Hellboy 7: Seltsame Orte

„Seltsame Orte“ ist der siebte "Hellboy"-Sammelband aus dem Cross Cult Verlag übertitelt – und seltsame Orte sind es in der Tat, die der rote Dämon mit der Steinfaust und dem eklatanten Mangel an Respekt vor Geistern, Göttern und sonstigem Gezücht besucht. 160 Seiten umfasst der Hardcoverband, der neben zwei längeren Geschichten auch wieder reichlich „Bonusmaterial“ enthält.

von Bernd Perplies

 

 

In der titelgebenden Story verschlägt es Hellboy in die Tiefsee. Dort herrscht die finstere Bog Roosh, ein riesiger sprechender Fisch, der drei Meerjungfrauen die Erfüllung aller Wünsche verheißt, wenn sie ihr ihren größten Feind in die Hände liefern... Hellboy. Doch der Lohn, den die drei Verschwörerinnen erhalten, entspricht nicht ganz dem, was sie sich vorgestellt haben. Die Bog Roosh indes eröffnet Hellboy, dass sie seinen Tod gesehen hat, der den dunklen Drachen Ogdru Eb Jurhad aus seinem Gefängnis jenseits unserer Dimension befreien und der Welt die Vernichtung bringen wird. Um das zu verhindern... soll Hellboy sterben.

Nachdem er nach einem spektakulären Kampf den lichtlosen Tiefen des Meeres entronnen ist, erreicht Hellboy in der zweiten Geschichte „Die Insel“ ein mysteriöses Eiland, dessen Strand mit Schiffswracks übersäht ist, in denen tote Seemänner bis in die Ewigkeit von den Gefahren und Verlockungen der See singen und dazu Rum trinken. Hier soll sich Hellboys zukünftiges Schicksal besiegeln und zugleich wird das Geheimnis seiner Herkunft ein für alle mal gelüftet.

Kennt man nur den „Hellboy“-Film von Guillermo del Toro, so ist man kaum auf das vorbereitet, was einen in diesem Comic erwartet – und das, obwohl Mike Mignola eben durch diesen Film maßgeblich zu dem dramatischen Plot von „Die Insel“ animiert wurde. Während sich die Filmhandlung im Wesentlichen auf die Arbeit der B.U.A.P. konzentriert, dessen schlagkräftiges Herz Hellboy bildet, wird der gewaltige Mythos, der hinter dem abgebrühten Dämonen(jäger) steht, nur im Finale berührt – dann allerdings mit Macht.

In „Seltsame Orte“ ist dieser Mythos allgegenwärtig. In den für Mignolas Geschichten typischen Tuschezeichnungen, die zumeist in tiefem Schwarz mehr verbergen als enthüllen, wandelt Hellboy zwischen afrikanischen Sagen, dem Märchengut von Hans Christian Andersen, dem Seemannsgarn eines William Hope Hodgson und einer ganz eigenen Schöpfungsmythosmelange, die sich ihm in einem christlichen Ordenskloster in einer Mischung aus Aztekenüberlieferung, Hyperborea-Sage und Cthulhu-Mythos eröffnet. Dabei erschließt sich dem Leser die Geschichte, die zwischen Traum und Realität, Vergangenheit und Gegenwart, Oberwelt und Höllendimension übergangslos changiert, eher intuitiv als Summe seiner Teile, denn durch bewusstes Verstehen jedes einzelnen Panels, ein Unterfangen, vor dem man schon nach wenigen Seiten kapituliert – zu abstrakt präsentiert sich manches von dem, was uns Mignola anbietet.

Es ist ein seltsames Gefühl, das sich beim Lesen einstellt. Man hat den Eindruck, gewaltigen Ereignissen beizuwohnen, die Hellboys Schicksal für immer verändern – nur leider erschließt sich einem nicht ganz, worum es sich dabei genau handelt. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, großen und uralten Mächten im Widerstreit zuzusehen – und der Preis ist die Welt. Eine griechische Tragödie im Comicgewand. Und am Ende steht die Apokalpyse (mehr oder weniger).

Neben ausführlichen Einleitungen zu jeder Geschichte, die nicht zuletzt Mike Mignolas Schwierigkeiten mit dem Material aufzeigen, finden sich im Anhang des Buches der Beginn einer alternativen Storyline zu „Die Insel“, Zeichnungen aus dem „Sketchbook“ sowie die obligatorische „Hellboy“-Gallery mit einigen einzigartigen Hellboy-Interpretationen, etwa von Helge Vogt, Mawil oder Toni Greis.

Fazit: Die siebte Band der „Hellboy“-Sammelbände von Cross Cult, „Seltsame Orte“, hat sich relativ weit von den Pulp-Geschichten rund um die B.U.A.P. entfernt, mit denen Hellboy einst seine Karriere begann. Allein wandelt er auf seltsamen Pfaden, wie magisch angezogen von bestimmten Orten, an denen er gegen uralte Schrecken kämpfen muss und uns uralte Geheimnisse über Monstren enthüllt werden, die in bester Cthulhu-Manier seit Anbeginn der Serie am Rande der Schöpfung dräuen. Definitiv keine locker verdauliche Genrekost für Leute, die sonst nur Marvel- oder DC-Helden-Comics lesen, aber ebenso definitiv eine faszinierende Fortführung des Kults, der Hellboy schon immer gewesen ist.


Hellboy 7: Seltsame Orte
Mike Mignola
Cross Cult 2006
ISBN: 3-936480-07-9
160 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 18,00

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