Geschichten aus dem Finsterland

Diese Anthologie von acht Kurzgeschichten spielt vor dem Hintergrund des Steampunk-Rollenspiels „Finsterland“. Der Leser kann sich auf ein paar schöne Geschichten mit „Wiener Charme“ freuen, die unterschiedlicher nicht sein können.

von Andreas Loos

 

Das Rollenspiel „Finsterland“ mit seinem Steampunk-Hintergrund war für mich eine der großen Überraschungen der letzten Jahre. Das gilt umso mehr, wenn man bedenkt, dass die Veröffentlichung im Eigenverlag erfolgt ist. Schon im Grundregelwerk und auch in den anderen beiden Quellenbüchern wurden Kurzgeschichten eingestreut, um auf den Hintergrund des Spiels einzustimmen. Das vorliegende Taschenbuch vereint nun acht sehr unterschiedliche Kurzgeschichten auf 282 Seiten.

Jede Geschichte stammt aus der Feder eines anderen Autors, welche kurz am Ende des Buches vorgestellt werden. Alle Geschichten vereinen die typischen Elemente des Finsterlandes in sich. Vieles erinnert an das reale ausgehende 19. Jahrhundert, vermischt mit Steampunk und Fantasy. Das Finsterland ist eine fantastische Version der Donaumonarchie, zumindest der extensive Gebrauch von österreichischen Dialekten drängt den Vergleich auf.

Den Anfang macht „Fraukensteigs Monster“ von Sybille Lengauer. Wie man am Titel unschwer erkennen kann, ist die Geschichte im Kern eine Interpretation der Frankensteinthematik von Mary Shelly. Die Herangehensweise an das Thema fand ich gut aufgelöst. Und alles auch noch mit sozialkritischen Aspekten. Na ja, die Botschaft ist ziemlich simpel und die menschlichen Protagonisten sind alles andere als sympathisch. Die Geschichte ist mit 45 Seiten recht umfangreich.

Die zweite, ungleich kürzere Geschichte hat E. J. Geiger geschrieben, der Titel lautet „Sie nannten ihn Schemel“. Ein Zugereister versucht sich in der mondänen Hauptstadt des Finsterlandes als Personenschützer. Dabei hat er nicht nur ein Attentat zu vereiteln, sondern auch noch mit dem hiesigen Dialekt und den Gepflogenheiten zu kämpfen. Auch hier werden soziale Unterschiede herausgekehrt, um zusätzliches Konfliktpotential zu schaffen.

„Zeit für Tee“ ist die dritte Geschichte im Bunde. Die lustige Geschichte handelt von einer Geisterbeschwörung die zusehends aus dem Ruder läuft. In ihrem Verlauf werden unschuldige Butterbrote angebrüllt und eine Menge Tee verschüttet. Das, was Susanne Firzinger hier geschrieben hat, fand ich sehr lustig.

Im Kontrast dazu steht die Geschichte „Das Meervolk“ von Dennis Maciuszek. Hier gilt es ein Geheimnis in der Küstenstadt Sundheim zu lüften. Eine Magierin soll eine Reihe von Diebstählen in den Lagerhäusern des Hafens aufklären. Das Seltsame ist, dass der Dieb dem sagenhaften Meervolk angehören soll, das halb Mensch, halb Fisch ist. Des Rätsels Lösung geht jedoch weit darüber hinaus. Das Ende dieser Geschichte hat mich nicht so recht überzeugen wollen.

Gregor Pils hat die Geschichte „Unruh“ zur Sammlung beigesteuert. Der Amtsmagier Frantisek K. stellt Nachforschungen in einem Fall von dämonischer Besessenheit an. Eine junge Frau wird aus ungeklärten Gründen von einem Dämon besessen. Auch hier ist nicht alles so wie es scheint, und die Lösung passt sehr gut in den Kontext des Hintergrundes.

Als Vorlage für die Geschichte „Der Probeschuss“ diente die Oper „Der Freischütz“ von Karl Maria von Weber. Die Thematik der Oper wird teilweise in dieser Kurzgeschichte verarbeitet und auf neue Weise interpretiert. Die Oper als Hintergrund zu wählen ist eine schöne Idee. Dass der Protagonist nur am äußeren Rand mit der Handlung aktiv befasst ist, hat mich etwas gestört. Die Geschichte hatte für meinen Geschmack zu wenig direkte Aktion der Hauptbeteiligten. Vielmehr wird die Situation wortwörtlich ausgesessen.

„Atavatar“ ist der Titel der siebten Geschichte. Ein im Krieg wahnsinnig gewordener Soldat wird durch experimentelle medizinische Methoden von seinen schweren Verletzungen, unter anderem fehlen ihm beide Beine, wieder hergestellt. Seine Vorgesetzten planen ihn zum Helden zu stilisieren, damit seine Person zu Propagandazwecken benutzt werden kann. Während des Heilungsprozesses kommt es zu Problemen, und das Ergebnis nimmt groteske Züge an. Die Hauptperson spricht unflätig und verfällt immer mehr dem Wahnsinn. Die Geschichte hat mir sehr gut gefallen, besonders der Vorgesetzte, der seinen „Helden“ aufgrund der „Aktenlage“ auswählt, ohne ihn überhaupt zu kennen oder zu prüfen, ob der Mann jemals präsentabel sein wird. Unter diesen Voraussetzungen kommt es dann auch zu der unausweichlichen Katastrophe.

Den Abschluss macht die komplexe Geschichte „Der Schatten von Eschweiler“. Die Geschichte folgt in diversen Handlungssträngen den verschiedenen Personen, und nur langsam fügen sich diese zu einem Gesamtbild zusammen. An dieser Stelle verzichte ich auch auf eine stichwortartige Beschreibung der Geschichte. Nur so viel sei verraten: Ein grausiges Geheimnis aus dem vergangenen Krieg wirft seine Schatten auf die Protagonisten.

Fazit: „Geschichten aus dem Finsterland“ bringt in acht unterschiedlichen Kurzgeschichten dem Leser das Steampunk-Setting näher. Dass die Geschichten von acht Autoren geschrieben wurden, sorgt natürlich für acht unterschiedliche Ansätze zum Thema Steampunk. Wie auch schon bei den anderen Produkten für „Finsterland“, hat mir hier auch der besondere „Wiener Charme“ gefallen.


Geschichten aus dem Finsterland
Rollenspiel-Roman
Gregor Pils u.a.
Gregor Pils 2013
ISBN: 978-3950327052
288 S., Taschenbuch, deutsch
Preis: EUR 14,90

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