Gears of War – Das Brettspiel

Es mag auf den ersten Blick kurios klingen, aber Brettspiele, die auf erfolgreichen Computerspielen basieren, sind längst keine Seltenheit mehr. Sid Meiers „Civilisation“ hat es ebenso vom PC-Bildschirm auf den Wohnzimmertisch geschafft, wie „World of Warcraft“, „Doom“ oder „StarCraft“. Vor allem die amerikanische Spieleschmiede Fantasy Flight Games macht regelmäßig mit Spieleadaptionen von sich reden. Jetzt ist die analoge Variante zum Konsolenhit „Gears of War“ erschienen.

von Bernd Perplies

Das Spiel ist in einer unbestimmten Zukunft auf dem Planeten Sera angesiedelt. Lange Jahre lebten die Menschen dort in Frieden – bis zu dem Tag, der als „Tag der Ankunft“ in die Geschichte einging und an dem aus den Tiefen des Planeten die an Chaoswesen erinnernden Geschöpfe der Locust-Horde hervorkrochen. Wie der Heuschreckenschwarm, nach dem sie benannt sind, fielen sie über die Länder der KOR, der Koalition ordentlicher Regierungen, her. Milliarden Menschen kamen ums Leben. Schließlich setzten die Menschen sogar Massenvernichtungswaffen gegen ihre eigenen Städe ein, um der Plage Herr zu werden – vergeblich.

In „Gears of War“, das gilt für das Konsolen- wie für das Brettspiel, übernimmt man als Spieler eine Soldaten einer kleinen Gruppe von Kommandos, die als letztes Aufgebot der Menschheit gegen die Locust-Horde antreten und in den Trümmern ihrer einstigen Heimat um den Fortbestand der Menschheit kämpfen. „Gears of War – Das Brettspiel“ kommt daher als kooperatives Brettspiel daher, das bis zu vier Spielern erlaubt, im Team gegen die Mechanismen des Spiels selbst anzutreten. Es ist ein Kampf, der von Anfangssiegen geprägt sein mag, doch leichtsinnig darf man deshalb nicht werden. Eine Spielpartie wird mit jedem Zug härter und härter, und nur wenn man taktisch klug agiert und auch das nötige Quäntchen Glück auf seiner Seite hat, geht man am Ende als Sieger hervor, statt verblutend vor den Horden der Locusts davonzukriechen.

Das Spiel beginnt damit, dass jeder Spieler sich einen der vier Kommandosoldaten (Marcus Fenix, Augustus Cole, Dominic Santiago oder Damon Baird) aussucht und sich dessen Spezialwaffen nimmt. Natürlich finden sich all die aus dem Konsolenspiel bekannten und beliebten Waffen – wie das Lancer-Sturmgewehr mit seiner Kettensäge, der Boomshot -Granatwerfer oder das Hammerburst-Sturmgewehr – im Arsenal (wobei die letzten beiden nicht zur Startausrüstung gehören, sondern von Monstern fallengelassen werden). Anschließend wird eine der sieben möglichen Missionen ausgewählt. Die Missionen sind unterschiedlich lang und komplex und greifen die Motive aus, die man vom digitalen Bruder kennt. Der Spielplan wird mithilfe eines Zufallsmechanismus generiert, sodass auch beim wiederholten Spielen einer Mission stets eine etwas veränderte taktische Ausgangslage herrscht.

Ein Spielzug besteht stets aus drei Phasen: Heilen, Befehle erteilen und Locusts aktivieren. Beim Heilen darf der aktive Spieler zwei Befehlskarten vom Befehlskartenstapel ziehen. Dabei darf das Handlimit von (normalerweise) sechs Karten nicht überschritten werden. Die Befehlskarten werden in der Phase „Befehle erteilen“ genutzt, um Aktionen durchzuführen. Man kann entweder ihren aufgedruckten Text nutzen oder sie pauschal für eine Bewegung von zwei Feldern oder einen Angriff einsetzen. Darüber hinaus kann der aktive Spieler in dieser Phase je eine Handkarte abwerfen, um bis zu drei verschiedene Sonderaktionen je einmal durchzuführen: einen KOR-Soldaten wiederbeleben, eine von den Locusts fallengelassene Waffe aufnehmen und/oder auf dem Spielplan selbst herumliegende Ausrüstung aktivieren, sprich ebenfalls aufnehmen.

Des Weiteren besitzen die Befehlskarten in der linken oberen Ecke ein Symbol, das verschiedene Reaktionsfähigkeiten erlaubt. Mit „Absichern“ kann man einen Angriff oder eine Bewegung eines Locusts unterbrechen und sofort einen Angriff durchführen. „Ausweichen“ gewährt zwei zusätzliche Verteidigungswürfel im Kampf. „Folgen“ ermöglicht einem Soldaten, einem zweiten während dessen Spielzug hinterherzulaufen, wenn selbiger vom eigenen Feld aus startet oder dieses passiert. Das alles verführt natürlich dazu, Befehlskarten rauszuhauen. Aber Vorsicht: Die Phase, in der man Karten aufnehmen darf, heißt nicht ohne Grund „Heilen“. Die Befehlskarten stellen zugleich den Gesundheitszustand der Soldaten dar. Das heißt im Kampf gegen die Locusts verliert man durch Treffer noch weitere Karten. Und wenn die Schadenspunkte die verbliebenen Handkarten überschreiten, man also unter Null sinkt, fällt der Soldat aus. Er verblutet und nimmt nur noch sehr eingeschränkt am Spielgeschehen teil, bis ihn jemand wiederbelebt. Sind alle Soldaten dergestalt ausgeschaltet, ist die Partie in der Regel verloren.

In der Locust-Phase wird schließlich einen Karte vom Locust-KI-Deck gezogen, die vorgibt, wie die Monster agieren. Entstehen neue auf dem Spielplan? Bewegen sie sich? Greifen sie an? All das wird (oft durch Wenn-Dann-Bedingungen ausgelöst) auf der gezogenen Karte beschrieben. In der Regel handeln die Monster dabei ziemlich klug. Sie gehen in Deckung, wenn sie können, greifen immer den schwächsten Gegner an und bewegen sich gezielt auf die KOR-Soldaten zu. Dabei sind ihre Kampfdaten gar nicht so übel. In der Verteidigung sind die Locusts eher schwach, aber im Angriff vermögen sie kräftig auszuteilen. Und in der Masse setzen sie den Spielern letztlich ganz schön zu.

Der Kampf wird mit zwei Würfelwürfen bestritten. Der Angreifer verwendet die schwarzen Angriffswürfel, wobei die Spieler pro Waffe meist zwei Angriffsmodi haben: einen schwachen, der keine Munition kostet, und einen starken, für den man einen der chronisch knappen Munitionsmarker ausgeben muss. (Munition kann man auf dem Spielplan finden und aus fallen gelassenen Waffen gewinnen.) Der Verteidiger wirft die roten Verteidigungswürfel, die grundsätzlich schwächer sind, als die Angriffswürfel. Die Differenz aus Treffersymbolen und Schildsymbolen wird in Wunden zugefügt. Eine Seite jedes Angriffswürfels zeigt ein sogenanntes Omen-Symbol. Dieses löst Spezialeffekte aus, die meist zusätzlichen Schaden erzeugen. Kämpfe bei „Gears of War“ sind dreckig und sehr schmerzhaft.

Schön ist, dass zahlreiche Mechanismen an das dem Brettspiel zugrundeliegende Konsolenspiel erinnern. Dazu zählen natürlich die brachialen Angriffe der Lancer-Kettensäge, das gemeinsame Vorrücken via „Folgen“ sowie das exzessiv genutzte Deckungssystem, das wirklich lebenswichtig ist, da die Soldaten für sich genommen meist nur einen Verteidigungswürfel haben, während die Deckung ihnen bis zu zwei weitere bietet. Auch der „Random Drop“ von Waffen oder das Wiederbeleben durch Kameraden fühlt sich sehr nach (teamorientiertem) Computerspiel an.

Das Spielmaterial, das in einer gewichtigen Box daherkommt, kann sich wirklich sehen lassen. Die Spielplanteile sind aus fester Pappe und schön bedruckt, die Spielkarten weisen cooles Artwork auf und die Miniaturen sind – für ein Brettspiel – zum Teil wirklich spektakulär detailliert. Allerdings darf man das wohl auch erwarten, denn der Preis für das Spiel ist mit knapp 60 Euro (empfohlener Verkaufspreis) nicht ganz ohne.

Fazit: Wer taktische Shooter – wie beispielsweise „Doom – Das Brettspiel“ – mag und gerne kooperativ gegen ein Spielsystem antritt, der ist bei „Gears of War – Das Brettspiel“ genau richtig. Zwar ist es möglich, dass ein Level etwas zäh in Fahrt kommt, aber spätestens auf halbem Wege wird das Spiel knackig und ziemlich spannend. Das hervorragende Spielmaterial tut seinen Teil dazu, ein Gefühl von Endzeit-Action am Wohnzimmertisch zu erzeugen. Das einzige, was ich persönlich schade finde, ist der Umstand, dass einigen Bossmonstern keine eigene Miniatur gegönnt wurde. Stattdessen muss man auf eine der normalen Figuren zurückgreifen. Und die Spielzeit von 1 bis 3 Stunden ist – wie so oft bei FFG-Produkten – noch eher zu niedrig angesetzt. Je nach Glück, Spielweise und Mission halte ich 2 bis 5 Stunden für realistischer.


Gears of War – Das Brettspiel
Brettspiel für 1 bis 4 Spieler ab 14 Jahren
Corey Konieczka
Heidelberger Spieleverlag 2011
EAN: 4015566011632
Sprache: Deutsch
Preis: EUR 59,95

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