Die Wächter Trilogie

Sie leben unter uns: Highlander, Außerirdische, Vampire, Geister, Hexen und Zauberer. Das ist eigentlich nichts Neues für diejenigen, die sich in der Popkultur auskennen. Auch Sergej Lukianenko hat das alte Konzept bemüht, und seine Variante des ewigen Kampfes zwischen Gut und Böse geschrieben.

von Simon Ofenloch

 

Der russische Autor Sergej Lukianenko hat mit seinen „Wächter“-Romanen eine beachtliche Buchreihe erschaffen. Los ging es mit „Wächter der Nacht“, dann folgte „Wächter des Tages“, danach „Wächter des Zwielichts“ und schließlich „Wächter der Ewigkeit“. Und damit nicht genug. Eine Kurzgeschichte gab es anschließend auch noch. Und wer weiß, was noch kommen mag?! Der Sammelband „Die Wächter Trilogie“ bündelt die ersten drei Romane.

Die „Wächter“-Geschichten schildern den Kampf zwischen den Kräften des Lichts und denen der Finsternis, der nach einem langen Frieden wieder mehr und mehr aufflammt, und zwar vor allem im heutigen Russland. Den fragilen Waffenstillstand hält der „Große Vertrag“ aufrecht, ein Bündnis, das die beiden Parteien einst miteinander geschlossen haben. Die Vertreter des Lichts bilden die „Wächter der Nacht“, die Vertreter der Finsternis die „Wächter des Tages“. Während die einen nachts die Aktivitäten der anderen kontrollieren, ist tagsüber die Rollenverteilung genau andersherum. Darüber, dass beide Seiten den Auflagen des Großen Vertrags Folge leisten, wacht letztlich die so genannte „Inquisition“, die sich aus Mitgliedern beider Gruppen zusammensetzt. Ihre Aufgabe ist es vor allem, in strittigen Situationen zu urteilen und zu schlichten. Der „Große Vertrag“ ist Gesetz. Doch nicht jeder hält sich an die Regeln.

Das erste Buch „Wächter der Nacht“ rückt die Vertreter des Lichts in den Mittelpunkt. Anton Gorodezki, ein Vertreter der Nachtwache, stößt zufällig auf einen sinisteren Plan, bei dem ihm eine bedeutende Rolle zugedacht ist. Ahnungslos tappt der Wächter der Nacht in zahlreiche Fallen. Was als einfacher Auftrag beginnt, als vermeintlich harmlose Zurechtweisung von Vampiren und als Suche nach einer mit einem Fluch beladenen Frau, entwickelt sich zu einer folgenschweren Konfrontation. Erst als Anton die Eule Olga zur Hilfe kommt, sind die Chancen wieder ausgeglichen. Doch gewonnen ist die Schlacht da noch lange nicht.

In „Wächter des Tages“ geht der schwelende Konflikt zwischen den Kräften des Lichts und denen der Finsternis in eine weitere heiße Phase. Dieses Mal steht allerdings die dunkle Seite im Mittelpunkt, das Geschehen wird hauptsächlich von ihrer Warte aus geschildert. Bei einem Routineauftrag kommt es zu einem schwerwiegenden Zwischenfall, bei dem Alissa Donnikowa, einem Mitglied der Tagwache, ihre übernatürlichen Kräfte abhanden kommen. Diese können nur langsam wiedererlangt werden. Doch Sebulon, der Chef der Tagwache, will den Vorgang beschleunigen, denn die Zeit drängt: Die Nachtwache konnte das Gleichgewicht der Macht zu ihren Gunsten verändern, und in Boris Ignatjewitsch, dem auch „Geser“ genannten Chef der Nachtwache, hat Sebulon einen gefürchteten, weil ebenbürtigen Gegner. Also startet Sebulon ein Intrigenspiel, das seinen Gegner zu Fall bringen soll. Ein Spiel mit hohen Einsätzen.

In „Wächter des Zwielichts“ tauchen die Hauptfiguren der vorangegangenen Romane wieder als Handlungsträger auf. Antons Kind wird eine bedeutende Rolle im Konflikt zwischen den Kräften des Lichts und denen der Finsternis prophezeit. Und gleichzeitig geht es um ein sagenhaftes Buch, das Hinweise darauf enthalten soll, wie Normalsterbliche in hochrangige „Andere“, so die Sammelbezeichnung für alle Übernatürlichen, seien es „Wächter des Tages“, „Wächter der Nacht“ oder Mitglieder der „Inquisition“, verwandelt werden können. Die Gefahren, die eine solche Grenzüberschreitung mit sich bringen könnte, wären verheerend. Denn das fein austarierte Gleichgewicht der Kräfte könnte schnell Geschichte sein, wenn es einer der Seiten gelänge, wahllos Menschen für sich zu rekrutieren. Ein spannender Wettlauf gegen einen Tabubruch mit verheerenden Folgen beginnt, ein Wettlauf, an dem sowohl die Nachtwache wie auch die Tagwache und gar die „Inquisition“ beteiligt sind.

Die Romane sind jeweils in Kurzgeschichten aufgeteilt, die aber chronologisch aufeinander folgen und miteinander in Zusammenhang stehen. Allerdings ändert sich schon einmal die Erzählperspektive. Einige Texte sind aus der Ich-Perspektive eines Handlungsträgers geschrieben, andere im auktorialen Stil. Die Protagonisten der einzelnen Romane wechseln, tauchen aber in den anderen Geschichten durchaus als Nebenfiguren wieder auf.

Sergej Lukianenko begeistert mit ungewöhnlichen Ideen und überraschenden Wendungen in seinen Geschichten um die „Anderen“, die unbemerkt von den Menschen leben und handeln und um ihr Schicksal kämpfen. Eine komplexe Handlungsstruktur und interessant ausgearbeitete Figuren, auch jenseits der klassischen Schwarz-Weiß-Malerei, bereiten große Freude. Das russische Setting ist erfrischend „anders“.

Fazit: In „Die Wächter Trilogie“ ist Sergej Lukianenkos originelles Epos – wenn auch nicht gänzlich komplett, so doch zu großen Teilen – erstmals in einem Sammelband vereint. Fantasy trifft Mystery trifft Horror in einem urbanen Setting. Zu recht ein Welterfolg.


Die Wächter Trilogie
Horror/Mystery-Roman
Sergej Lukianenko
Heyne 2008
ISBN: 978-3-453-53286-1
1536 S., Paperback, deutsch
Preis: EUR 10,00

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