Grabräuber am Mhanadi

Vor sehr langer Zeit beherrschten uralte Reiche und Mogule die Lande der Tulamiden. Geblieben ist nur ein Hauch alter Macht und Pracht, aber noch immer sind Relikte ihrer Macht und längst vergessener Zeiten vorhanden, die tapfere Helden entdecken können. Und so finden sich in dieser Anthologie Abenteuer um vergessene Grabpyramiden, verborgene Tempel fremder Götter und tiefe Katakomben, die die Helden erforschen und deren Geheimnisse sie ihnen entreißen können.

von Ansgar Imme

Die Anthologie ist aus einem Abenteuerwettbewerb des Verlags in 2010 entstanden, in dem Katakomben und Verliese im Mittelpunkt stehen sollten. Aufgrund der räumlichen Nähe mehrerer Abenteuer wurden diese in einer Anthologie zusammengefasst, die in den Tulamidenlanden angesiedelt ist. Alle Abenteuer bieten dabei die Möglichkeit, Anlagen unter Tage zu erkunden und alte Geheimnisse zu erforschen. Durch den Wettbewerb handelt es sich jeweils um Erstlingswerke der entsprechenden Autoren, die im Nachhinein allerdings noch redaktionell überarbeitet wurden, um sie Lesern und Spielern präsentieren zu können.

Die Abenteuer im Einzelnen

Den Auftakt bildet „Der Fluch des Sultans“ von Dominic Hladek (der anscheinend so überzeugend war, dass er an einer demnächst erscheinenden Publikation gleich wieder beteiligt wurde). In diesem Abenteuer begeben sich die Helden in das karge Mhandistan, wo im Hinterland in einem Dorf blutrotes Wasser aus dem einzigen Brunnen des Dorfes sprudelt. Wenn die Helden den Brunnen erkunden, stoßen sie auf einen alten, halb verschütteten Palast, in dem dämonische Wesen umgehen und Leichen des Sultans wachen, um Eindringlinge zu bekämpfen. Es gilt, zum ehemaligen Herrscher vorzudringen, der bisher keine Ruhe im Tod fand, und ihn von einem alten Fluch zu erlösen.

Das zweite Abenteuer „Begraben unter Staub“ von Miriam Connely spielt in der Mutter aller Städte, dem uralten Fasar. Die Charaktere sind zu einer Hochzeit bei zwei Erhabenen Fasars eingeladen, als ein Hochzeitsgeschenk – Saphirauge, ein wertvoller Edelstein – vor ihren Augen gestohlen wird. Die Verfolgung führt sie in die Gassen Fasars und schnell unter die Stadt in einen vergessenen Tempel vieler alter Götter. Konfrontiert mit einem Wächtergeist der Anlage und überraschend zwei Gästen der Hochzeit müssen die Helden verhindern, dass die beiden ein Ritual zur Erweckung eines gefährlichen Dämon beginnen.

„Die Maske des Heiligen“ von Lutz Licht steht im Mittelpunkt der Geschichte, die die Figuren zunächst ins Herz der Tulamidenlande, die bezaubernde Metropole Khunchom führt. Die Helden treffen mit einem jungen Peraine-Geweihten zusammen, der gerne den Ruf seines Tempels im Vergleich zu anderen Götterhäusern Khunchoms mehren möchte, um aus dem Schattendasein herauszutreten. Er bittet die Helden, Nachforschungen über einen mysteriösen Magier anzustellen und seine Tauglichkeit als Heiliger der Kirche zu überprüfen, soll dieser doch vor mehreren Jahrhunderten kleinere Städte im Umland Khunchoms wundersam von Seuchen und Leid befreit haben.  Im Gegensatz zu den beiden anderen Abenteuern haben die Helden hier eine kleinere Reise vor sich, die sie bei der Spurensuche durch mehrere Orte führt, ehe sie schließlich das Grab des Magiers finden, dessen Überreste sich jedoch als vollkommen anderes entpuppen als vermutet.

In der abschließenden Geschichte „Das Vermächtnis der Kophtanim“ von Michael Rost reisen die Helden auf der Suche nach alttulamidischen Relikten in das Ongalotal. In einem kleinen Dorf kommt es zu seltsamen Angriffen durch Insekten und mutierte Tiere. Die Suche nach dem Grund führt die Helden zum Grab eines Groß-Koptha, eines alttulamidischen Magiermoguls. Dort warten heimtückische Fallen, Sicherungen, Chimären und Mumien auf die Eindringlinge. Doch es finden sich nur Hinweise auf ein verschollenes Szepter, welches für die Angriffe die Ursache zu sein scheint. Die weitere Suche konfrontiert die Helden mit Ferkinas, in deren Wohnhöhlensystem das Szepter versteckt wurde. Je nach Verhalten der Helden kann es zu verschiedenen Lösungen wie einer Verfolgungsjagd durch die Höhlen, heimlichem Eindringen oder ähnlichem führen, an dessen Ende die Helden hoffentlich das Szepter geborgen und zerstört oder unschädlich gemacht haben. Erwähnenswert ist an diesem Abenteuer die Einbeziehung von Kenntnissen der Box „Dunkle Zeiten“ sowie die zwei unterschiedlichen Gegner und unterirdischen Anlagen.

Aufmachung, Layout & Kritik

Der Band zeigt sich beim Layout und den Grafiken auch wie die bisherigen Anthologien auf einem ordentlichen bis hohen Niveau.  Das Titelbild weckt gleich erstes „Indiana Jones“-Feeling mit seinem Blick in tiefe Schluchten auf eine alte tulamidische Anlage. Auch die Pläne und Zeichnungen sind recht reichhaltig und durchgehend sehr gut, zum Teil sogar grandios. Die Karten sind sowohl im Abenteuer als auch zusätzlich im Anhang enthalten. Zu kritisieren ist allerdings das Preis-Leistungsverhältnis: 72 Seiten plus Karten für 20 Euro ist hart an der Schmerzgrenze.

Die Abenteuer selbst erfinden zwar das Genre nicht neu, bieten aber solide Arbeit. Während das erste Abenteuer noch gleich am Ort der Handlung loslegt und nicht viel Vorspann und Freiheiten bietet (was an sich nicht schlecht sein muss, da es dafür auch gut als Abenteuer für zwischendurch geeignet ist), sind die anderen Abenteuer durchaus flexibel und bieten den Spielern eine gewisse Handlungsfreiheit. Nur beim Endergebnis wird immer davon ausgegangen, dass die Spieler es auf genau eine Art lösen beziehungsweise zu einem bestimmten Ergebnis bringen. Bedingt durch den jeweils geringen Platz (wie schon gesagt 72 Seiten, und das für vier Abenteuer) wird der Spielleiter aber oft nicht darum herumkommen, Teile zu ergänzen, Szenen zu erweitern oder sich einzelne Passagen zusätzlich auszudenken, sofern die Spieler nicht sehr genau den Hinweisen folgen.

Da in den Wettbewerbsvorgaben die unterirdischen Anlagen, Gewölbe und Gräber im Mittelpunkt standen, bilden diese natürlich auch den zentralen Ort der Handlung. Die Grundideen sind zunächst nicht sonderlich innovativ und man fühlt sich fast an Abenteuer vor einigen Jahren erinnert, als immer der Dämonenbeschwörer und Paktierer hinter allem steckten, wohingegen hier Dämonen oder dämonische Artefakte am Ende warten. Positiv sticht vom Ausgangspunkt her vor allem das Abenteuer um die Suche nach dem Peraineheiligen hervor, was einerseits eine eher selten erwähnte Gottheit und deren Diener als Aufhänger nutzt und andererseits in dieser Form einmal eine andere Art von Einstieg bietet. Dieses nutzt am stärksten auch Vorgaben und Beispiele für Fallen und ähnliches aus „Katakomben und Kavernen“, der Spielhilfe rund um „Dungeons“, die vor einiger Zeit erschien und zum Teil auch Grundlage für den Abenteuerwettbewerb war.

Die Gewölbe der anderen Abenteuer sind in dieser Sicht eher harmlos, ihre Gefahren warten eher in Form von lebenden und (un)toten Gegnern. Das letzte Abenteuer des Bandes enthält dafür gleich zwei unterirdische Anlagen unterschiedlicher Art: eine künstliche Grabanlage und eine natürliche Höhle, und dementsprechend unterschiedlich sind auch die jeweiligen Gefahren. Die aventurische Stimmigkeit ist in allen Abenteuer gut getroffen, wobei die Vielgötter-Tempel im zweiten Abenteuer dem Rezensenten etwas zu beliebig erscheinen. Eine Kampagne aus den Abenteuern würde spätestens aufgrund sehr ähnlicher Thematik vermutlich zu Langeweile bei den Spielern führen. Diese Art der Nutzung des Buchs ist aber auch durch Redaktion beziehungsweise Verlag nicht gewollt.

Fazit: Der Abenteuerband rund um Grabmäler, Kavernen und Höhlen bietet solide und gut gemachte Kost, die in Kampagnen in den Tulamidenlanden oder generell als kleine Abwechslung sehr gut reinpassen. Der Schwerpunkt liegt zwar weitestgehend auf Erforschung und Entdeckungen, aber die Ausführung ist für den begrenzten Platz recht gut gelungen. Einzig der Preis für vergleichsweise wenig Seiten trübt den guten Eindruck etwas.


Grabräuber am Mhanadi (DSA-Abenteuer Nr. 183)
Abenteuersammlung
Uli Lindner (Hrsg.)
Ulisses Spiele 2011
ISBN: 978-3-86889-159-1
72 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 20,00

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