Eve – The Second Genesis CCG

Im späten 24. Jahrhundert sollte sich die Welt für immer ändern. Nach der Entdeckung eines Wurmlochs breitete sich die Menschheit in eine weit entfernte Region des Universums aus, um diese zu kolonisieren. Millionen erlagen der Verlockung eines „Neuen Eden“, auf der Suche nach Reichtum und Glück. Doch plötzlich kollabierte das Wurmloch und die Siedler waren von der alten Heimstatt abgeschlossen. Eine dunkle Zeit brach an, ein Niedergang von Wissenschaft und Handel, Krieg brach aus. Aus der Asche erhoben sich vier Mächte, entschlossen, um die Vorherrschaft jenseits des Wurmlochs zu kämpfen.

von Michael Wilhelm

 

Und eine dieser vier Mächte gilt es, im soeben erschienenen Sammelkartenspiel zu einem der erfolgreichsten Science-Fiction-MMORPGs zu vertreten. Mit wahrhaftig ohrenbetäubendem Getöse auf der SPIEL in Essen erstmals in Deutschland vorgestellt, stellt das „Eve – The Second Genesis“-CCG die erste Exkursion ins Printmedium für die isländische Spieleschmide CCP dar, deren MMORPG „Eve“ weltweit für Furore sorgte. Als eines der wenigen Science-Fiction-MMORPGs überhaupt ist die besondere Eigenheit, dass CCP auf das „sharding“ verzichtet, also alle Spieler über einen Server in nur einer Version der Welt spielen lässt. Der technische Aufwand mag dadurch höher sein, aber die Spielwelt gewinnt an Tiefe und Authentizität, wenn der Anteil der Spielercharaktere an allen in der Welt agierenden Charakteren höher ist. Aktuell hat „Eve Online“ etwa 150.000 Abonnenten, kann sich also durchaus zu den ganz Großen zählen.

Grund genug für CCP, den Schritt in andere Medien zu wagen. Auch ein Pen-and-Paper-Rollenspiel ist geplant, was den reichhaltigen Hintergrund nur noch mehr bereichern dürfte. Nun liegt aber erst einmal das 240 Karten starke Grundset des Sammelkartenspieles vor. Eine zweite Expansion ist schon geplant und wird, vorausgesetzt das Grundset kann sich behaupten, nicht lange auf sich warten lassen. Das Sammelkartenspiel richtet sich dabei aber nicht nur an die Spieler des MMORPG, sondern alle Science-Fiction- und CCG-Fans. Mit einem interessanten und spannenden Spielmechanismus, absolut beeindruckenden Kartenillustrationen und einer abwechslungsreichen Hintergrundgeschichte zeiht es schnell in den Bann.

Mit einem 52 Karten starken Deck, genannt „Market“, ausgerüstet, wählt jeder Spieler eine „Home Region“ und drei „Outer Regions“. Die „Home Region“ ist spezifisch für die vom Spieler vertretene Fraktion, während die „Outer Regions“ universal von jeder Fraktion einsetzbar sind. Die „Home Regions“ sind im Gegensatz zu allen anderen Karten beidseitig bedruckt und können im Laufe des Spiels durch Bezahlen von ISK (der Spielwährung) aufgepeppt (und umgedreht) werden. Von jeder Heimatregion gibt es mehrere Versionen, die nach dem Aufpeppen unterschiedliche Vorteile gewähren. Die Vorderseite ist aber immer gleich, man lässt also den Gegner bis zum Umdrehen im Unklaren, welche Rückseite man benutzt und welche Strategie man dadurch verfolgt.

Das mindestens 52 Karten umfassende Deck besteht aus Raumschiffen, kurzfristigen Ereignissen, genannt „News“, „Starbase Structures“, welche die eigene Heimatbasis verstärken, und „Locations“, die sowohl an Heimatbasis als auch „Outer Regions“ angelegt werden können. Ziel des Spieles ist es, die gegnerische Heimatbasis zu zerstören. Alternativ hat man das Spiel verloren, wenn keine Karten mehr vom „Market“ nachgezogen werden können oder eine Karte eine alternative Siegbedingung verkündet.

Der Spielablauf richtet sich nach einer strikten Reihenfolge. Zu Beginn des Zuges erhält ein Spieler Geld in Form von ISK-Chips (diese liegen den Startern bei) für seine Heimatbasis und eventuell ausliegende „Outer Regions“, zieht neue Karten und legt dann Schiffe, News-Karten, „Locations“  und „Outer Regions“ aus. Interessant ist dabei, dass Schiffe nicht gleich automatisch vollständig ins Spiel kommen. Gerade die größeren haben eine Baudauer von manchmal mehreren Zügen, wobei sie für jeden um 90 Grad rotiert werden, bis sie dann schließlich das Dock verlassen und ins Spiel kommen. Selbst im Spiel angekommen, werden manche Schiffe noch rotiert, um anzuzeigen, dass sie patrouillieren, auf der Lauer liegen oder Bergbau betreiben. Auch manche News-Karten, die nicht nur einen einmaligen Effekt haben, werden rotiert, um ihre Dauer anzuzeigen.

In der folgenden „Battle Phase“ werden dann die eigenen Schiffe in gegnerische Regionen oder sogar die Heimatbasis befördert, um diese anzugreifen. Auch der Kampf läuft in geregelten Phasen ab, wobei gezielt einzelne Schiffe des Gegners angegriffen werden können. Verschiedene Schiffe haben natürlich Spezialfähigkeiten wie „Sensor Dampen“, „Warp Scramble“, „Ambush“ oder „Patrol“, die alle auf die eine oder andere Weise das Kampfgeschehen beeinflussen können. Für ein lediglich 240 Karten umfassendes Grundset ist da also schon eine ganze Menge taktischer Tiefgang vorhanden. Sind keine Verteidiger mehr in der gegnerischen Heimatregion, greift man die Heimatbasis direkt an und sobald der Schaden deren Verteidigungswert übersteigt, ist das Spiel vorbei.

„Eve – The Second Genesis“ liegt in Form zweier vorgefertigter Starterkits vor mit je zwei mal 55 Karten. „The Great War“ enthält die Decks zu den militaristischen Caldari und den weltoffenen, geradezu demokratisch angehauchten Gallente. Das Amarr Imperium und die Stammesgesellschaft der Minmatar finden sich im „The Day of Darkness“-Starter. Außerdem gibt es 15 Karten enthaltende Booster, mit 10 Commons, 3 Uncommons, 1 Rare und 1 „Home Region“ oder „Outer Region“. In etwa jedem zweiten Booster finden sich außerdem Foil-Premium-Karten. Die Kartenillustrationen sind zum Teil Screenshots aus dem Spiel, gerade auf Raumschiff- oder Regionen-Karten, während die andere Hälfte Originalillustrationen sind. Durchweg ist das Bildmaterial hervorragend und trägt mit vorherrschenden Braun- und Grautönen sowie viel Schwarz auf hervorragende Weise zur düsteren Endzeit-Atmosphäre des Spiels bei.

Fazit: Das Gameplay erinnert stellenweise an das „alte“ „Star Wars“-CCG aus dem Hause Decipher, was ja auf jeden Fall ein Kompliment ist, da bisher nur wenige Sammelkartenspiele auch nur annähernd die Komplexität und Vielfalt dieses Klassikers erreichten. „Eve – The Second Genesis“ hat das Zeug dazu, ein Klassiker zu werden, fragt sich nur, ob das MMORPG populär genug ist, um ausreichend Spieler zu interessieren und binden zu können. Gegönnt sei es den Isländern und ihrem Spiel allemal.


Eve – The Second Genesis
Sammelkartenspiel-Grundset
Pétur Örn Þórarinsson u. a.
CCP 2006
ISBN: n.a.
240 Karten, englisch
Preis: $ 19,99 (110 Card Starter-Kit) / $ 3,20 (Booster)

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