von Ansgar Imme
Mit Dank an die Spieletester Rosa, Axel und Lars.
Erst ganz langsam, dann aber immer schneller und umfangreicher und mit steigendem Erfolg der Romane haben auch andere Medien sich dem Epos „Das Lied von Eis und Feuer“ (Original: „The Song of Ice and Fire“) von George R. R. Martin gewidmet: Neben Rollenspiel, TV-Serie und Brettspiel gibt es nun auch das Kartenspiel, welches auf den Romanen und seinen Charakteren, Orten und Eigenheiten basiert. Während bei anderen Adaptionen von Romanen die Qualität oft schwankte, haben die Veröffentlichungen zu Martins Romanen bisher viel Lob erhalten, ob es sich nun um die auf HBO ausgetrahlte und mehrfach prämierte Serie oder das spannende und vielfältige Brettspiel handelt.
Das Kartenspiel „Game of Thrones: Der Eiserne Thron – Das Kartenspiel“, so viel sei hier schon gesagt, steht dem in nichts nach. Es handelt sich dabei um ein sogenanntes „Living Card Game“ (LCG): Im Basisspiel erhält man die Karten/vorgefertigten Decks für die vier Häuser Baratheon, Stark, Lannister und Targaryen, mit denen man bereits spielen kann und welches so umfangreich ist, dass es für viele Spielpartien reichen sollte.
Dazu kann man mit einem weiteren Basisspiel oder/und kommenden Erweiterungen ein Kartendeck nach den eigenen Wünschen zusammenzustellen. Bei jeder Erweiterung sind im LCG-Konzept dieselben Karten enthalten, sodass jeder Spieler bereits weiß, welche Karten er erwirbt. Bei sonstigen „Trading Card Games“ war nie klar, welche Karten man erhält, sodass immer ein Glücksfaktor dabei war (und natürlich die Sammelleidenschaft angefacht wurde). Durch die Kenntnis der Zusammenstellung der Erweiterungen hat damit jeder Spieler die gleichen Chancen, sich gleich gute Kartendecks zusammenzustellen. In den Erweiterungen gibt es auch weitere Familien, sodass man eine noch größere Bandbreite an Möglichkeiten erhält. In der deutschen Übersetzung ist allerdings bisher nur das Grundspiel erschienen. Die Erweiterungen zu den bestehenden vier Häusern sowie zusätzlich zu Greyjoy und Martell (wie auch im Brettspiel erschienen) sind angekündigt, wobei Greyjoy ab Ende August/Anfang September im Handel erhältlich sein soll.
Ablauf und Siegbedingungen
Das Kartenspiel ist kein klassisches Kartenspiel nur mit Karten, sondern enthält auch einige zusätzliche Spielelemente als ersten Übergang zum Brettspiel. Es ist für 2 bis 4 Spieler geeignet, wobei die komplette Bandbreite an Optionen und Spielspaß erst bei der vollen Spielerzahl zu erleben ist. Die Spieler übernehmen je eines der vier genannten großen Häuser und erhalten den jeweiligen zugehörigen Kartenstapel. Die Karten unterscheiden sich je nach Haus deutlich und sind mit Bezug auf die Romane mit klaren Eigenheiten versehen (Beispiel: Die Starks können Schattenwölfe als Begleiter wählen). Sie können aus Charakteren, Orten, Aktionen, Eigenschaften und Gegenständen bestehen. Das Ziel des Spiel ist es, 15 Machtpunkte zu erreichen. Die Machtmarker kann man im Verlauf des Spiels für bestimmte Aktionen gewinnen, diese können einem aber auch wieder genommen werden.
Das Spiel wird über mehrere Runden gespielt: Der Ablauf jeder Runde ist immer gleich. Für die Startrunde kann jeder Spieler zunächst Karten für bis zu 5 Goldstücke auslegen (bestimmte Karten sind nur durch den Einsatz von Goldstücken möglich). Ansonsten ist zunächst die Strategiephase an der Reihe: Jeder Spieler wählt aus seinen 7 Strategiekarten verdeckt eine Karte aus, die er nutzen möchte. Zeitgleich wird aufgedeckt, und die Aktionen werden ausgeführt. Benutzte Karten werden abgelegt und können erst wieder genutzt werden, wenn bis auf die letzte Strategiekarte alle abgelegt sind.
Der Spieler mit der höchsten Gesamtinitiative (Summe aus Strategiekarte und sonstige Initiativeboni/-mali) bestimmt den Startspieler, der dann als erstes einen sogenannten „Titel“ aus der Kammer des Kleinen Rats auswählen darf. Mit den Titeln bekommt für diese Runde einen speziellen Vorteil und kann sich etwa ein höheres Einkommen, mehr Einfluss, größere Kampfstärke etc. sichern. So muss man auch überlegen, was man in der Runde plant. In der zweiten Phase werden 2 Karten vom Nachziehstapel gezogen, und in der dritten kann jeder – beginnend mit dem Startspieler – Karten von Hand auslegen, solange er das Gold dafür bezahlen kann. Vor dem Auslegen erhält er dazu Gold in Höhe der Goldstücke auf den bereits in vorigen Runden ausgelegten Karten.
Die vierte Phase ist die Aktivphase, in der die Spieler gegeneinander Herausforderungen aussprechen und durchführen, die Militärschläge, politische Intrigen oder Machtkämpfe sein können. Pro Runde ist von jeder Herausforderung nur eine Durchführung möglich. Wenn der Spieler die Herausforderung und den Gegner benannt hat, sucht er die aufgedeckten Karten aus, mit denen er dies durchführen möchte. Eine Herausforderung ist nur mittels der Charaktere möglich. Jede Karte enthält zu den drei Herausforderungen die Angabe über die Höhe des Bonus in Punkten. Anschließend sucht der Verteidiger seine Karten heraus, mit denen er der Herausforderung begegnen möchte. Bei Gleichstand gewinnt der Angreifer.
Je nach Herausforderung wird bei einem Sieg des Angreifers unterschiedlicher Schaden generiert: Tod eines Charakters, Abwerfen von Handkarten (und damit Optionen) des Verteidigers oder Verlust eigener Machtmarken. Bereits gespielte Karten können in dieser Runde sowohl zum Angreifen als auch Verteidigen nicht mehr genutzt werden. Ein Sieg des Verteidigers führt zu keinem Effekt. In der fünften Phase berechnen alle Spieler ihre Gesamtstärke ausgelegter und nicht gespielter Karten. Der Spieler mit der dann höchsten Summe erhält einen zusätzlichen Machtmarker. Die beiden letzten Phasen führen zur Reaktivierung benutzter Karten und Abgabe übriggebliebener Goldmünzen zurück an die Goldkammer.
Kritik
Schon das Brettspiel zu den Romanen von George R. R. Martin bot eine hohe Qualität, viel Inhalt für das Geld, interessante Spielmechanismen und trotzdem eine enge Anlehnung an die Handlung der Romane. Auch das Kartenspiel steht dem in nichts nach. Ist man anfangs noch überrascht, dass das Kartenspiel in einer Box genauso groß wie das Brettspiel daher kommt (wenn auch etwas leichter), so versteht man nach dem Öffnen, dass es sich nicht um ein klassisches Sammelkartenspiel handelt. Das kleine Spielbrett, Münzen, Machtmarker und die sogenannten Titelfiguren sorgen für eine tolle Ausstattung und rechtfertigen den zunächst hoch scheinenden Preis. Und auch das Spiel dahinter offenbart so vielfältige Mechanismen, Ideen und Spielfreude, dass es jeden Euro wert ist.
Auch hier ist die richtige Mischung aus Strategie und Taktik gelungen, gepaart mit ein paar Zufallselementen, die den Ablauf doch wieder etwas ändern können. Dabei wird das eigene Handeln stark durch die Handlungen der anderen Spieler beeinflusst. Sowohl deren Strategiekarten, die Auswahl des Startspielers (und damit für einen selbst die wichtige Entscheidung, wann man an die Reihe kommt und Titel auswählen und in der Herausforderungsphase andere Spieler angreifen darf) oder die direkten Aktionen der anderen Spieler haben Einfluss auf den eigenen Plan. Wie im Brettspiel variiert auch hier jede Runde, wer Startspieler sein wird. Auch hier ist es notwendig oder besser, nicht als Erster, sondern vielleicht sogar als Letzter an die Reihe zu kommen, um bestimmte Aktionen besser setzen zu können oder sich Reserven offen zu halten, die man sonst vorher mit zu hohem Risiko ausgibt. Vor allem die Titelfiguren und deren Funktionen sowie die Strategiekarten gewinnen mit zunehmenden Runden und Spielerfahrung stark an Bedeutung und lassen einen noch mehr vorausplanen und Eventualitäten bedenken.
Die Karten selbst sind von sehr guter Qualität und oft sehr eng an die Romane angelegt. So gibt es bei den Starks die Schattenwölfe, sie können das Turnier der Hand ausrichten oder eine Flucht zur Mauer ist notwendig. Dazu sind die Starks eher schwach in der Herausforderung der Intrige, aber stark in militärischen Belangen. Die Baratheons beherrschen die Magie der roten Priesterin, haben recht viele Orte zur Auswahl und sind stark in der Herausforderung der Machtansprüche. Die Lannisters sind im Besitz mehrerer Goldminen, sehr stark in der Intrige und besitzen generell einige hinterhältige Aktionen. Die Targaryens schlussendlich können auf Drachen zurückgreifen, haben Hexenkünste und etliche mysteriöse Kräfte sowie Unterstützung aus den östlichen Ländern.
Dazu sind viele der bekannten Romancharaktere auf den Karten und im Spielprinzip verankert worden (nahezu alle häufiger auftauchenden Haupt- und Nebenfiguren der Romane). Als Nichtleser der Romane hindert einen das überhaupt nicht am Spielen, als Leser aber wird der Genuss und Wiedererkennungswert umso höher.
Die Anleitung ist leider an manchen Stellen etwas missverständlich und könnte besser aufgebaut sein. Auch die Test-Runde des Rezensenten, die aus erfahrenen Brettspielern bestand, musste mehrfach nachlesen und nachschlagen, um einige Regeln speziell für die erste Runde zu verstehen. Auch bei einigen Karten bestehen naturgemäß Unklarheiten, die bisher nicht geklärt werden konnten. Leider liegt vom Verlag noch nicht die deutsche Übersetzung der FAQ vor, aber es besteht zumindest die Möglichkeit, im Forum Fragen zu stellen.
Fazit: Wie schon die Brettspielvariante ein tolles, spannendes und komplexes Spiel, was unzählige Varianten und Spielausgänge ermöglicht. Die Ausstattung ist sehr gut und hochwertig, der Spielspaß lange garantiert, selbst solange noch nicht die Erweiterungen erschienen sind. Dazu eine enge Anlehnung an die Romane und Hintergrundwelt, was dafür sorgt, dass sowohl Buchleser, als auch Nichtkenner eine Menge Spaß haben können!
Game of Thrones: Der Eiserne Thron - Das Kartenspiel
Kartenspiel für 2 bis 4 Spieler
Nate French (Leitender Spieldesigner)
Heidelberger Spieleverlag 2011
EAN: 4015566011830
220 Karten, 1 Spielbrett, 60 Machtmarker, 44 Goldstücke, 6 Titelfiguren
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