Ex Machina 3: Fakt vs. Fiktion

Bürgermeister Mitchell Hundred – einst der Superheld „The Great Machine“ – muss einmal mehr erfahren, dass der Job eines Politikers und Ex-Helden in New York kein Zuckerschlecken ist. Im dritten Sammelband der gefeierten Comic-Reihe „Ex Machina“ von Brian K. Vaughan und Tony Harris hat er eine seltsame Begegnung mit einer Wahrsagerin, gerät als Geschworener vor Gericht in eine brutale Geiselnahme und muss sich anschließend einer unangenehmen Wahrheit seiner Vergangenheit stellen.

von Bernd Perplies

 

 

Die Episoden 11 bis 16 versammelt der dritte Softcover-Band, der dieser Tage bei Panini Comics auf Deutsch erschienen ist. Drei Geschichten aus dem Leben des Protagonisten Mitchell Hundred werden hierin erzählt.

In „Glückssache“ mimt Hundred den harten Stadtpolitiker, der ausgerechnet der Wahrsagerei den Kampf ansagt, den wie er meint, Scharlatanen, die den Leuten das Geld aus der Tasche ziehen. Im Folgenden trifft er dann auf eine Frau, die tatsächlich prophetische Kräfte haben könnte – doch wie jeder Kassandra vor ihr war es auch ihr nicht vergönnt, die große Katastrophe des 9/11 zu verhindern, die sich wie ein roter Faden durch Hundreds Leben und die gesamte Comic-Handlung zieht (was sich sieben Jahre später schon irritierend historisch anfühlt).

„Fakt vs. Fiktion“ ist mit drei Kapiteln das – auch titelgebende – Kernstück des Bandes. Zum einen verfällt Mitchell Hundred auf die fixe Idee, sich als Geschworener in einem Gerichtsverfahren zu melden, um mit gutem Beispiel den Bürgern von New York vorauszugehen. Dass er dabei mit einem verrückten Geiselnehmer an einem Tisch sitzen wird, hätte er sich allerdings sicher nicht ausmalen mögen. Zugleich taucht ein neuer maskierter Rächer auf, der nach eigener Aussage die Lücke schließen will, die „The Great Machine“ durch das Ablegen des Heldenanzugs ins Gefüge von Recht und Gesetz gerissen hat. Dabei kommt er nicht nur mit der Polizei in Konflikt, er weckt auch die Neugierde der alten Partner Mitchells, Kremlin und Bradbury.

Es ist eine kuriose Eigenheit im weiten Feld der Superhelden-Comics, dass selbst ernannte, maskierte Rächer hier tatsächlich mit den völlig entzauberten Augen normaler Bürger gesehen werden. Was wäre, wenn ein Kerl im Roboteranzug durch die Stadt fliegen würde und nach eigenem Ermessen entscheiden wollte, wer Rettung benötigt und wer bestraft werden muss? Natürlich würde sich ihm die Polizei auf die Fersen heften. Natürlich würde er – von falschen Vorstellungen ausgehend – Fehler machen. Natürlich würde man ihn irgendwie für einen Freak halten. Und so mögen seine Absichten hehr sein – oder verblendet durch den Konsum von Vierfarb-Comic-Heftchen –, am Ende trifft ihn doch die ganze Härte der Realität.

Die trifft auch Hundred, als er sich in den letzten beiden Kapiteln „In privater Mission“ auf die Suche nach seiner Mutter begibt, die ihn verließ, als er den Unfall hatte, der ihn zu „The Great Machine“ machte. Nun lebt sie in einem ramponierten Wohnwagen in der Wüste das kaputte Leben einer ehemaligen Politaktivistin (und Problem-Ehe-Frau), der alle Illusionen genommen wurden. Und für ihren Sohn, der sie natürlich mit nach New York nehmen will, hat sie erst einmal eine düstere Lektion in Sachen Lebenslügen auf Lager.

Es ist schon eine kaputte Welt, die Vaughan und Harris dem Leser in „Ex Machina“ präsentieren. Unschuldig ist hier niemand. Auf jedem lastet die Vergangenheit in der einen oder anderen Art und Weise. Nicht zuletzt „The Great Machine“, deren Wirken einmal mehr in Rückblenden in die Geschichte eingeflochten sind, kann ein Lied davon singen – in seinen Albträumen. So ist es mir diesmal wirklich schwer gefallen, mich auch nur für einen der Protagonisten zu erwärmen. Denn wenn sich selbst die „Helden“ der Geschichte und ihre Helfershelfer als mitunter egozentrische Blender und skrupellose Interessensbewahrer erweisen, werden einem auch die letzten naiven Vorstellungen, die man mit dem Superhelden-Genre im Allgemeinen verbindet, unter den Füßen weggezogen.

Der Charakter, dessen Motivation man vielleicht noch am ehesten nachvollziehen kann, ist der Kerl, der unter der Maske des neuen Rächers steckt. Seine Methoden sind zwar mit der Realität inkompatibel, doch wenigstens sind seine Absichten rein – womit er eine perfide Erinnerung der Autoren an all die Vigilanten der klassischen Comics darstellt, die meist ohne Rücksicht auf Verluste und ohne moralisches Dilemma ihren Segen der Menschheit aufdrängen.

Fazit: Sowohl optisch als auch inhaltlich folgen Vaughan und Harris auch im dritten Sammelband der „Ex Machina“-Reihe ihrem etablierten Konzept. Diesmal steht eine bunte Mischung an Konflikten auf dem Programm, die zum großen Teil „alltäglicher Natur“ sind – wer nach weltenzerstörenden Superschurken sucht, wird hier jedenfalls nicht fündig werden. Die Figur des Mitchell Hundred erhält einige neue Facetten (teilweise fast unsympathisch), und natürlich zieht sich nach wie vor ein kritischer Kommentar zum Thema Superheldentum durch die Seiten. Lesenswert (!) – wenn auch keine ausgesprochen schmissige Lektüre.


Ex Machina 3: Fakt vs. Fiktion
Comic
Brian K. Vaughan, Tony Harris
Panini Comics 2007
ISBN: 978-3-86607-544-3
148 S., Softcover, deutsch
Preis: EUR 16,95

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