Gruselkabinett 14: Die Blutbaronin

„Die Meisterwerke der Schauer-Romantik als atmosphärische Hörspiele mit den deutschen Stimmen vieler Hollywood-Stars.“ – So preisen die Macher des „Gruselkabinetts“ ihre Perlen des akustisch angeregten Kopfkinos selbst an. Und nach mittlerweile 15 vertonten Geschichten kann man nur sagen: Das Konzept geht voll und ganz auf. Mit „Die Blutbaronin“ liegt nun ein weiteres Meisterwerk vor, um dem geneigten Hörer eine Stunde wohligen Schauder zu bescheren.

von Frank Stein

 

Wenn es einen Hörspiel-Oscar gäbe, in der Kategorie „Beste Hauptdarstellerin“ gebührte er eindeutig Viola Sauer für ihre Darstellung der Elisabeth Báthory in dem Titania-Medien-Hörspiel „Die Blutbaronin“. Nun gibt es ja den Hörspiel-Award und dass sie dort 2006 den vierten Platz als „Beste Sprecherin in einer Hauptrolle“ belegte, ist schon beachtlich, musste sie sich doch nur Elga Schütz („Drizzt“ – dickes Franchise), Iris Berben (großer Name) und Bianca Krahl („Gabriel Burns“ – Dauerbrenner) geschlagen geben. Persönlich gesprochen wäre sie mein Favorit gewesen, denn in all den Hörspielen, die ich in den letzten Monaten so genießen durfte, ist mir nie eine Schauspielerin untergekommen, deren Stimme mich so in den Bann geschlagen hat wie die von Viola Sauer (unter anderem die deutsche Stimme von Charlotte Rampling – aber das ist für das Hörspiel eigentlich ohne Belang). Mit einer beeindruckenden emotionalen Bandbreite wechselt sie von lockender Lüsternheit über perfide Grausamkeit bis hin zu heulender Verzweiflung und haucht der schwarzhaarigen, glutäugigen Mitternachtsschönheit, die der Geschichte nach der Erzählung „Lasst die Todten ruhen“ von E. B. S. Raupach als Titelheldin vorsteht, unheiliges Leben ein.

An ihrer Seite agieren unter anderem Harmut Neugebauer (Gene Hackman) als Erzähler und Patenonkel Janos, Uwe Büschken (Hugh Grant) als Ferenc Nádasdy, Arianne Borbach (Uma Thurman) als Katharina Nádasdy, Inken Sommer (Anne Bancroft) als Weise Frau, Ingeborg Lapsien (Olivia de Havilland) als Amme und Tanja Geke (Scarlett Johansson) als Maria, eine illustre Gruppe heutiger und einstiger Hollywood-Stars – wäre dies ein Film. Wäre dies aber ein Film, so hätte man das Gefühl, dass zumindest der Hauptdarsteller furchtbar fehlbesetzt worden wäre. Denn den von seiner Leidenschaft und dann seinem Entsetzen getriebenen Ferenc, der gegen den besseren Rat seines Onkels mithilfe der Magie einer Weisen Frau die geliebte erste Ehefrau Elisabeth von den Toten zurückholen lässt, nur um dann festzustellen, dass an ihrer statt ein gefühlskaltes Monstrum dem Grabe entstiegen ist, kann man sich nicht wirklich mit dem Dackelblick Hugh Grants vorstellen.

Uwe Büschkens hingegen verkörpert den fehlgeleiteten Baron perfekt, obschon man zwischendurch überlegt, ob seine Stimme nicht ein wenig zu sehr vom Sturm und Drang der Jugend beherrscht wird – immerhin soll er einen mächtigen und einflussreichen Edelmann der Karpaten (um 1600) darstellen. Die Stimme der Vernunft – und des wohl berechtigten Entsetzens – ist derweil die Hartmut Neugebauers, den man sich bildlich als händeringenden Patriarchen vorstellen kann, während Inken Sommer ihrer Weisen Frau eine geheimnisvolle Verschlagenheit in den Charakter legt, der durchaus zu der Lektion passt, die sie dem wahnsinnigen Baron erteilt. Auch die übrigen Sprecher tragen mit einer Mischung aus theatralisch überhöhter Sorge und Furcht vortrefflich zur düsteren Atmosphäre des Gruselstücks bei. Die Macher Stephan Bosenius und Marc Gruppe haben bei ihrer Wahl ein gutes Händchen bewiesen.

Die mal süß klagende, mal schleichend verführerische Musik und die völlige Abgeschiedenheit suggerierende Geräuschkulisse – mit fernen Kirchenglocken, einsamen Käuzchen und dem Rauschen des Windes im Wald – bilden da nur das Sahnehäubchen auf diesem schmackhaften Stück Hörspielkunst und unterstreichen die morbige Stimmung, die vor Ort herrscht. Einzig das immer gleiche Wassergeplätscher im Badezuber der Baronin wirft die Frage auf, ob die Unselige wohl ein nervöses Zucken in der Hand verspürt, während sie die blutjunge Zofe Maria verführt. Für einen kurzen Moment gelingt es da einem Hintergrundgeräusch tatsächlich, den Hörer aus dem Bann von Viola Sauers Stimme zu befreien. Für einen kurzen Moment...

Die CD ist bei etwa 60 min. Spielzeit in 13 Kapitel aufgeteilt und erlaubt so einen guten Wiedereinstieg in die Geschichte – auch wenn es eine Sünde wäre, das Hörspiel nicht an einem Stück zu genießen. Denn nur dann kann es seine Wirkung atemloser Spannung voll entfalten.

Fazit: Einmal mehr liefern Stephan Bosenius und Marc Gruppe von Titania Medien schaurig gute Unterhaltung ab. „Die Blutbaronin“ besticht durch ein tolles Sprecher-Ensemble, eine technisch saubere Umsetzung und eine wundervoll düstere Geschichte. Willig versinken wir für eine Stunde in den kalten Armen der feurigen Elisabeth Báthory – und wer ihr nicht hörend hörig wird, der hat einfach kein Herz für die Schauer-Romantik.


Gruselkabinett 14: Die Blutbaronin
Hörspiel nach einer Erzählung von E. B. S. Raupach
Stephan Bosenius, Marc Gruppe
Titania Medien/Lübbe Audio 2006
ISBN: 3-7857-3253-8
1 CD, ca. 60 min., deutsch
Preis: EUR 7,95

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