Glen More

Bis zu fünf Spieler wetteifern als schottische Clans bei „Glen More“ um die Vorherrschaft in den Highlands. Effizientes Ressourcenmanagement und geschickte Gebietserweiterungen sowie Gespür für die richtige Taktik und eine interessante Zugreihenfolge lassen „Glen More“ zu einem Highlight jeder Spielesammlung werden.

von Lars Jeske

 

 

Ende des 17. Jh. Schottland. Blühende Landschaften. Eine gute Gelegenheit, einen Clan zu gründen und Gebiete zu sichern. Dies dachte sich wohl auch Matthias Cramer, der mit seinem Debütspiel „Glen More“ ein Ressourcenmanagementspiel entworfen hat, welches sich sehen lassen kann. Sämtliche im Spiel verwendeten Orte sind Gebiete, welche tatsächlich in der Gegend um Glen More liegen, wodurch die Authentizität gestärkt wird. Die richtige Stimmung vermitteln zudem die Illustrationen von Loïc Billiau, welche Schottland gut einfangen. Stilecht ist alles in verschiedenen Grüntönen gehalten, Regeln und Spielplan sogar mit Schottenrockmuster.

Alea, als Nobelmarke von Ravensburger, spricht bekanntlich für Qualität, sowohl spielerisch, als auch vom Material her. Auch hier bei „Glen More“ wird geklotzt und nicht gekleckert, frei nach der Devise: „Klein aber oho“. In der mittelgroßen Schachtel (zwischen „San Juan“ und „Puerto Rico“) steckt sehr viel Material. Ein kleines Spielbrett, Landschaftsplättchen, Kärtchen aus Pappe, Holzmännchen, Ressourcen, Würfel und Pappmünzen. Die Plättchen sind ordentlich gestanzt und sauber heraustrennbar. Der Sortiereinsatz für das Spielmaterial ist zwar nicht für „Glen More“ optimiert, man bekommt aber alles irgendwie unter. Es gibt zwar nur zwei Kurzregeln, dennoch runden diese den überaus positiven optischen Eindruck ab.

Die Regeln für dieses strategische Aufbauspiel wirken anfänglich komplex, sind aber überschaubar und relativ einfach. Alea-typisch gibt es Kurzregeln für den Wiedereinstieg. Auf nur acht Seiten ist alles inklusive Beispielen erklärt und in sich schlüssig. Es sind schon ein paar Regeln, aber einmal verstanden hat man diese komplett intus und kann sofort losspielen, ohne später noch einmal nachlesen zu müssen. Erleichtert ist der Spieleinstieg zudem für Vielspieler, denen einzelne Mechanismen bekannt vorkommen werden. Wer zufällig „Carcassonne“ und „Cuba“ kennt, wird sich sofort heimisch fühlen und kann fast losspielen, ohne die Anleitung zu lesen.

Nun zum Spiel selber: Jeder Mitspieler startet mit seinem Dorf, einem Clanmitglied und sechs Münzen. Es geht darum, mit seinem Clan die Vorherrschaft in Schottland zu erringen. Ergo benötigt man dafür neben neuen Clanmitgliedern auch neue Landstriche. Das Spielbrett beinhaltet den Markt für die Rohstoffe und den Rundparcours, auf welchem immer alle Felder (bis auf eines) mit den wählbaren Landschaftsplättchen belegt sind. Daneben liegen verdeckt die in drei nummerierte Stapel getrennten Landschaftskärtchen bereit. Diese Kärtchen sind dabei etwa Produktionsfelder (inklusive Destillen), Dörfer, Burgen, Seen oder Orte wie Fleischereien, Tavernen und Jahrmärkte.

Spielablauf

Der Spielverlauf ist einfach: Wer an der Reihe ist, darf zu einer beliebigen Stelle des Parcours vorrücken, sich das entsprechende Landschaftsplättchen nehmen und an das eigene Gebiet anlegen. Dadurch aktiviert man die angrenzenden Landschaften, deren Eigenschaften man jetzt nutzen kann. Hier bekommt man entweder Rohstoffe, kann diese weiterverwerten oder hat die Chance, mit Bewegungspunkten seine Clanmitglieder zu bewegen oder zu Chieftains zu befördern. Sobald einer der Stapel mit den Landschaften aufgebraucht ist, kommt es sofort zu einer Wertung. Nach der dritten Wertung erfolgt noch eine Verrechnung, und Sieger ist, wer die meisten Siegpunkte erringen konnte.

Neben der reibungslosen Verknüpfung bekannten Mechanismen gibt es zudem interessante neue Ansätze. Bekannt ist vor allem das Anlegeprinzip aus „Carcassonne“ sowie aus „Cuba“ die Aktivierung der angrenzenden Felder, wie sie hier ähnlich vollzogen wird und der begrenzte Markt, auf welchem die Nachfrage den Preis regelt. Auffällig neu ist vor allem die ungewohnte Reihenfolge, in der die Spieler ziehen. Es ist immer der Spieler am Zug, der derzeit auf dem Parcours an letzter Stelle steht (nach ihm lediglich noch das einzig leere Feld der Auslage). Da man beliebig weit vorrücken kann, hat man immer die Wahl sich lukrativere Plättchen weit vorn zu sichern, wenn man sich diese leisten kann, oder öfter am Zug zu sein. Zu viele Plättchen bringen jedoch Punktabzug am Spielende.

Ähnlich wie bei „Die Säulen der Erde“ oder eben „Cuba“ sind die Rohstoffe nur Mittel zum Zweck. Auch in „Glen More“ geht es darum, die meisten Siegpunkte zu erhalten. Somit benutzt man die Rohstoffe (etwa Stein, Holz, Schafe) als Baumaterialien für weitere Landschaften oder tauscht sie an speziellen Orten (beispielsweise Jahrmarkt oder Fleischerei) in Siegpunkte um.

Wertungen

Für die drei Hauptwertungen erfolgt jeweils der Vergleich der bisherigen Errungenschaften in drei Sektoren. Wie viele Chieftains hat der Clan? Wie viele besondere Orte wurden entdeckt? Und, wie es sich für anständige Schotten gehört, erfolgt auch der Vergleich der vorrätigen Whiskeyfässer. Dabei wird nicht der absolute Wert genommen, sondern jeweils die Differenz zum Mitspieler mit dem Wenigsten davon bewertet. Selbstverständlich ist dabei eine hohe Differenz lukrativer, als nur eine geringe.

Spielerzahl 2 bis 5

Manchmal etwas kritisch bei Ressourcen- oder Eroberungsspielen ist die variable Spielerzahl. Künstliche Verknappung oder ähnliches nehmen mitunter den Reiz des Spiels für kleinere Gruppen. Hier ist Matthias Cramer auf eine tolle Idee gekommen. Während das Spiel für 4 oder 5 Spieler gleich verläuft, gibt es bei weniger Spielern einen Würfel als Zufallsspieler. Dieser simuliert einen weiteren Spieler. Ist dieser an der Reihe, würfelt man, um wie viele Felder dieser vorrückt und welches Plättchen aus dem Spiel entfernt wird. Somit ist dieser fiktive Spieler genauso unberechenbar in der Plättchennahme wie ein menschlicher Gegner. Generell ist natürlich klar, dass bei weniger Spielern jeder häufiger an der Reihe ist und die gewählten Landschaften öfter aktivieren kann. Im Gegenzug zu dieser eher taktisch geprägten Variante ist bei mehreren Spielern die Chance größer, auch Fehlgriffe kompensieren zu können.

Bewertung

Für Schotten eher unüblich, ist „Glen More“ ein friedliches Spiel für Spieler ab ca. 10 Jahren. Jeder Spieler hat sein Reich, und einmal Errungenes kann von den Mitspielern nicht wieder entwendet werden. Die Interaktion ist darum nicht allzu groß, da man jedoch relativ schnell wieder an der Reihe sein kann, hat man nicht das Gefühl, solitär zu spielen, zumal man immer auf die Aktionen der Mitspieler achten und keinen der drei Wertungsbereiche vernachlässigen sollte.

„Glen More“ ist dabei nichts für entscheidungsschwache Spieler. Keine Langzeitstrategie für Tüftler, sondern die kurzfristig optimierte Taktik entscheidet. Darum ist das Spiel auch gut für Gelegenheitsspieler geeignet. Der Grübelfaktor (Downtime für die Mitspieler) hält sich in Grenzen, wenn dann auch die großen Strategen erkennen, dass man gar keine langfristigen Pläne fassen kann. Ersten kommt es anders und zweitens als man denkt. Es ist immer auch etwas vom Glück abhängig, was die anderen Mitspieler nehmen und man selber bekommt. Man muss einfach etwas herumprobieren, da es keine überlegene Taktik gibt. Wie im richtigen Leben ist es das Überleben der Anpassungsfähigsten.

Der Spannungsbogen bleibt über die gesamte Spieldauer erhalten, da man immer vom am weitesten hinten liegenden Spieler in den Wertungskategorien abhängig ist und dementsprechend immer wieder neue Prioritäten hat. Rückstände bei Punkten sind somit sehr gut aufholbar, und man ist nie hoffnungslos abgeschlagen, was den Frustfaktor enorm reduziert.

Da es immer neue Landschaftskombinationen gibt, wird das Spiel auch nach mehrmaligem Spielen nicht langweilig, wobei „Glen More“-Veteranen gegenüber Neueinsteigern selbstverständlich Erfahrungsvorteile haben.

Fazit: Obwohl hier in Pint gerechnet werden müsste, ein Einstand nach Maß für Matthias Cramer als Spielerfinder. Nicht alles ist neu, aber ein schönes Thema wurde stilvoll umgesetzt und passende Mechanismen wurden zusammengebaut. „Glen More“ hat dabei eine gute Mischung aus Taktik und Glück, und die notwenigen Regeln sind auch nicht zu kompliziert. Somit ist das Spiel sowohl für Viel-, als auch Gelegenheitsspieler geeignet und mit einer Spieldauer von ca. 60 min. genau richtig.


Glen More
Brettspiel für 2 bis 5 Spieler
Matthias Cramer
alea/Ravensburger 2010
ISBN: 4-005556-269365
Spielplan, 30 Spielfiguren, 60 Ressourcensteine, 72 Landschaftsplättchen, diverse Marker für Münzen, Siegpunkte und besondere Orte, 2 Kurzübersichten, Würfel, Anleitung, deutsch
Preis: EUR 29,95

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