Euphrat & Trigris

Im fruchtbaren Zweistromland zwischen Euphrat und Tigris liegt die Wiege der menschlichen Zivilisation. Bis zu vier Dynastien kämpfen um die Kontrolle über die pulsierendste Kultur. Es werden Städte und Tempel gebaut, um die Vorherrschaft zu sichern. Doch auch bewaffnete Konflikte mit den Nachbarn können die Machtstrukturen verändern.

von Krissy Rasmussen & Chris Sesterhenn

 

Hintergrund:

„Euphrat & Tigris“ von Reiner Knizia hat schon zehn (erfolgreiche) Jahre auf dem Buckel. Schon 1998 erhielt es den renommierten Deutschen Spielepreis und schaffte es auf die Auswahlliste zum „Spiel des Jahres“. Zum 10-jährigen Jubiläum präsentiert Pegasus Spiele eine zweite Auflage mit überarbeiteter Aufmachung, zweitem Spielplan und neuen Spielvarianten.

Erster Eindruck:


Und dieses Spiel kam bei uns an. Mit 37 cm x 27 cm x 7 cm Umfang und reichlich Gewicht übertrifft „Euphrat & Tigris“ deutlich unsere letzten Spiele. Die Box macht einen soliden Eindruck und die Zeichnung erlaubt einen Blick auf das Zweistromland. Ein erster Pluspunkt: Die Verzierungen und Details passen hervorragend zum Spielhintergrund und ergeben ein stimmungsvolles Ganzes. „Euphrat & Tigris“ ist vorgesehen für 2 bis 4 Spieler ab 12 Jahre und soll eine durchschnittliche Spieldauer von 60 bis 120 Minuten haben.

In der Box erwartet uns die Fortsetzung des stimmungsvollen Designs. Das Spielbrett muss auseinandergeklappt werden und hält neben dem „alten“ auch einen neuen Spielplan auf der Rückseite parat. Durch die Dicke des Spielbretts liegt dieses geradezu vorbildlich flach auf. Das kennen wir leider auch anders. Daher: ein weiterer Pluspunkt.

Das weitere Spielmaterial besteht unter anderem aus über 160 Spielmarken aus Pappe, welche zuerst einmal aus den vorgestanzten Bögen getrennt werden müssen. Keine anspruchsvolle Aufgabe, da die Bögen gut vorbereitet sind. Das Design der Spielmarken greift das Thema des Spiels ebenfalls sehr stimmungsvoll auf. Ebenfalls sehr erfreulich ist der Aufbewahrungsbeutel für die Spielmarken.

Eine Überraschung sind die Spielsteine. Ob Gebäude, Monumente oder auch Siegpunkte – die Spielsteine sind aus Holz, teilweise farbig oder bedruckt. Kein schlichtes Plastik – ein weiterer Pluspunkt.

Die Sichtschirme für die bis zu vier Spieler fassen kurz die wichtigen Regelpunkte „Interner Konflikt“, „Zug-Reihenfolge“ und „Externer Konflikt“ zusammen. Diese Übersicht für jeden Spieler wird noch durch das bereitgestellte Blatt mit den Kurzspielregeln ergänzt. Dieses gibt stichpunktartig die Regeln wieder und referenziert dabei auch gleich noch die jeweilige Seite in den Spielregeln. Für uns noch ein Pluspunkt.

Damit kommen wir zu den präsentierten Spielregeln. Diese werden auf zwölf Seiten ausführlich erläutert. Wie auch bei den anderen Komponenten wird hier wieder das übliche Design aufgegriffen. Sehr angenehm sind die gewählte Schriftgröße und der Abstand zwischen den einzelnen Absätzen. In Verbindung mit der guten Strukturierung wird die Orientierung innerhalb der Spielregeln klar erleichtert. Eine weitere Hilfestellung sind die zahlreichen Abbildungen, welche noch einmal die Umsetzung der beschriebenen Regeln verdeutlichen. Zusätzlich werden auch noch wichtige Punkte farblich im Text hervorgehoben.

Das erste Spiel:


Schon beim ersten Lesen der Spielregeln zeichnet sich ab, dass die Regeln zwar nicht sehr kompliziert sind, aber durch ihre Komplexität Praxiserfahrung erforderlich ist. Daher greifen wir zu einem bewerten Mittel: ein „offenes“ Spiel, um gemeinsam die Möglichkeiten des Spiels zu erproben.

Für diese erste Runde sind wir nur zu zweit. Wir entscheiden uns für den klassischen Spielplan, wählen unsere Dynastie und platzieren die Marken gemäß Anleitung auf dem Spielplan. Die restlichen Spielmarken wandern in den Beutel beziehungsweise werden mit den anderen Teilen neben dem Spielbrett platziert. Nach dem Verteilen beziehungsweise Ziehen der ersten Spielmarken kann es losgehen. Das Ziel des Spiels ist es, die eigene Dynastie in den Bereichen Bevölkerung, Tempel, Landwirtschaft und Markt möglichst gleichmäßig zu entwickeln. Um das Spiel zu gewinnen, muss man in seinem schwächsten Bereich mehr Siegpunkte haben als seine Mitspieler in ihrem jeweils schwächsten Bereich. Klingt erst einmal verwirrend, ist aber schon ein sehr interessanter Ansatz.

Der am Zug befindliche Spieler kann zwei der folgenden vier Aktionen ausführen:
1. einen seiner vier Anführer verschieben, zurückziehen oder auslegen
2. eine seiner sechs Zivilisations-Marken legen und einen Siegpunkt vergeben
3. eine seiner zwei Katastrophen-Marken legen
4. bis zu sechs Marken austauschen

Durch das Setzen der Marken ergeben sich Gebiete auf dem Spielplan, welche durch gesetzte Anführer zu Königreichen werden. Durch das Setzen einer Zivilisations-Marke können Siegpunkte vergeben werden, welche für das Spielziel von Bedeutung sind. Interessant wird es nach der Ausführung der jeweils gewählten Aktion. Unter Umständen kann eines der folgenden Ereignisse eintreten:
1. Interner/Tempel-Konflikt
2. Externer/Anhänger-Konflikt
3. Monument bauen
4. Schätze vergeben

Insbesondere bei den Ereignissen mussten wir feststellen, dass nur das Lesen der Regeln für uns nicht ausgereicht hat. Das Ausprobieren auf dem Spielbrett sorgte für einige Aha-Effekte. So war beispielsweise klar, was einen Konflikt auslöst, aber erst die Umsetzung im Spiel zeigte, wie sich die Konstellationen auf den Ausgang des Konflikts auswirken. Doch auch hier zeigte sich, dass wir schon nach wenigen Ereignis-Durchläufen immer stärker auf das Nachschlagen in den Regeln verzichten konnten. Für das Spielende brauchten wir die Regeln dann doch noch einmal, da wir die Siegbedingungen mit dem Vergleich der schwächsten Bereiche nicht auf Anhieb parat hatten. Aber auch dieses Prinzip ist nach dem ersten Durchlauf wesentlich klarer.

Weitere Spiele:

Trotz einiger Befürchtungen, das Regelwerk ständig konsultieren zu müssen, verliefen die nächsten Spiele erstaunlich rund. Von diesen Erfolgen ermutigt wagten wir uns an die Regeln des Ausbauspiels und verwendeten zur Abwechslung auch einmal den alternativen Spielplan. Auch hier galt: schon wenig Übung bringt deutliche Fortschritte.

Spiel zu viert:

Es ergab sich für uns die Gelegenheit, „Euphrat & Tigris“ mit voller Spielerzahl zu testen. Wir wählten erneut den Ansatz „Sprung ins kalte Wasser“ und begannen direkt mit einem offenen Spiel auf dem klassischen Spielplan. Die ersten Erfolge stellten sich sehr schnell ein und wir konnten die erste „ernste“ Runde mit vier Spielern beginnen. Im Vergleich zu den vorangegangenen Spielen zu zweit nahm aus unserer Sicht der Strategie-Faktor für das eigene Spiel ab. Im Gegenzug nahmen aber die „Unvorhersagbarkeit“ und damit der Faktor „Glück“ deutlich zu.

Für wen lohnt sich das Spiel?

„Euphrat & Tigris“ ist ein sehr strategisches Spiel, welches nur durch das Ziehen der Marken einen eher geringen Glücksfaktor aufweist. Das Spielprinzip ist gewöhnungsbedürftig, aber durch etwas Praxiserfahrung schnell zu erlernen. Aber genau diese Bereitschaft, die notwendigen Erfahrungen zu sammeln, ist ein Knackpunkt. „Euphrat & Tigris“ kann beziehungsweise sollte nicht mal eben schnell gespielt werden. Wer indes an strategischen Spielen Interesse hat und bereit ist, sich auf das Spiel einzulassen, der wird bei „Euphrat & Tigris“ mit einem rundum gelungenen Spiel und viel Spielspaß belohnt.

Fazit: Mit „Euphrat & Tigris“ legt Pegasus Spiele ein erfolgreiches Brettspiel von Reiner Knizia erneut auf. Angefangen beim Design über das Spielmaterial bis hin zu den Ergänzungen ist „Euphrat & Tigris“ rundum stimmig. Wir können das Spiel allen Strategie-Fans nur empfehlen. Ein Probespiel sollte man sich auf keinen Fall entgehen lassen. Wir freuen uns schon auf die nächste Ausgabe – hoffentlich nicht erst 2022 zum 25. Jubiläum.


Euphrat und Tigris
Brettspiel
Reiner Knizia
Pegasus Spiele 2007
ISBN: 978-3-937826-98-1
2-4 Spieler, ab 12 Jahre, 60-120 min., deutsch
Preis: EUR 39,95

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