Gruselkabinett 72: Markheim

Der 1850 im schottischen Edinburgh geborene Robert Louis Stevenson war Autor zahlreicher Reiseerzählungen, Abenteuergeschichten und historischer Romane, daneben auch von Gedichten und Essays. Die bekanntesten seiner Werke sind wohl der Jugendbuchklassiker „Die Schatzinsel“ und die Schauernovelle „Der seltsame Fall des Dr. Jekyll und Mr. Hyde“. Für die 72. Folge der Hörspiel-Reihe „Gruselkabinett“ von Titania Medien wurde Stevensons Erzählung „Markheim“ adaptiert.

von Simon Ofenloch

 

Es ist Weihnachtszeit, als Markheim in den schummerigen Londoner Antiquitätenladen von Mr. Miller tritt. Der Händler ist zunächst mürrisch, da Markheim zu unpassender Zeit bei ihm auftaucht, und herablassend, da er den späten Gast von früheren Besuchen als jemanden kennt, dem nichts zu verkaufen ist. Doch dieses Mal möchte Markheim nicht Mitgebrachtes aus dem Familiennachlass verhökern, um seine Geldnöte zu lindern, sondern tatsächlich etwas erwerben, ein Geschenk für seine Verlobte. Mr. Miller wittert ein besonderes Geschäft. Doch als er Markheim einen alten Handspiegel zeigt, nimmt das Unheil seinen Lauf. Der Blick in den Spiegel lässt die offenbar verdorbene Persönlichkeit erkennen und setzt eine Spirale von Angst und Wahnsinn in Gang. Und eine Bluttat wird zum Anlass, im Zwiegespräch mit einem unheimlichen Fremden, philosophische Fragen um das Seelenheil zu erörtern, um Schuld und Sühne, Erlösung oder Verdammnis.

„Markheim“ ist nach „Dr. Jekyll und Mr. Hyde" und der Kurzgeschichte „Der Leichendieb“ die dritte Arbeit von Robert Louis Stevenson, die für die „Gruselkabinett“-Reihe adaptiert wurde. Erstmals veröffentlicht wurde die düstere, von Fjodor Dostojewskis Roman „Schuld und Sühne“, neuestens auch: „Verbrechen und Strafe“, beeinflusste Erzählung 1885. Eine Geschichte mit wenig Handlung und viel philosophischem Überbau. Mit wenigen Handlungsträgern und einem einzigen Handlungsort, dem Antiquitätenladen. Orts- oder Zeitwechsel finden nicht statt. In der Bearbeitung wird daraus ein atmosphärisches Kammerspiel. Die Szenen, in denen Markheim in der Vorlage alleine agiert, werden notwendigerweise zum längeren Monolog. Marc Gruppe, Mit-Produzent, Mit-Regisseur und Autor des Hörspiels hat der Vorlage einen Prolog hinzugefügt, der zwar rasant und spektakulär ins Geschehen einführt, gleichsam allerdings das Ende verrät. Mit dieser Vorwegnahme hat man einen Effekt verschenkt. Zu effektvoll ist dafür die heftige Mordszene geraten, beklemmend eindringlich.

Drei Sprecher dominieren das Hörspiel: Helmut Zierl, Wolfgang Welter und Hans Bayer. Schauspieler Helmut Zierl, der als Markheim durchgängig zu hören ist und den mittleren Teil praktisch allein bestreitet, gelingt es, einen Mann zu zeichnen, der zunächst vollkommen verunsichert ist und sich dann plötzlich gänzlich wandelt. Sein nuanciertes Spiel gibt dem Charakter dabei eine überzeugende Tiefe und Glaubwürdigkeit. Wolfgang Welter spricht den brummigen Geizkragen Mr. Miller mit entsprechend markanter Stimme, während Hans Bayer mit tief dröhnender, ein wenig kratzender Stimme voll Spott und Hohn und mit diabolischem Gelächter den Fremden zu einer interessanten Figur zu formen versteht.

Julia Stoepel hat als Millers Hausmädchen Lucy einen sympathischen Kurzauftritt, ebenso Rolf Berg als Jahrmarkt-Ausrufer. In Nebenrollen als Passanten sind noch Marc Oliver Schulze, Matthias Kofler, Horst Naumann und Marc Gruppe höchstselbst dabei.

Wie immer bei den Produktionen aus dem Hause Titania Medien, ist das Hörspiel opulent mit Musik und Geräuschen ausgestattet. Neben einer intensiven musikalischen Untermalung wurde nicht am Einsatz natürlich klingender Geräusche gespart. Da wird der eine Handlungsort durch die unterschiedlichsten Soundeffekte „lebendig“: Zahlreiche Uhren ticken im Hintergrund, während der Wind durchs Gebälk heult, steter Regen aufs Dach fällt und draußen eine Kutsche vorbeifährt.

Das CD-Cover ist liebevoll mit vielen Details ausgestattet und wieder im überzeugenden Stil der „Gruselkabinett“-Serie gestaltet, wenngleich für die Illustration dieses Mal nicht Firuz Askin sondern Ertugrul Edirne verantwortlich zeichnet.

Fazit: Ein ziemlich handlungsarmer Vertreter der handwerklich stets hochwertigen Reihe. Eine kleine Schauermär, die weniger auf Action als auf einen tiefgründigen moralischen Diskurs setzt. Ein metaphysisches Kammerspiel um Schuld und Sühne, sorgfältig inszeniert, aber inhaltlich bestimmt nicht jedermanns Sache.


Gruselkabinett 72: Markheim
Hörspiel nach einer Erzählung von Robert Louis Stevenson
Marc Gruppe
Titania Medien 2013
ISBN: 978-3-7857-4811-4
1 CD, ca. 58 min., deutsch
Preis: EUR 8,99

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