Dungeons & Dragons Fantasy Roleplaying Game Starter Set (v.4.0 Essentials)

Vor rund dreißig Jahren ging es mit dem Hobby Rollenspiel so richtig los. Ende der 1970er erschien „Advanced Dungeons & Dragons“ und „Magira“ (später „Midgard“), Anfang der 1980er „Das schwarze Auge“ und das „Warhammer Fantasy“-Rollenspiel (um nur ein paar zu nennen). In den letzten Jahren merkt man nun verstärkt, dass die Macher von einst sich um die Überalterung ihres Hobbys sorgen. Einsteigerspiele, denen die Regellastigkeit der klassischen Systeme abgeht, sprießen auf dem Markt. Nun unternimmt auch das Urgestein „Dungeons & Dragons“, das schon immer ein System für Charakterbastler und Powergamer war, mit seiner „Essentials“-Reihe den Versuch, junge Spieler zu gewinnen. Das Produkt zum Anfüttern ist das „Starter Set“.

von Frank Stein

Das „Dungeons & Dragons Fantasy Roleplaying Game Starter Set“, wie es in barocker Vollständigkeit heißt, besteht aus einer roten Pappbox mit weißer Schrift und einer Illustration von Fantasy-Legende Larry Elmore. Dass das Ganze den Vintage-Charme der 1980er verströmt, ist kein Zufall. Das Design wurde dem 1983 „Basic Set“ von TSR entlehnt und soll Spieler vermutlich an die gute alte „D&D“-Zeit erinnern, was insofern Unsinn ist, als dass die Spieler, die durch dieses „Starter Set“ angesprochen werden sollen, damals noch gar nicht lebten. Aber nun gut.

Im Inneren der Box, die vollmundig von sich behauptet, alles zu enthalten, was man benötigt, um in das Hobby „Dungeons & Dragons“ einzusteigen, befindet sich folgender Inhalt: ein 32-seitiges „Player’s Book“, ein 64-seitiges „Dungeon Master’s Book“, ein doppelseitig bedruckter Spielplan, ein Bogen mit Helden- und Monstermarken, vier leere Charakterbögen, sieben Bögen mit jeweils neun ausstanzbaren Power Cards, neun Würfel, eine Produktübersicht der „Essentials“-Reihe und ein Gutschein für ein Abenteuer zum Download auf DungeonsandDragons.com. Das klingt erstmal durchaus achtbar und sollte Spieler – so zumindest lautet die Absicht – von Level 1 bis Level 3 beschäftigen. Doch schauen wir etwas näher hin.

Über das Zubehör muss man nicht viel sagen. Die Würfel sind schlicht schwarz, sie rollen und sie zeigen Zahlen an. Der doppelseitige Spielplan ist auf der einen Seite zweigeteilt und zeigt eine Kreuzung in der Wildnis und den Eingang zu einer Höhle, auf der anderen Seite befindet sich ein klassisches (das heißt vollkommen unlogisch aus willkürlich verbundenen Gängen und Räumen bestehendes) Dungeon. Die Grafik entspricht dem Standard, den man von den „D&D“-Karten kennt. Die einseitigen Charakterbögen sind schlicht und funktional und müffeln ziemlich nach Chemie. Die Power Cards sind eine bunte Sammlung an „At Will“-, „Encounter“- und „Daily“-Powers sowie dazu einigen „Magic Items“ für die verschiedenen Basis-Klassen (Fighter, Wizard, Cleric, Rogue). Der Kartentext entspricht im Wesentlichen den separat erhältlichen „Power Cards“, wurde aber ein wenig umformuliert und zum Teil gekürzt. Die Qualität ist natürlich nicht vergleichbar, denn die hier erhältlichen 63 Karten bestehen nur aus dünner Pappe.

Sehr gut gefallen mir die Helden- und Monstermarken. Gerade für Spieler, die wirklich einsteigen wollen und noch keine passenden „D&D“-Plastikminiaturen ihr Eigen nennen (die mittlerweile auch gar nicht mehr so einfach zu kriegen sind), findet sich hier alles, was man für erste Abenteuer braucht. Die Illustrationen der Helden und Monster sind sehr ahnsehnlich, und erfreulicherweise wurden auf Vorder- und Rückseite der Marken unterschiedliche Monster abgedruckt, sodass man ein wenig Auswahl in der Art seiner Gegner hat. Insgesamt handelt es sich um 12 Helden, 5 Action Points, 3 (also 6) Obermonster und 11 (also 22) normale Monstertypen, wobei diese jeweils mehrfach vorhanden sind, um Monstergruppen darzustellen – insgesamt gibt es 36 (also 72) normale Marken.

Das „Player’s Book“ macht gleich in der Einleitung klar, an wen sich „D&D“ wenden will: Spieler von „Neverwinter Nights“, „Final Fantasy“ und „World of Warcraft“. Es geht also nicht um Ensemblespiel, große Gefühle und Charaktertiefe, sondern um das Töten von Monstern, das Sammeln von Schätzen und das wohlfeile Aufrüsten des eigenen Charakters. Manch gestandenen Rollenspieler mag hier das kalte Grauen überkommen, als Einstieg halte ich diese Herangehensweise für durchaus legitim – und wenn es neue Spieler vom PC weglockt an den Wohnzimmertisch, umso besser! Das Buch ist komplett als Soloabenteuer angelegt, in dessen Verlauf ein Spieler nicht nur die grundlegenden Mechanismen lernen, sondern auch seinen Charakter entwickeln soll.

Das funktioniert zwar in der Tat, ist aber nicht sonderlich komfortabel, und für „D&D“-Ungeübte werden die Informationen auch etwas zu verwirrend präsentiert. Meinen Constitution-Wert, meine Healing Surges und meinen Waffenschaden musste ich mir jedenfalls durch gesondertes Blättern aus Stellen, die ich nicht gespielt hatte, herleiten. Außerdem hatte ich später auf einmal Powers, die mir vorher nicht verliehen worden waren (offenbar ein Druckfehler). Wäre ich zwölf Jahre alt und würde „D&D“ nicht kennen, wären Fehler vorprogrammiert. Eine gradlinige, einfache Schritt-für-Schritt-Charakterentwicklung wäre besser gewesen. Mit einem dergestalt gebauten Charakter hätte man dann immer noch ein Solo-Abenteuer im zweiten Teil des Buches spielen können, um die grundlegenden Spielmechanismen (also den Kampf und den Einsatz von Fertigkeiten) zu erlernen. Aber gut: Es hat nicht sollen sein.

Das „Dungeon Master’s Book“ schließlich ist als Einführung in die Mechanismen von „D&D“ selbst gedacht. Nach ein paar einleitenden Worten geht es gleich mit dem wichtigsten Spielelement von „D&D 4.0“ los: Encounters. Anhand eines Beispielüberfalls zweier Goblins und zweier Wölfe auf einer Kreuzung wird der typische Aufbau eines „D&D“-Encounters erklärt. Anschließend folgen ein paar hilfreiche Worte zum Thema Spielleiten. Die klassischen Kampfregeln (Verlauf einer Kampfrunde, Bewegung, Angriffsarten, etc.) werden auf den nächsten vier Seiten abgehandelt, ergänzt um einige Anmerkungen zur Heilung. Von Seite 20 bis 38 erstreckt sich ein erstes Gruppenabenteuer („The Twisting Halls“), das an das Soloabenteuer aus dem „Player’s Book“ anschließt und die Charaktere beim Erforschen eines typischen Dungeons von Level 1 auf Level 2 bringen. Das Buch verfügt über Informationen bis zum Aufstieg zu Level 3, danach wird man auf die weiterführenden „Essentials“-Produkt verwiesen.

Die sechs Folgeseiten umreißen für den angehenden Spielleiter, wie man (schlichte) Abenteuer entwirft, Hier darf niemand komplexe Intrigenspiele und Charakterstücke erwarten. Beschrieben wird im Grunde das klassische Schema: Auftraggeber braucht Schlüsselobjekt oder -information, Charaktere ziehen los, bekämpfen Monster, erhalten Schlüsselobjekt oder -information und haben damit gewonnen. Typisch „D&D“ halt – und für junge Rollenspieleinsteiger auch durchaus hinreichend. Das Entwerfen eines Encounters wird durch einfache Rechnungen und Zahlentabellen erleichtert.

Auf den Seiten 46 bis 59 findet sich ein kleines Monsterkompendium. Typische Monster wie Drachen, Goblins, Kobolde, Orks, Ratten und Skelette werden hier kurz und mit allen relevanten Werten vorgestellt. Allerdings fehlen ärgerlicherweise Erklärungen für Sondersinne wie „Dark Vision“, „Blindsight“ oder „Tremorsense“. Den Abschluss bilden ein kurzer Abriss zum Thema „Rewards“ sowie die zweiseitige, minimalistische Beschreibung einer Region, die als Schauplatz erster Abenteuer dienen kann, allerdings noch viel Arbeit vom Spielleiter erfordern. Auf der letzten Seite befindet sich ein Merkblatt mit „Conditions“ und ein paar Tabellen. Leider fehlen sowohl ein Inhaltsverzeichnis, als auch ein Index, angesichts der Dünne des Buches ist dies jedoch zu verschmerzen.

Die beiden Bücher bilden in der Tat einen Einstieg in „D&D“, aber einen sehr rudimentären. Viele Regeln, die man dann vielleicht doch gerne genauer wüsste, werden nur angerissen, gerade das Thema „Powers“ wird sträflich vernachlässigt, und die Informationen zur Spielwelt sind fast knapper gehalten, als in der Einleitung eines Fantasy-Brettspiel wie „Runebound“. Spieler mit viel Fantasie, die gerne eigene Welten entwerfen und für ihre Abenteuer nur ein überschaubares Regelset benötigen, können mit der Box problemlos durchstarten (auch wenn der Erwerb der Zusatzbücher rasch nötig wird, um weiterzuspielen). Wer jedoch gerne etwas fester an die Hand genommen wird, sollte lieber ein echtes Campaign Setting dazu erwerben – oder gleich zu einem System wechseln, das mehr Wert auf einen stimmigen Weltenentwurf legt, als das doch sehr offene Universal-Fantasy-Regelwerk „D&D“.

Fazit: Das „Dungeons & Dragons Fantasy Roleplaying Game Starter Set“ ist sicher eine zweischneidige Angelegenheit. Für „D&D“-Veteranen ist es – genau wie die ganze „Essentials“-Reihe – sicher nichts, denn wirklich Neues wird nicht geboten. Stattdessen findet man alte „D&D 4.0“-Regeln, neu präsentiert und durch Errata aktualisiert. Neueinsteiger sind hiermit durchaus gut bedient, sollten sich aber überlegen, ob sie mit einer abgespeckten „D&D“-Version beginnen wollen oder nicht lieber gleich „in die Vollen“ gehen. (Zumal das Set bei uns in Deutschland auch kaum für 12-Jährige geeignet ist, denn es liegt nur auf Englisch vor.) Am Besten eignet sich die Box zweifellos für Casual Gamer, die gerne mal ein paar Abende in „D&D“ hineinschnuppern wollen und dafür keine teuren, schweren Regelwerke erwerben und wälzen möchten. Diese finden hier wirklich alles, um gepflegt der ganz klassischen Monsterhatz und dem Dungeoncrawl nachzugehen. Zum Schnäppchenpreis von gegenwärtig etwa 15 Euro lohnt sich diese Box hierfür durchaus. (Dafür bekommt man heutzutage kaum eine Kinokarte …) Man sollte allerdings nicht zu viel davon erwarten!


Dungeons & Dragons Fantasy Roleplaying Game Starter Set
Grundregelwerk
James Watt, Jeremy Crawford, Mike Mearls u.a.
Wizards of the Coast 2010
ISBN: 978-0786956296
Box mit 2 Regelheften, Spielplan, Monster- und Heldenmarken, Charakterbögen, Power-Cards, Würfeln / englisch
Preis: $ 19,99

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