Die Tore der Welt

England im 14. Jahrhundert. Die schicksalhaften Ereignisse im englischen Spätmittelalter prägen das Leben der Einwohner von Kingsbridge. Das ist jener Ort, an dem Prior Phillip rund 200 Jahre zuvor seinen Traum verwirklichte und die „Säulen der Erde“, die schönste Kathedrale des Landes, erbauen ließ. Als Bauern, Wollhändler und Baumeister streben die Spieler nun, in „Die Tore der Welt“ , mühsam nach Wohlstand und Ansehen.

von Jan Stetter

 

 

Verstrickt zwischen den Interessen der Priorei und den Händlern der Stadt, gilt es vor allem, sich den turbulenten Ereignissen jeweils anzupassen. Dabei wird ein frommer und loyaler Lebenswandel ebenso mit Siegpunkten belohnt wie die Beteiligung an verschiedenen Bauvorhaben. Auch diejenigen Spieler, die sich während der ausbrechenden Pest mit Hilfe ihres medizinischen Wissens bei der Krankenpflege verdient machen, steigern ihr Ansehen. Doch bevor an Ruhm und Ehre zu denken ist, muss der eigene Lebensunterhalt gesichert werden: Nahrung und Einkommen sind in diesen schweren Zeiten knapp, und nicht selten schröpft der König seine Untertanen mit hohen Steuern. Oft bleibt von dem Geld, das sich auf dem Markt verdienen lässt, nicht mehr allzu viel übrig. Da kann es manchmal hilfreich sein, sich der Gunst wichtiger Personen zu versichern, um am Ende erfolgreich zu sein.

„Die Tore der Welt“ stammt von denselben Autoren wie sein erfolgreicher und beliebter Vorgänger „Die Säulen der Erde“. Dennoch sahen Michael Rieneck und Stefan Stadler glücklicherweise davon ab, ihre eigenen Ideen nur zu plagiieren, und schufen ein Spiel, das sich angenehm anders spielt, entwickelt und anfühlt als sein „älterer Bruder“. Der gesamte Spielfluss dreht sich zwar wieder um den Einsatz von Arbeitern und das harte Erringen zahlreicher Siegpunkte, aber die Spielmechanismen, die das bewerkstelligen (darunter besonders die Mängelwirtschaft), unterscheiden sich etwas von den meisten anderen Arbeitereinsetzspielen und vor allem von „Die Säulen der Erde“.

Zentrum des über vier längere Runden laufenden Spieles bilden die zufällig gezogenen Ereigniskarten, deren Effekte und Ausrichtung auf dem Spielplan maßgeblich die Spielermöglichkeiten einer Runde bestimmen. Der Spieler, der die aktuelle Ereigniskarte gezogen hat, wählt zuerst aus, was ihm von dieser Karte am meisten nützt (Erträge, Siegpunkte, Geld usw.), dann folgen die anderen Spieler. Jeder Spieler muss dabei beachten, ob seine eigene Wahl die Chancen der anderen Spieler mehr verbessert, als er dies eigentlich wünscht, und seine Wahl dementsprechend gut abwägen.

Anschließend spielen alle Spieler einen Teil ihrer zwölf Aktionskarten aus, um ihre Handlungen in der Runde umzusetzen. Diese Handlungen reichen von Rohstoffproduktion über den Bau prestigeträchtiger Gebäude und die Heilung Pestkranker bis hin zu Spenden und die Erlangung von Gunst bei wichtigen Personen. Auch hier gilt natürlich, dass jeder Schritt wohlüberlegt sein muss, denn jede Aktion eines Spielers, für die er sich entscheidet, verhindert in derselben Runde eine andere seiner Aktionen.

Nach der Kartenphase wechselt der Startspieler, und es geht weiter, bis sämtliche Ereignisse einer Runde abgehandelt wurden und die Spieler keine Aktionskarten mehr besitzen. Nun kommt es zu schmerzhaft hohen Abgaben in Form von Getreide und Geld und zu einer Prüfung der Frömmigkeit jedes Spielers. Kann ein Spieler eine dieser Auflagen nicht erfüllen, verliert er die soeben hart erwirtschafteten Siegpunkte und bekommt schlimmstenfalls noch bittere Strafen für die Folgerunde aufgebrummt. Bei allen Planungen sollte somit niemals die Abgabenlast am Rundenende unbeachtet bleiben.

In der dritten Runde kommen als Besonderheiten noch der große Kathedralenturm und die Pest ins Spiel, deren Heilung einem Spieler, der seine medizinischen Fähigkeiten gut geschult hat, viele Siegpunkte bringen kann. Das Spiel endet schließlich nach der vierten Runde mit der Endwertung, und es gewinnt natürlich der Spieler mit den meisten Siegpunkten.

„Die Tore der Welt“ bietet eine ähnlich dichte und an Ken Follets gleichnamigen Roman angelehnte Spielatmosphäre wie schon „Die Säulen der Erde“. Die thematische Umsetzung der Buchvorlage ist den Autoren wieder einmal sehr gut gelungen, und die graphische Präsentation des Spieles ist erstklassig. Allerdings erzeugte „Die Tore der Welt“ bei meinen Mitspielern im Gegensatz zum Vorgänger einige Vorbehalte, da das Spiel relativ wenig Interaktion bietet und das Glückselement besonders bei vier Spielern nicht unerheblich sein kann. Darüber hinaus scheint es im Spiel mit seinen vielen Stellschrauben und seinem Schwergewicht auf der Mängelwirtschaft gelegentlich etwas stocken zu können, wenn beispielsweise ein Ereigniseffekt in einem unglücklichen Moment zum Tragen kommt. Eine durchgängige Strategie ist somit nur schwer möglich, und auch taktische Entscheidungen von Runde zu Runde können schnell am Zufall einzelner Mechanismen scheitern.

Ich persönlich jedoch empfinde diese Aspekte des Spieles nicht als Nachteil, denn nur selten trifft einen Spieler dauerhaft das Pech. Vielmehr erscheint mir das Glück über das gesamte Spiel hinweg jeweils ausgeglichen verteilt zu sein, und jeder Spieler ist in der Lage, seine Züge angemessen solide zu planen. Ich fühlte mich bisher also nicht „vom Spiel gespielt“ und hatte stets großen Spaß am Spielverlauf, an den Zufallsereignissen und meinen Möglichkeiten von Runde zu Runde.

Fazit: Für mich steht „Die Tore der Welt“ fast auf einer Stufe mit „Die Säulen der Erde“, einem meiner Lieblingsspiele. Auch in meiner Spielrunde kam „Die Tore der Welt“ gut an und erwies sich als Spiel mit hohem Wiederspielreiz, obwohl meine Mitspieler die oben genannte Kritik äußerten und das Spiel nicht ganz so hervorragend einstuften wie ich. Ich jedoch denke, dass „Die Tore der Welt“ den Titel „Sonderpreis Spiel des Jahres plus“* zurecht verdient hat und besonders all jenen gefallen dürfte, die auch „Die Säulen der Erde“ mit Freude gespielt haben. Wenn man bereit ist, sich auf die Glückselemente des Spieles einzulassen und nicht nur Neues zu entwickeln, sondern auch Erreichtes händeringend zu behalten, bekommt man mit „Die Tore der Welt“ ein Spiel, das in jeder Besetzung gut funktioniert und auch Neulingen einen schnellen, gleichwertigen Einstieg ermöglicht.

*: Mit dem Sonderpreis „Spiel des Jahres plus“ möchte die Jury all denjenigen eine Orientierung bieten, die bereits über längere Zeit Erfahrung mit Spielen gesammelt haben und nun eine größere Herausforderung suchen.


Die Tore der Welt
Brettspiel für 2-4 Spieler ab 12 Jahren (ca. 90-120 Minuten pro Spiel)
Michael Rieneck, Stefan Stadler
Kosmos Verlag 2009
EAN: 4002051690809
Inhalt: 1 Spielplan, 44 Ereigniskarten, 48 Aktionskarten, Stanztableaus mit Bauprojekten, 95 Stanzteile, Marker, 4 Sichtschirme, 41 Bausteine, 16 Holzhäuser in Spielerfarben, 1 sechsseitiger Steuerwürfel, 1 Gunststein, 1 Spielregel
Preis: ca. EUR 26,99

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