Ex Machina 1: Die ersten Hundert Tage

Das Treiben so genannter Superhelden ist uns heutzutage so geläufig, dass wir kaum hinterfragen, was uns Blockbuster-Filme oder Comic-Reihen da eigentlich tatsächlich vorsetzen. Nur in Parodien, wie dem Animationsfilm „Die Unglaublichen“, wird mal thematisiert, was etwa für ein Kollateralschaden bei der Jagd nach Superschurken entsteht, und dort soll es natürlich ein Gag sein. Von einem, der Superkräfte fand, damit aber nicht glücklich wurde, erzählt „Ex Machina“.

von Bernd Perplies

 

 

Autor Brian K. Vaughan dürfte Comic-Kennern vor allem durch seine abgefahrene „Y: The Last Man“-Reihe bekannt sein, die von einer Katastrophe erzählt, bei der alle männlichen Exemplare der Spezies Mensch ums Leben kommen – bis auf einen, der dann irgendwie in einer Welt der Frauen überleben muss. Zumindest die Wachowski-Brüder liebten Vaughan für diese Reihe – behaupten sie wenigstens im Vorwort von „Ex Machina“. Diese Liebe erfuhr allerdings einen Dämpfer, als der Autor dann mit dem vorliegenden Comic auf den Markt kam, denn mit einer ähnlichen Verquickung von Superheldentum und Politik sollen wohl auch die „Matrix“-Macher schon geliebäugelt haben. Und was ärgert einen Kreativen schon mehr, als die eigene Idee von jemand anderem umgesetzt zu sehen – so genial diese Umsetzung zugegebenermaßen sein mag...

„Ex Machina“, das 2005 als beste neue Serie mit dem Eisner Award ausgezeichnet wurde (wie übrigens auch sein Schöpfer selbst in der Kategorie „Best Writer“), ist in der Tat ein besonderes Stück Superhelden-Unterhaltung. In zahlreichen Zeitsprüngen (vor und zurück, aber stets durch ein exaktes Datum eingeordnet) wird die Geschichte von Mitchell Hundred erzählt, der als Bauingenieur 1999 im New Yorker Hafen einen seltsamen Unfall erleidet, der ihm die bizarre Kraft verleiht, mit elektronischen und mechanischen Gegenständen zu sprechen und ihnen Befehle zu erteilen. So legt er im ersten Schock erst einmal ganz Manhattan lahm, später steuert auf diese Weise etwa Handys, Funkgeräte und halbautomatische Pistolen.

Mit Unterstützung des idealistischen, russischen Tüftlers Kremlin und dem Ex-Polizisten Bradbury wird er zu „The Great Machine“, dem ersten kostümierten Vigilanten überhaupt. Doch sein Treiben richtet fast mehr Schaden als Nutzen an. Die Zeitung hält ihn für einen Irren, die Polizei für einen gefährlichen Selbstjustizler. Und obwohl er am 11. September 2001 sich durch das Abfangen von United Airlines Flug 175, jener gekaperten Boeing 767, die in der Realität für die Zerstörung des Südturms des World Trade Centers verantwortlich war, einen Namen macht, hängt er bald darauf seinen Job an den Nagel, um als Bürgermeister von New York wirklich etwas zu bewirken (und nicht bloß immer den Status Quo zu erhalten).

Von den ersten Hundert Tagen im Amt, den politischen Verstrickungen, den vielen gegensätzlichen Interessen, die es zu versöhnen gilt, und dem ihn immer wieder heimsuchenden Gespenst seiner Superhelden-Vergangenheit erzählt dieser erste „Ex Machina“-Sammelband, der in Deutschland von Panini Comics in deren „Wildstorm Signature Series“ herausgebracht wurde und Heft #1 bis #5 der Reihe enthält.

Der Zeichenstil von Eisner-Award-Gewinner Tony Harris besticht durch eine comic-artige Adaption von Referenzfotos (Beispiele dieser Arbeitsweise werden im Anhang vorgeführt), was – obwohl die Panels natürlich rein gezeichnet sind – ein wenig an den Rotoskopie-Effekt von Filmen wie „A Scanner Darkly“ erinnert, bei dem auch reale Schauspieler „übermalt“ wurden, um das Gefühl eines Animationsfilms zu erzeugen. Die Farben sind überwiegend blass gehalten und bilden so eine Art Gegenpol zum grellen, überlebensgroßen Bunt vieler Superhelden-Comics. In „Ex Machina“ gibt es eben keine klaren, farblichen Zuordnungen, die Welt besteht eher aus indifferenten Grau- und Pastelltönen.

Diese Realismus suggerierende Technik untermalt passend eine Story, in der es ebensowenig ein wahres Gut und Böse zu geben scheint. Die Protagonisten sind alle irgendwie sehr normale Menschen, von dem oft überforderten und von seinem Amt und den zahlreichen Interessensgruppen genervten Mitchell Hundred, über die taffe Commissioner Angotti und die in ihren Boss verknallte Rathaus-Praktikantin Journal, bis hin zu Mitchells Stab, der ständig neue politische Querelen an den Besprechungstisch bringt. Es wird sehr viel diskutiert in „Ex Machina“ und dabei treten die Politiker ironischerweise meistens auf der Stelle. Diejenigen, die wirklich etwas in Gang setzen, sind die Ausgestoßenen, die Randfiguren, die (beide) auf ihre Weise Idealisten sind. Womit Brian K. Vaughan dann vielleicht doch wieder eine sehr subtile Liebeserklärung an maskierte Helden geschrieben hat?

Fazit: „Ex Machina“ ist ein Superhelden-Comic der etwas anderen Art. Autor Brian K. Vaughan versucht, das Gewerbe der maskierten Rächer mit realistischem Blick zu durchleuchten und präsentiert uns mit Mitchell Hundred einen Mann mit Superkräften, der sein kurzes Leben als „Held“ jedoch an den Nagel gehängt hat, um als Bürgermeister von New York wirklich etwas zu bewegen. Vom politischen Alltag überrollt und den Geistern der Vergangenheit verfolgt, muss Hundred irgendwie seinen Weg finden. Für Freunde „erwachsener“ Comic-Unterhaltung absolut lesenswert!

Ex Machina 1: Die ersten Hundert Tage
Comic
Brian K. Vaughan, Tony Harris
Panini Comics 2007
ISBN: 978-3-86607-361-6
136 S., Softcover, deutsch
Preis: EUR 14,95

bei paninicomics.de bestellen