I am Zombie Play Kit

Nachdem bereits vor Monaten das langerwartete neue Rollenspiel von „World of Darkness“-Schöpfer Mark Rein*Hagen digital veröffentlicht wurde, liegen nun auch Printversionen von „I am Zombie“ vor. Zeit, sich das neue Regelwerk vom Urgestein des Storytelling einmal näher anzuschauen.

von André Frenzer

 

Über die Geschichte dieses neuen Rollenspiels haben wir bereits in unserer ersten Systemvorstellung berichtet. Im Sommer 2013 startete Rein*Hagen via Kickstarter die Finanzierung für sein neuestes Rollenspiel. Nachdem der Kickstarter – wenn auch mit Anlaufschwierigkeiten – erwartungsgemäß erfolgreich war, begann allerdings eine Geduldsprobe für die Fans und Finanzierer. So dauerte es immerhin zwei Jahre, in denen die Regeln nicht nur auf Herz und Nieren geprüft, sondern auch stark verändert wurden, bis nun endlich das fertige Produkt vorliegt. Neben dem heute zu besprechenden „Play Kit“ erscheint zeitgleich das „Toxic Field Manual“, eine Art Settingband für „I am Zombie“.

Inhalt

Nach dem Öffnen der etwa schuhkartongroßen und äußerst schick aufgemachten Pappbox, die das „Play Kit“ beinhaltet, fällt zunächst die Materialfülle ins Auge. In der Box finden sich ein schlankes, vollfarbiges Regelwerk (dazu gleich mehr), ein Haufen Pappmarker, zwei hochwertige Kartendecks, ein Haufen Spezialwürfel sowie eine kleine, mit silbernen Symbolen geschmückte Kladde. Das ist tatsächlich recht üppig, allerdings ist die Box für den Inhalt ein wenig überdimensioniert, was dazu führt, dass eine Menge Luft übrig bleibt.

Das „Axiom“-Regelwerk

Das „Axiom“-Regelwerk besteht aus insgesamt 27 Gesetzen, die das Spiel regeln sollen und wird auf gerade einmal 32 Seiten präsentiert. Die Charaktererschaffung lässt sich mit dem einfachen Satz „Just pick 5 Cards“ – also „Wähle fünf Karten“ – zusammenfassen. Auf diesen Karten sind Archetypen abgebildet, welche die Hintergrundgeschichte und die Charaktereigenschaften des jeweiligen Charakters abbilden. Über ein einfaches System, das regelt, welche Karten gerade verwendet werden können und welche nicht, hat jeder Charakter so regelmäßig Zugriff auf seine erlernten Fähigkeiten. Ansonsten setzt sich ein Charakter aus fünf Attributen – wie Mentale Stärke oder Soziales – und jeweils zugehörigen Fertigkeiten zusammen.

Das Würfelsystem ist ein einfaches Poolsystem. Je nach Fähigkeiten dürfen drei oder mehr sechsseitige Würfel geworfen werden, die gemeinsam einen vom Spielleiter definierten Schwierigkeitsgrad erreichen müssen. Eventuell mitgeführte Gegenstände können eventuell weitere Boni gewähren. Fünfen oder Sechsen repräsentieren jedoch Vor- und Nachteile, sodass der Spieler bei diesen Ergebnissen zusätzliche Chips erhält, die er einsetzen kann – oder die eben gegen ihn eingesetzt werden können. Das „Axiom“-Regelwerk enthält darüber hinaus simple Kampfregeln sowie ein einfaches Magiesystem, wobei beide angenehmerweise auf den gleichen Prinzipien beruhen.

Leider ist das „Axiom“-Regelwerk – trotz der wenigen Seiten – alles andere als angenehm durchzuarbeiten. Ständig werden Querverweise auf spätere „Gesetze“ gegeben, neue Spielbegriffe werden eingeführt aber nicht erklärt und ständig wünscht man sich, dem Regelwerk wären noch zwei weitere Seiten mit einem Index spendiert worden. Darüber hinaus ist das „Axiom“-Regelwerk betont handwedelig. Es gibt sehr viele Situationen, die „im Sinne einer guten Story“ abgehandelt werden sollen – von dem seltsamen Mechanismus zum Festlegen der Initiative ganz zu schweigen … Das ganze Regelwerk versucht bewusst, „narrativ“ zu sein – um sich dann an unnötigen Stellen doch wieder in einem regellastigen Klein-Klein zu verlieren oder gar oldschoolige Dinge wie Stufenanstiege anzubieten.

Weiteres Material

Das weitere, in der Box vorliegende Material hat durchaus den Begriff „wertig“ verdient. Einem Zwischenstand zum Kickstarter war einmal zu entnehmen, dass es dem Designer Rein*Hagen wichtig war, sein Konzept mit den Spielkarten auch visuell am Spieltisch umzusetzen – seine Testspieler hatten wenig Lust, mit Kritzeleien und Notizzetteln zu spielen, aber die Karten führten zu einer ganz anderen Annahme des Regelsystems und einer anderen „Haptik“. Da liegt es nahe, dass das Material auch besonders hochwertig gestaltet wurde.

Die Karten, die allesamt Charaktere und ihre Eigenschaften und Sonderregeln darstellen, sind dabei mit splatterlastigen Horror- und Zombie-Motiven gefüllt, die von Designer Mark Kelly äußerst drastisch in Szene gesetzt worden. Das angepeilte Spielgefühl wird damit definitiv grandios vermittelt, mir persönlich ist der Stil aber zu dreckig und brutal. Doch das möchte ich einmal in die Kategorie der Geschmacksfrage einordnen und hier nicht weiter kommentieren.

Besonders gelungen ist die kleine, beiliegende Kladde. Sie stellt eine Art „Gruppennotizbuch“ dar, in der die den Charakteren zur Verfügung stehenden Spielkarten ebenso notiert werden wie wichtige Feinde und Kontakte, Orte, Notizen und alles weitere, was eine „I am Zombie“-Kampagne spannend gemacht hat. Darüber hinaus enthält es den – im „Axiom“-Regelwerk schmerzlich vermissten – Index und einige Hintergrundinformationen über das Setting zu „I am Zombie“. Es ist nonchalant geschrieben und weiß in Design und Ausführung zu gefallen.

Was dem „Play Kit“ – bis auf die Informationsschnipsel im Gruppennotizbuch – leider völlig fehlt, sind Hintergrundinformationen über das angedachte Setting. Hierfür wird dann noch der „Toxic Field Guide“ benötigt.

Fazit:
Eine abschließende Beurteilung fällt nicht leicht. Auf der einen Seite steht ein unausgegoren wirkendes Regelwerk, das schlecht strukturiert ist und eine grobe Melange aus bewährten Mechanismen und völliger Handwedelei enthält. Darüber hinaus führt das fast völlige Fehlen von Hintergrundmaterial zu einem weiteren Abzug in der Bewertungsnote. Hübsch aufgemacht ist das Material allerdings und auch von gehobener Qualität. Wer sich mit dem Setting von „I am Zombie“ bereits auf anderem Wege anfreunden konnte und dem zugehörigen Regelwerk eine Chance geben möchte, sollte hier aber zugreifen: Gerade die vollfarbigen Marker und Karten sorgen für eine haptische Aufwertung der Spielmechanismen. Eine uneingeschränkte Kaufempfehlung gibt es damit aber nicht.


I am Zombie Play Kit
Grundregelwerk
Mark Rein*Hagen
Make Believe Games 2015
ISBN: 978-1943278565
32+ S., Box, englisch
Preis: EUR 30,00

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