DSA 134: Tagrichter

Adara, die Dienerin des Diebesgottes Phex, sowie ihre Begleiter, den Magier Faisal und den Phex-Novizen Ragnar, verschlägt es nach Elenvina, in die strenggläubige Hochburg der Praioskirche und Sitz des Herzogs der Nordmarken. Durch unglückliche Zufälle werden sie in die Geschehnisse und Konflikte der Stadt verwickelt, innerhalb derer die Befreiung eines nicht ganz freiwilligen Dämonenpaktierers, die Machenschaften der Bannstrahler und die Unterwanderung der Geweihtenschaft nur die Spitze des Eisbergs darstellen.

von Henning Mützlitz

 

Inhalt

Adara, Faisal und Ragnar sind gerade den erschreckenden Vorfällen in Kyndoch entronnen („DSA“-Roman 118: „Nachtrichter“) und wollen sich in Elenvina eigentlich nur ausruhen. Vor allem Adara ist noch sehr geschwächt vom Kampf gegen die erzdämonischen Umtriebe. Sie quartieren sich im örtlichen Phex-Tempel ein, dessen Oberhaupt Phejanca Wirt eine alte Freundin von Adara ist.

Doch Ruhe und Erholung sind nur von kurzer Dauer. Als Faisal – als Schwarzmagier in Elenvina ohnehin nicht gut gelitten – den Sohn eines novadischen Händlers vor einem tollwütigen Hund rettet und dabei Magie einsetzt, treten die Bannstrahler auf den Plan. Sie nehmen Faisal fest und klagen ihn des nicht-standesgemäßen Auftretens sowie des Einsatzes von Beschwörungsmagie an. In diesem Zuge kommen Faisal seine magischen Ringe abhanden, die eine Bande krimineller Praios-Novizen in ihren Besitz bringt. Nach Adaras Intervention wird er jedoch wieder freigelassen.

Während der junge Ragnar zum Schein als Schüler an die Rechtsschule der Priesterschaft entsendet wird, um die Umtriebe eben jener auszuspionieren, gerät auch Adara in Schwierigkeiten: Beim Feilschen mit einer Alchemistin wird sie Zeuge eines missglückten Experiments von deren Ehemann, eines Weißmagiers. Als sie bemerkt, dass dort etwas nicht mit rechten Dingen zugeht, intervenieren erneut die Bannstrahler und nehmen kurzerhand Geweihte, Alchemistin und Magier fest. Dabei wird Adara schwer verletzt. Sie sieht sich dem Vorwurf der Paktiererei ausgesetzt. Diesen kann sie zwar entkräften, aber sie ahnt bereits, dass in Elenvina Kräfte am Werk sind, die ganz andere Ziele verfolgen, als nur den Zwist der Kirchen untereinander anzustacheln.

Von Kyndoch nach Elenvina

Die Hauptstadt der Nordmarken bildet nach dem eher beschaulichen Kyndoch den Schauplatz für das nächste Abenteuer der sympathischen Truppe um die Phex-Geweihte Adara. Die Handlung setzt somit im Prinzip kurz nach dem Ende des „ersten“ Bandes an, tauscht aber die Beschaulichkeit der Handelsstadt mit der Strenge des Herzogensitzes ein. Von Beginn an ist klar, dass die Phex-Geweihten sich hier in „Feindesland“ befinden, denn die Umtriebe des verstohlensten der Zwölfgötter sowie eines Magiers von zweifelhafter Reputation werden in Elenvina unbarmherzig geahndet.

Im Angesicht der Ereignisse in der nordmärkischen Hauptstadt sind die Protagonisten also ungleich weniger in der Lage, Probleme durch einschlägige Verbindungen und phexsche Tugenden zu lösen. Während Ragnar mit den typischen Problemen eines Außenseiters und „Undercover-Agenten“ innerhalb seines Noviziats an der Rechtsschule zu kämpfen hat, werden Adara und Faisal im Spannungsfeld der streitenden Fraktionen innerhalb der Stadt zu Getriebenen, denen die Kontrolle über die Ereignisse entgleitet. Dies bildet einen schönen Kontrast zum vorhergehenden Band, als Adara meist in recht überlegener Manier Probleme erkannte und mittels ihrer karmalen Fähigkeiten zu lösen vermochte. Im „Tagrichter“ bleibt ihr oft nur noch aussichtsloses „Um-Sich-Schlagen“ übrig.

Auch wenn man manchmal den Eindruck hat, dass die Charaktere ein wenig zu hilflos im Angesicht der Ereignisse wirken, macht sie das sympathisch und vor dem Hintergrund des Settings glaubwürdig. Auch die Darstellung der Praios-Priesterschaft ist überwiegend gut getroffen worden. Einerseits trifft man bei diesen auf die klassischen Stereotypen des sittenstrengen, biederen und kompromisslosen Fanatikers, der die Welt mit Geißel und Feuer von Lüge und Unglauben reinigen will, auf der anderen Seite gibt es mit Praiodan oder stellenweise auch Ritter Hemger solche, die im Angesicht vieler Zwischenfälle ihre Prinzipien und ihre Moral hinterfragen müssen – und auch manches Mal gegen diese handeln. Diese Darstellung mag zwar phasenweise den Archetypen, die der regeltreue „DSA“-Rollenspieler erwartet, widersprechen, erst das macht sie aber zu Figuren, die handeln wie Menschen und nicht wie ein statisches Konstrukt aus einem Regelwerk.

Weniger gut gelungen ist hingegen die formale Ausgestaltung des Romans: Die Handlungsstränge sind zwar halbwegs miteinander verwoben, laufen aber zunächst etwas planlos nebeneinander her. Oft hat man das Gefühl, nur auf das nächste von externer Seite herangetragene Ereignis warten zu müssen, damit die Handlung vorwärts kommt. Lange Dialoge in unwichtigen Szenen, deren Inhalt zudem meist belanglos ist, hemmen den Lesefluss. Auch die Liebe der Autorin zu Detailbeschreibungen (vor allem in den Bereichen Kleidung und Alchemie), die im „Nachtrichter“ noch sehr gut gelungen war, wird übertrieben. Oft werden Dinge mit unzähligen Adjektiven „totbeschrieben“. Manchmal hat man den Eindruck, dass ein sprachliches Lektorat hier nicht stattgefunden hat (man findet auch keine Angabe dazu im Impressum).

Zu Autorin und Ausstattung

Die Autorin ist eine alte Bekannte in Sachen „DSA“-Romane: Der Vorgänger „Nachtrichter“ und die Novelle „Hundeelend“ in der Reihe „Hundstage“ stehen bereits zu Buche. Dem „Tagrichter“ ist ein Glossar angegliedert, der auch die wichtigsten Personen beinhaltet. Coverbild und Druck sind von gewohnt guter Qualität, die von Ulisses verwendete Taschenbuchbindung ist hingegen äußerst unpraktisch, da viel zu straff.

Fazit: Der „Tagrichter“ weiß insgesamt leider nicht so zu überzeugen wie sein Vorgänger. Neben der etwas dahinplätschernden Handlung stören vor allem die oft belanglosen Detailbeschreibungen. Wenn man sich an diesen Punkten nicht stört, ist der Roman aber aufgrund seiner gelungenen Charaktere und des glaubwürdigen Settings durchaus zu empfehlen. Wer den „Nachtrichter“ mochte, kann ohnehin zugreifen, um mit Adara, Faisal und Ragnar wieder durch die Straßen zu ziehen.


Tagrichter (DSA-Roman Nr. 134)
Rollenspiel-Roman
Dorothea Bergermann
Ulisses Spiele 2011
ISBN: 978-3-89064-126-3
376 S., Taschenbuch, deutsch
Preis: EUR 10,00

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