband mit Schutzumschlag und Lesebändchen macht sich gut im Bücherregal. Obwohl das Buch mehr Seiten als der erste Band hat, ist hier das Papier dünner. Das Titelbild des Buches hat mir ebenfalls gut gefallen. Im Einband bekommt man noch einen kurzen Blick auf das zerstörte Paris geboten.

Fazit: „Im Schatten des Mondkaisers“ wechselt den Schauplatz gegenüber dem ersten Band. Statt eines religiös motivierten Überwachungsstaates dient nun die Imitation einer absolutistischen und dekadenten Monarchie als Hintergrund. Die Geschichte, die sich hier entspinnt, pendelt zwischen trügerischem höfischem Glanz und tödlichen Intrigen und der harten Realität der zerstörten Einöde, die nur wenige Kilometer auseinander liegen. Die Geschichte verläuft relativ gradlinig und ist eine gelungene Fortsetzung des ersten Bandes.


Im Schatten des Mondkaisers
Science-Fiction-Roman
Bernd Perplies
Egmont-Lyx 2013
ISBN: 978-3802586385
544 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 19,99

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