Hellboy 11: Der Krumme

In den 1920er und 1930er Jahren war die große Zeit der Pulp-Magazine in den USA. Autoren wie H. P. Lovecraft, Robert E. Howard und Clark Ashton Smith feierten in Magazinen wie „Weird Tales“ große Erfolge. Schauerliches und Fantastisches wurde dort geboten, ähnlich wie im 11. Band der „Hellboy“-Reihe, dessen Titelstory Manly Wade Wellman gewidmet ist, einem hierzulande eher unbekannten Geschichtenschreiber, der Mignola doch sehr geprägt haben soll.

von Kurt Wagner

 

 

Wer von „Der Krumme“ erwartet, dass es eine Fortsetzung der epischen „Hellboy“-Geschichte aus dem Jubiläumsband ist, wird enttäuscht. Vielmehr ist der 11. Band der Reihe mal wieder eine Kurzgeschichtenanthologie, die Stories aus Hellboys Frühzeit bei der B.U.A.P. sammelt und sogar zwei, exklusiv in der deutschen Version des Buchs erscheinende „Märchen“ aus dem „Hellboy“-Universum enthält, in denen es um zwei der russischen Bösewichte aus „Hellboy 9: Ruf der Finsternis“ geht.

Die Geschichten stammen alle aus der Feder von Mike Mignola (einmal in Zusammenarbeit mit Joshua Dysart). Gezeichnet wurden allerdings von sehr unterschiedlichen Künstlern, nicht nur Mignolas Hausillustratoren Guy Davis und Duncan Fegredo, sondern auch Jason Shawn Alexander und dem berühmten Richard Corben, einem der wichtigen Künstler der Underground Comix der 1970er Jahre. Entsprechend unterschiedlich fallen die Geschichten visuell aus. Corben und Alexander bringen eine spannende neue Note in die mittlerweile sehr bekannte Optik von Mignola und seinen Dauermitstreitern.

Insgesamt sechs Geschichten sind in dem Band versammelt, wobei „Der Krumme“ eindeutig die längste und eindringlichste ist. Mignola lässt Hellboy hier erstmals ins amerikanische Hinterland reisen, genauer in die einsame Waldlandschaft der Appalachen. Dort hat es der Rote mit der Steinfaust mal wieder mit Hexen zu tun – und womöglich mit dem Leibhaftigen selbst. Die 2009 mit dem Eisner-Award ausgezeichnete Mini-Serie degradiert ihren Helden zwar ein wenig zum Sidekick des eigentlichen Protagonisten Tom Ferrell, eines typischen Vagabunden, aber sie punktet durch eine schauerlich intensive Handlung, in der die einfache Landbevölkerung gegen die Schreckgestalten ihrer eigenen Folklore antreten muss.

Die zwei nächsten Geschichten sind praktisch als „Standardoperationen“ der B.U.A.P. anzusehen. In „Die in Schiffen übers Meer fahren“ stoßen Hellboy und Abe Sapien mit dem grausigen Kapitän Blackbeard zusammen. „Die Kapelle des Moloch“ dagegen führt Hellboy nach Südportugal, wo er einen auf die schiefe (sprich: dämonische) Bahn geratenen Künstler retten muss. Die sehr kurze Episode „Das Mal“ ist im Grunde bloß ein kleiner Moment des Grauens, den Mignola nach einem Besuch beim Hautarzt umgesetzt hat. „Wie Koschej unsterblich wurde“ und „Baba Jagas Mahl“ kommen schließlich im Gewand von Volksmärchen daher, wobei die erste Geschichte durch ihre Tragik noch anzurühren weiß, die letzte dagegen ziemlich schlicht und uninspiriert wirkt.

Positiv hervorheben möchte ich allerdings noch die Aufmachung des Bandes. So ist jeder Kurzgeschichte eine Seite vorgestellt, auf der Mignola persönlich (im Fall des exklusiv im deutschen Band hinzugefügten Stories immerhin Cross Cult als Verlag) etwas über das Folgende erzählt. Solche Hintergrundinfos werten das Leseerlebnis zusätzlich auf und bieten schöne Einblicke in das Schaffen eines Kreativen.

Als Bonusmaterial gibt es – wie so oft – ein Sketchbook der Künstler, außerdem die drei Cover zu „Der Krumme“ und schließlich einen längeren Essay über den jahrzehntelang rührigen, wenngleich heute weitgehend in Vergessenheit geratenen Manly Wade Wellman.

Fazit: Mit Kurzgeschichtenanthologien ist es so eine Sache. Davon konnten schon die Leser von „Weird Tales“ ein Lied singen. Nicht alles zündet, manche Story ist regelrecht banal. Ganz so schlimm ist es hier nicht. Genau genommen ist „Der Krumme“ fantastisch, und auch die anderen Beiträge sind unterhaltsam. Lediglich „Das Mal“ und „Baba Jagas Mahl“ kommen so kurz und auf Pointe erzählt daher, dass sie kaum zu begeistern vermögen. Unterm Strich ein netter Erzählband für Leute, die Hellboy in seiner Vielfältigkeit erleben wollen. Wer allerdings primär an der epischen Haupthandlung interessiert ist, kann diesen Band problemlos überspringen, ohne dabei etwas zu verpassen.


Hellboy 11: Der Krumme
Comic
Mike Mignola, Duncan Fegredo, Richard Corben u.a.
Cross Cult 2010
ISBN: 978-3-941248-78-6
196 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 22,00

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