Horror im Orient-Express 4 - Über den Balkan nach Konstantinopel

Mit knapp 200 Seiten ist der vierte und abschließende Band der „Horror im Orient-Express“-Kampagne recht umfangreich geraten. Vorab lässt sich schon sagen, dass die abenteuerliche Reise über den Balkan nach Konstantinopel und dann den ganzen Weg zurück nach London gelungen ist.

von Markus Kolbeck

 

Der Pegasus-Verlag hat das für die „Horror im Orient-Express“-Kampagne typische Layout konsequent beibehalten. Es wurde Hochglanzpapier und Uhrzeiten statt Seitenzahlen wie zuvor verwendet, was dem Band eine ganz eigene Luxuszug-Atmosphäre verleiht. Zudem gibt es zeitgenössische Fotos zu bewundern, was das Flair noch erhöht.

Der Band ist in drei Teile unterteilt. Im ersten Teil finden sich die fünf Szenarien. Erstes davon heißt „Das merkwürdig abgelegene Haus im Wald“. Hierbei geraten die Charaktere in Jugoslawien auf der Suche nach einem Arm des Sedefkar-Simulakrums in den Machtbereich einer Art gefährlicher Naturgottheit: Baba Jaga. Die örtliche Bevölkerung gibt ihnen ein mächtiges Hilfsmittel mit, sodass sie nicht chancenlos dastehen.

Sollten die Abenteurer dieses Szenario überstehen, geht es weiter mit „Enteignung“ in Bulgarien. In Sofia nämlich taucht der Kopf der Statue auf – mysteriöserweise, aber nicht gänzlich ungewöhnlich, da der Gegenstand magisch ist – und magische Gegenstände haben manchmal ein gewisses Eigenleben. Fenalik, der Vampir, nimmt den Kopf auf grausame Weise an sich und beschließt, die Charaktere im Orient-Express anzugreifen, um an den Rest des Simulakrums zu kommen. Der Vampir ist wohl der stärkste Einzelgegner für die Charaktere in dieser Kampagne, sodass – sollten sie ihn überwinden – sie ein gutes Stück weiter sind, aber noch nicht am Ende.

Weiter geht es mit „Die auf der faulen Haut liegen“, als die Charaktere in Konstantinopel eintreffen. Es gilt nun vermeintlich, das Ritual zur Zerstörung der Statue und den Ritualort ausfindig zu machen, doch in Wirklichkeit plant Mehmet Makryat die Übernahme der Bruderschaft der Haut mit Hilfe des Simulakrums, mit dessen Zusammensuchen ihm die Ermittler unwissentlich behilflich waren. Hier wird die Statue wohl an Mehmet verloren gehen.

In „Blauer Zug in schwarzer Nacht“ geht es in atemberaubender Fahrt im Orient-Express zurück von Konstantinopel nach London. Die Abenteurer müssen versuchen, auf der Reise Mehmet Makryat ausfindig zu machen, der seinerseits nicht untätig bleiben wird. Die Mitfahrenden werden hier etwas ausführlicher vorgestellt und ein spannendes Katz-und-Maus-Spiel beginnt. Das noch nicht genug, setzen jetzt auch die Verfallserscheinungen bei den Ermittlern ein, da ihnen das Simulakrum verlustig gegangen ist, sodass sich der Zeitdruck noch erhöht.

In London wird in „Der Nebel lichtet sich“ die Kampagne ihrer Auflösung entgegen gehen. Hier hat Mehmet Makryat – sollte er umgekommen sein – eventuell seine Wiederkehr und hier kann auch das unheilvolle Simulakrum überraschenderweise seiner Vernichtung zugeführt werden. Nur wenn Mehmet endgültig unschädlich gemacht wird, kann eine Gefahr für eine Persönlichkeit der britischen Königsfamilie abgewendet werden.

Im zweiten Teil des Bandes befinden sich die umfangreichen Regionalbeschreibungen des bereisten Balkan und der Türkei, namentlich von Jugoslawien mit Schwerpunkt auf Belgrad und von Bulgarien mit Schwerpunkt auf Sofia. Es werden etwa Geschichte und Bevölkerung beschrieben, außerdem gibt es Karten. Zusätzlich wird die Türkei mit Schwerpunkt auf Konstantinopel vorgestellt. Es finden Geographie, Geschichte, Politik in den 1920ern, Land und Leute, Film- und Literaturgeschichte, Persönlichkeiten der 1920er und mehr Erwähnung.

Im dritten Teil des Bandes gibt es umfangreiche Spieldaten für die NSCs und weniger umfangreiche Handouts.

Fazit: „Cthulhu“ ist prädestiniert für das Kampagnenspiel – will sagen, dann macht es wohl am meisten Spaß. Mit der „Horror im Orient-Express“-Kampagne wird diese Art des Spiels gut bedient. Im vierten Band findet die Kampagnenhandlung ihren fulminanten Abschluss und lose Enden werden aufgelöst. Die Kampagne liegt in der Komplexität zwischen „In Nyarlathoteps Schatten“ (komplex) und „Auf den Inseln“ (weniger komplex), in der Charaktersterblichkeit jedoch an der Spitze der drei Kampagnen. Es sollte aber keine große Schwierigkeit darstellen, Ersatzcharaktere in das Spiel einzuführen. Durch die Regionalbeschreibungen hat der Band auch einen bleibenden Zusatzwert, kann man doch bei Szenarien auf dem Balkan bzw. in der Türkei hier Regionalia nachschlagen. Alles in allem ist „Horror im Orient-Express“ eine ernsthafte Empfehlung für ambitionierte Spielleiter und Spieler wert, aber nur, wenn man alle vier Bände durchspielt. Die Sammelbox für alle vier Bände der Kampagne gibt es beim vierten Band dazu.


Horror im Orient-Express 4 – Über den Balkan nach Konstantinopel
Abenteuer- und Quellenbuch
Thomas Ligotti, Penelope Love, Lynn Willis, Frank Heller u. a.
Pegasus Press 2005
ISBN: 3-937826-30-0
192 S., Softcover, deutsch
Preis: EUR 29,95

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