Fringe 1: Der Anfang

Was einst „Akte X“, ist im neuen Millennium „Fringe“ vom ausgerufenen TV-Serien- und Kino-Genie J.J. Abrams, dem Buddy-Holly-Lookalike unter Hollywoods Filmemachern. Aus „Die unheimlichen Fälle des FBI“ wurden „Grenzfälle des FBI“. Wenig originell, aber genauso geheimnisvoll, genauso erfolgreich. Und genauso wenig um breites Merchandising beschämt. Also gibt es auch Comics zur neuen alten Mystery-TV-Serie. In Deutschland erscheinen diese in Sammelbändern von Panini Comics.

von Simon Ofenloch

 

Schon Chris Carters „Akte X“ hat das Rad nicht neu erfunden. Vorausgegangen waren einflussreiche Mystery-Fernsehserien wie „The Twilight Zone“, „Night Gallery“, „Amazing Stories“, „Tales from the Darkside“, „The Outer Limits“, „One Step Beyond“ oder auch „Twin Peaks“. Zu den geistigen Vätern zählte zweifelsohne Rod Serling. Zum großen Handlungsbogen dienten bei „Akte X“ Außerirdische, bei „Fringe“, dem Mystery-TV-Reboot im neuen Millennium, wurde auf das wissenschaftliche Konzept von Paralleluniversen zurückgegriffen, wie es zuvor auch schon Thema der erfolgreichen, langlebigen TV-Serie „Sliders – Das Tor in eine fremde Dimension“ war.

Im Zentrum von „Fringe“ steht eine in Boston, Massachusetts angesiedelte Sonderabteilung des FBI, die sogenannte „Fringe Division“, deren Spezialgebiet übernatürliche Phänomene sind. Die Mitglieder dieser Abteilung bekommen es mit Fällen zu tun, deren Umstände über den Erfahrungshorizont der modernen Wissenschaft hinausgehen und den „Grenzwissenschaften“ zuzuordnen sind. Im weiteren Verlauf der Serie wird allmählich deutlich, dass der Grund für viele dieser rätselhaften Geschehnisse Konflikte mit mindestens einem Paralleluniversum sind.

Hauptfiguren der Handlung sind die FBI-Agentin Olivia Dunham, die unter der Leitung des undurchsichtigen Phillip Broyles arbeitet, der verschrobene, exzentrische Wissenschaftler Dr. Walter Bishop und dessen erwachsener Sohn Peter. Eine bedeutende Rolle spielt überdies das New Yorker Unternehmen Massive Dynamic, gegründet von Dr. William Bell.

Die Forscher Walter Bishop und William Bell sowie ihre wissenschaftlichen Arbeiten in der Vergangenheit stehen wohl am Anfang von allem, was „Fringe“ ist. So wundert es nicht, dass diese beiden im Mittelpunkt von Geschichten eines Comicbandes stehen, der den Titel „Der Anfang“ trägt.

Der Sammelband präsentiert elf Episoden, sechs davon bilden eine Einheit unter dem Haupttitel „Bell und Bishop“. Um die Vorgeschichte zur TV-Serie soll es dabei gehen, um die erste Bekanntschaft zwischen dem jungen aufstrebenden Wissenschaftler Walter Bishop und dem hochintelligenten Harvard-Studenten William Bell. Gemeinsam führen sie ausgefallene Forschungen und Experimente durch, ohne an mögliche gefährliche Folgen zu denken.

Eines Tages taucht ein geheimnisvoller Mann in ihrem Labor auf und überredet sie zu einem Trip nach Alaska, wo ebenfalls an Grenzwissenschaften geforscht wird, allerdings in einem viel größerem Maßstab und mit ganz anderer finanzieller Ausstattung. Und absolut skrupellos, wie Bell und Bishop bald erfahren müssen. In der winterlichen Einöde werden Forschungsergebnisse über das Leben von Wissenschaftlern gestellt.

Experimente zur Teleportation gipfeln schließlich in einer Reise von Bell und Bishop nicht nur an einen anderen Ort sondern auch in eine andere Zeit, in jene des untergehenden Dritten Reiches, gegen Ende des Zweiten Weltkrieges. Dort müssen die beiden Wissenschaftler nicht nur den Nazis entkommen, sondern auch noch verhindern, dass sich Adolf Hitler nach seinem fingierten Selbstmord im Führerbunker aus jeder Verantwortung stehlen kann.

Zusätzlich zu dieser Hauptgeschichte enthält der Sammelband „Der Anfang“ noch fünf weitere Kurzgeschichten, so betitelte „Geschichten aus der Grenzwelt“. Diese zeigen ganz unterschiedliche Szenarien, wundersame Erlebnisse von nur scheinbar gewöhnlichen Menschen. Diese Bildergeschichten muten wie denkbare Fallakten der „Fringe Division“ an. Die üblichen Hauptfiguren der TV-Serie tauchen dabei nicht auf, allerdings werden die Handlungen durch gelegentliche Hinweise auf das Unternehmen Massive Dynamic klar im „Fringe“-Kosmos verortet.

Die Werbetexte auf dem Einband des Comicsammelbandes sind um Superlative nicht verlegen. Auf der Rückseite heißt es: „Dieser Band enthält unverzichtbares Hintergrundwissen für jeden Fan der Mystery-TV-Serie.“ Ah ja, na dann ...

Ein besonderer Anspruch an Sorgfalt scheint bei der Erstellung der Bildgeschichten zumindest nicht an erster Stelle gestanden zu haben: Sowohl die „Bell und Bishop“-Episoden wie auch die anschließenden Kurzgeschichten zeichnen sich durch immer wieder auftretende kleine Ungenauigkeiten und Handlungssprünge aus, was auch daran liegen mag, dass wechselnde Autoren am Werk waren. Auffallend ist zudem, dass unter diesen die geistigen Väter der TV-Serie, J.J. Abrams, Alex Kurtzman und Roberto Orci, gar nicht vertreten sind – obgleich ihre Namen auf dem Cover prominent ausgestellt sind. In einem Vorwort treten Kurtzman und Orci hingegen in Erscheinung, was vermuten lässt, dass sie die Comichandlungen wenn schon nicht selbst verantwortet, dann doch zumindest abgesegnet haben. Für die eher gewöhnlichen, selten besonders gelungenen Zeichnungen ist hauptsächlich eine Person zuständig gewesen: Tom Mandrake. Dunkle Kolorierungen und Schatten dominieren seine Bilder – was gut zu den Handlungen passt. Die Nazi-Hakenkreuze in den „Bell und Bishop“-Episoden hat man verfremdet. Eine der Kurzgeschichten, „Der Gefangene“, ist von einem anderen Künstler gezeichnet worden, Simon Coleby. Man ist versucht festzuhalten, dass er bessere Arbeit geleistet hat.

Am Ende des Sammelbandes findet sich noch ein Gimmick: ein interessantester Artikel zum „Fringe-Code“. Hier werden Hinweise geliefert, wie die in der TV-Serie immer wieder eingeblendeten bläulichen Zwischenbilder zu entschlüsseln sind.

Fazit: Wie es schon in einem Zitat aus „The Examiner“ auf der Rückseite des Einbandes steht: „Wem die TV-Serie gefällt, der wird den Comic lieben.“ Für alle anderen ist der Comic reichlich überflüssig. Zum Einstieg in die „Fringe“-Welt taugt er nicht besonders. Da lässt man sich lieber von den TV-Folgen einfangen.


Fringe 1: Der Anfang
Comic
Mike Johnson, Tom Mandrake u. a.
Panini Comics 2011
ISBN: 978-3-86201-150-6
148 S., Softcover, deutsch
Preis: EUR 16,95

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