Heredium 2: Brüder im Geist

Die Abenteuer in der postapokalyptischen Welt von „Heredium“ werden im zweiten Roman „Brüder im Geist“ fortgesetzt. Lennard, der Protagonist des ersten Romans „Neue Ufer“ darf weitere Schritte in eine ihm unbekannte und gefährliche neue Welt wagen.

von Andreas Loos

Der zweite Roman im Programm des 13Mann Verlags spielt wie schon der erste vor dem Hintergrund des Rollenspiels „Heredium“. Inhaltlich setzt der Roman einige Monate nach den Ereignissen von neue Ufer ein.

Lennard, der mit beeindruckenden Psi-Kräften geboren wurde, hat sich nach seiner Flucht aus der asiatischen Kuppelstadt Hiroitho City in der von mutierten Pflanzen überwucherten Ukraine niedergelassen. Die gefährliche Flora wird von ebenfalls mutierten Bestien wie Wölfen und Bären heimgesucht, die das Überleben hier zu einem täglichen Kampf machen. Seine neue Heimat ist eine Gruppe von Debellatoren, Menschen, die genau wie er mit psionischen Fähigkeiten geboren wurden. Aber seine neue Familie wird bedroht. Die Nordallianz, eine Gruppierung, die sich unter dem Banner einer christlichen Kirche versammelt hat, will mit aller Macht nach Osten expandieren. Und die Debellatoren betrachten den wachsenden Einfluss mit argwöhnischen Augen, denn die Nordallianz ist ihnen alles andere als freundlich gesonnen.

Als immer mehr Patrouillen der Debellatoren verschwinden, entschließt sich Lennard, auf dem Gebiet der Nordallianz Nachforschungen anzustellen. Da er als einziger in der Gruppe noch keine Tattoos als Zeichen seiner Zugehörigkeit zu den Debellatoren hat, versucht er sich unerkannt bei den Invasoren einzuschleichen. Auf dem Weg zum Außenposten der Nordallianz macht er einige interessante Bekanntschaften und lernt recht schnell so einiges über die Nordallianz. Schon bald ist klar, dass hier ein faschistoides Regime mit Weltmachtsambitionen in Europa entstanden ist. Für die neuen Herren Europas sind Debellatoren Abschaum, den es vom Angesicht der Erde zu tilgen gilt. Auf der Suche nach seinen verschollenen Brüdern und Schwestern freundet er sich mit ein paar Einheimischen an, die von dem totalitären neuen Nachbarn ebenfalls nicht begeistert sind. Was Lennard aber auf seiner Mission wirklich findet, stellt seine schlimmsten Befürchtungen in den Schatten.

Neben dem Handlungsstrang um Lennard, hat sich der Autor noch einen weiteren Protagonisten auserkoren. Dieser zweite Handlungsstrang ist aus der Ich-Perspektive geschildert und behandelt die Erlebnisse des Gardisten Pizzuto. Man bekommt ein paar sehr schöne Eindrücke vom Leben in der Garde und in der Nordallianz im Allgemeinen. Auf Pizzuto kommen schwere Zeiten zu, denn er wird mit seiner Einheit zu dem Außenposten gesandt, den auch Lennard ausspionieren möchte. Pizzuto, der zunächst den Eindruck eines alt gedienten Veteranen macht, dessen zynische Lebenseinstellung als erstes ins Auge sticht, erfährt aber unheimliche psychische Zusammenbrüche. Pizutto und mit ihm der Leser müssen sich die Frage stellen, ob er den Verstand verliert. Immer wieder driftet sein Bewusstsein in den unmöglichsten Situationen ab und er bringt damit sich und seine Kameraden in Gefahr. Am Ende des Romans treffen die beiden Protagonisten zusammen und der Autor bereitet dem Leser einige faustdicke Überraschungen.

Andreas Schnell, widmet sich diesmal vor allem dem Konflikt zwischen den Debellatoren und den Menschen, verkörpert durch die Nordallianz. Dass Hass und Misstrauen auf beiden Seiten herrschen und auch die Protagonisten nicht ganz frei von Vorurteilen sind, macht beide Seiten in meinen Augen glaubwürdiger. Lennard ist erheblich abgeklärter und blickt scheinbar eher über den Tellerrand der beschworenen Klischees als die anderen Akteure. Etwas gestört hat mich, dass Lennard auf seiner Mission mit erstaunlich wenigen Widrigkeiten zurechtkommen muss. Sein Part verlief für meinen Geschmack etwas zu glatt. Die verschiedenen Figuren erheben sich nicht über das Niveau von Stereotypen. Einige Personen suhlen sich förmlich in klischeehaft überzeichneten Charakterzügen. Diese Darstellungsweise verstärkt aber das Bild, das Andreas Schnell von der faschistoiden Nordallianz zeichnen will. Die überzeichneten Klischees sind oft die Barriere, die dafür sorgt, dass der Leser sich nicht mit den faschistoiden Vertretern des neuen Europa identifiziert. Die Menschen werden von Rattenfängern in Talaren von dem Versprechen auf feste Mahlzeiten und Schutz vor der feindlichen Umwelt angelockt. Dass man seine Seele an ein perfides System verkauft, das seine Expansion mit Blut und Tränen aufbaut, merken die Leute viel zu spät. Aber der Autor lässt den Leser nicht im Stich und so gibt es auch hier Leute mit Gewissen, die das ihnen scheinbar auferlegte Stereotyp abschütteln.

Der Roman ist mit acht Kapiteln auf 244 Seiten etwas kürzer ausgefallen als der erste Roman. Auch beschränkt sich Andreas Schnell auf weniger Handlungsstränge, was der Spannung zugute kommt. Ein kleines Glossar, das die wichtigsten Hintergrundinformationen vermittelt, bildet neben Werbung für das „Heredium“-Rollenspiel und den ersten Roman den Abschluss des Buches.

Fazit: „Brüder im Geist“ hinterlässt bei mir einen besseren Eindruck als der erste Roman „Neue Ufer“. Der Vorgänger ließ am Ende zu viele Fragen offen. Diesmal werden fast alle Handlungsstränge aufgelöst, auch wenn die weitere Zukunft der Protagonisten oft im Ungewissen liegt. Die Situation in einer Welt nach dem gewaltsamen Ende der Zivilisation wird anschaulich vermittelt. Das weckt in mir definitiv die Lust auf mehr. Diesmal gab es auch den von mir im ersten Roman schmerzlich vermissten Höhepunkt, der mit ein paar handfesten Überraschungen aufwartet. Wer sich vom Rollenspiel her für das Mindset der Nordallianz interessiert, wird nicht enttäuscht werden. Diesmal ist für jeden etwas dabei. Richtig großartige Spannung wollte sich bei mir im Bezug auf den Handlungsstrang von Lennard nicht einstellen, was wohl damit zu tun hat, dass ich dem Gardisten Pizzuto und seiner von mir als zynisch empfundenen Lebenssicht etwas mehr abgewinnen konnte. Ich hoffe allerdings, dass in zukünftigen Publikationen auch die anderen Zivilisationen die im Rollenspiel in Erscheinung treten eine ähnliche Behandlung erhalten werden. Für Fans des Rollenspiels und solche die es werden wollen, kann ich nur eine Kaufempfehlung aussprechen.


Brüder im Geist (Heredium-Roman Nr. 2)
Rollenspiel-Roman
Andreas Schnell
13Mann-Verlag 2011
ISBN: 978-3941420823
244 S., Taschenbuch, deutsch
Preis: EUR 9,95

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