von Tobias Dworschak
Crystal Frazier, die Erfinderin der Turmkarten, hat zusammen mit Will McCardell und David Schwartz das 36 Seiten lange Heft geschrieben. Abzüglich Cover, Werbung und diverser Inhaltsverzeichnisse bleiben 30 Seiten für den Inhalt. Es versteht sich von selbst, dass das Heft sehr gut aussieht und reich bebildert ist. Das Lektorat hätte deutlich besser sein müssen. Beim Lesen stören zum Beispiel falsch bezeichnete Fähigkeiten (Seite 7) oder das Fehlen einer Angabe dazu, für welche Klasse ein Archetyp ist (Seite 13). Ich weiß nicht, ob derlei Fehler schon im Original enthalten sind – sie hätte trotzdem korrigiert werden müssen.
Das erste Durchblättern überrascht mich mit viel Text. Ich hatte Tabellen und Optionen erwartet. Sollten hier etwa die Regeln zugunsten von Atmosphäre in den Hintergrund treten? Aber diese Hoffnung ist unbegründet. Doch der Reihe nach.
Das Vorwort führt in die Verbreitung der Turmkarten auf der Spielwelt ein. Auch Die Geschichte der Turmkartendeutung beginnt noch atmosphärisch. Dann folgen die unvermeidlichen neuen Regeln: Archetypen, Talente, Wesenszüge, Zauber, Gebäude für den Stadtausbau, Mysterien, eine neue Blutlinie und so weiter. Ich kann meinen Charakterhintergrund statt mit Würfeln nun mit Karten zufällig ermitteln. Ich lerne neue Glücksspiele, die ich mit den Karten – die als Zubehör erhältlich sind – spielen kann.
Das Handbuch präsentiert außerdem alternative Legeformen zur Zukunftsdeutung, die natürlich stark vom irdischen Tarot inspiriert sind.
In der zweiten Hälfte sind die Regeln thematisch nach den einzelne „Türmen“ sortiert und dabei passen die Regeln auch zum Thema des Turms. Der Turm der Hämmer bietet Talente für den Kampf und einen neuen Ritterorden, während der Turm der Sterne mit dem Mysterium der Sonne etwas für Mystiker im Angebot hat.
Es wäre langweilig, jede neue Option einzeln aufzuzählen. Wichtig erscheint mir, dass es wirklich für jede Klasse etwas gibt. Der Bezug zu den Turmkarten ist dabei mal mehr, mal minder deutlich. Was mir beim Lesen fehlt, ist eine Lebendigkeit der Karten. Überall im Text finde ich kleine Perlen: Legenden, Märchen, Geheimnisse, die mit den Karten zu tun haben. Besonders gut gefallen mir dabei die verschwundenen Karten.
Daraus hätte man so viel mehr machen können als hier ein neues Talent oder da einen neuen Zauber. Verbündete oder weitere Hilfen zur Integration der Deutungen in eine Geschichte, Legenden über berühmte Kartenleger, mehr zur Tradition der Karten. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die wenigen erzählerischen Texte schon alles als Hintergrund gewesen sein sollen. Das können die Autoren besser.
Paizo folgt meiner Meinung zu streng dem Ansatz der Handbücher-Serie, neue Charakter-Optionen zu liefern. Stattdessen hätten sie hier die Serie weiterentwickeln und sich ganz dem Thema verschreiben können, um ohne Unterschied zwischen Spieler und Leiter den an sich originellen Ansatz der Turmkarten mit Leben zu füllen.
Fazit: Mit dem Handbuch „Die Turmkartendeuter Golarions“ hat Paizo alles über die Turmkarten gesagt. Den Ansatz, neue Regeln und Charakteroptionen an einem Gegenstand aus der Spielwelt aufzuhängen, finde ich spannend. Ich habe aber auch den Eindruck, dass die Turmkarten jetzt weidlich ausgeschlachtet sind und hierzu keine weiteren Publikationen mehr nötig sind.
Als damals die Karten Einzug in den Abenteuerpfad hielten, war das eine interessante Neuheit, zumal die Karten durchaus spielerische Auswirkungen hatten. Mehr kann man aus dem Thema aber nicht heraus holen. Und ganz ehrlich: Vermutlich war das Meiste aus diesem Handbuch schon zu viel. Zumal für mich nichts wirklich hervorsticht, sodass ich es im Spiel ausprobieren möchte.
Die Turmkartendeuter Golarions
Quellenbuch
Ulisses Spiele 2015
ISBN: 978-3-95752-1-477
32 S., Softcover, deutsch
Preis: EUR 12,95
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