Ich will dich nicht töten

Mit unzähligen Messerstichen und Fahnenstangen im Rücken werden mehrere Leichen nach Aufmerksamkeit heischend in Clayton drapiert. Der als „Handlanger“ bekannte Serienmörder scheint im Revier von John Cleaver Einzug gehalten zu haben. Eigentlich das, was dieser wollte, aber ist die Dämonin „Niemand“ wirklich der Handlanger? Nicht alles scheint zum Profil zu passen, dennoch stellt er ihr eine Falle …

von Lars Jeske

 

Das vorliegende Werk ist das Finale der Trilogie um John „Ich bin kein Serienkiller“ Cleaver aus der Feder von Dan Wells. Der Buchschnitt ist wie immer ausgefranst und der deutsche Titel gewohnt reißerisch: „Ich will dich nicht töten“ (Original: „Full of Holes“). Ansonsten ist vieles neu und anders als erwartet. Dazu passt die Weiterentwicklung des Covers. Damals mit einem blassblau-grünen Design angefangen, kommt der letzte Akt in rot daher – rot wie Blut, und davon gibt es dieses Mal jede Menge.

John Cleaver hatte als Cliffhanger des zweiten Bandes („Mr. Monster“) zur Dämonenjagd geblasen und sich selbst als Dämonenjäger auserkoren. Wenn er schon denkt, töten zu müssen, dann soll es bitteschön auch keine Unschuldigen treffen; zumal es ihm perfiden Spaß macht, sich mit Serienkillern auseinanderzusetzen, erst Recht wenn diese übermenschliche Eigenschaften haben. Soweit zur Vorgeschichte, die nach dem sich stark wiederholenden Mittelwerk überraschenderweise fast komplett ausgespart wird. Der Leser sollte mit den bisherigen Geschehnisse somit schon vertraut sein.

Zur Story: Als finalen Gegner hatte John relativ zufällig eine Frau ausgewählt, die er als potenzielle Dämonin unschädlich machen will. Nunmehr ist er jedoch erstmalig im Nachteil, da er nichts über seinen Gegner weiß. Selbst namentlich ist sie für ihn ein Niemand. Dennoch muss er nicht lange warten, denn im mittlerweile gar nicht mehr so beschaulichen Städtchen Clayton stapeln sich alsbald wieder die Leichen – neben den normal anfallenden Selbstmorden versteht sich.

Zusammen mit seiner neuen Freundin Marci entwickelt John ein Täterprofil, welches er mit jedem weiteren Todesfall weiter verbessern kann. Somit kann er für den als „Handlanger“ bekannten Serienkiller tatsächlich einen Köder auslegen. Spät erkennt er, dass er ein wichtiges Detail übersehen hatte. Zu spät?

Erneut überrascht Dan Wells mit einer unerwarteten Schreibe. Bemerkenswert ist dabei, dass sich sein Protagonist nunmehr relativ gut unter Kontrolle hat. Dies ist verwunderlich, da es in „Mr. Monster“ hauptsächlich darum ging, dass es ihm nicht mehr gelingt normal zu sein. Wodurch das jetzt so viel besser geht, sogar wenn er seine selbst auferlegten Regeln nicht einhält, bleibt nebulös.

Generell gibt es nur sehr wenige inhaltliche Wiederholungen, keine großen psychologischen oder ethischen Erörterungen und lediglich ein paar wenige neue Personen am Rande der Geschichte. Gedanken, wie man ein Täterprofil entwickeln kann, stehen im Vordergrund, ebenso wie die Sichtweise mehrerer Personen dieses beeinflusst. Der aufdringliche Generalverdacht ist dabei eine neue Art von beklemmender Weltsicht. Warum auch immer tauscht John vor allem mit Marci Gedanken aus, ohne genau zu wissen, wie viel er ihr preisgeben sollte. Zumal sie ihm aus ihm unerfindlichen Gründen zugetan ist, womit John als emotionskalter und empathieloser Soziopath geringfügig überfordert ist.

Weiterhin erfolgen alle Schilderungen wie gewohnt aus der Ich-Perspektive, wodurch der rote Faden durch die Trilogie gewährleistet ist. Dadurch, dass es jetzt so wenige psychologische Erörterungen und eine geringe Anzahl von Wiederholungen aus den ersten beiden Romanen gibt, wirkt der Stil auf den Leser jedoch anders. Wer weiß, ob man mehr als irritiert wäre, wenn ein anderer Autor auf dem Cover vermerkt wäre.

Man kann sich jetzt wieder etwas besser in John Cleaver hineinversetzen, jedoch verliert das Roman deutlich an Intensität, falls dem Leser das Vorwissen fehlt. Vor allem die Bedeutung von Feuer, ergiebig in Band zwei ausgeführt, fällt thematisch ab. Dieser persönlichen Wichtigkeit des Protagonisten hätten ein paar Worte mehr durchaus gut getan, ohne den Spannungsbogen zu brechen. Bis zum Ende der ca. 380 Seiten ist der Plot jedoch spannend und mit unerwarteten Wendungen versehen, wodurch nicht alles komplett vorhersagbar ist und man als Leser gefesselt bleibt. Bis hin zur Frage, warum ein so unpassender Buchtitel gewählt wurde.

Der erste Teil war ungewohnt, frisch und psychologisch angehaucht. Im zweiten Teil überzeugten die emotionalen Erörterungen hinsichtlich John Cleavers, während im dritten Band die Story der Pluspunkt ist. Durch den veränderten Fokus hat sich auch der Schreibstil geändert, ob verbessert muss jeder Leser individuell einschätzen.

Fazit: „Ich will dich nicht töten“ ist ein gemächlich anfangender „Thriller“, der mit zunehmenden Leichen Fahrt aufnimmt. Dieses Mal wird wenig von der Vorgeschichte erzählt, und es gibt kaum Wiederholungen. Dadurch ist das Finale für Neuleser nicht ganz so packend. Allen anderen spendiert Dan Wells ein würdiges Finale seiner Reihe rund um John Cleaver, welches mit einigen Überraschungen aufwarten kann und somit gegenüber dem zweiten Band eine spürbare Steigerung ist.


Ich will dich nicht töten
Mystery/Horror-Roman
Dan Wells
Piper 2010
ISBN: 978-3-492-26781-6
445 S., Paperback, deutsch
Preis: EUR 12,95

bei amazon.de bestellen