Die Liga der Außergewöhnlichen Gentlemen: Das Schwarze Dossier

Die Comic-Reihe „Die Liga der Außergewöhnlichen Gentlemen“ der zwei britischen Künstler Alan Moore und Kevin O'Neill wurde wohl hauptsächlich durch die aufwändige, starbesetzte Hollywood-Verfilmung von 2003 mit Sean Connery bekannt, die in einigen wesentlichen Teilen von der Vorlage abwich und sowohl Kritiker wie auch das Kinopublikum nicht wirklich begeistern konnte. Die zugrundeliegenden Comics sind hochkomplexe Verweissysteme auf die Populärkultur und deren Geschichte, auf entsprechende Manifestationen in Literatur, Film und allen anderen Medienformen. Vor allem geht es um Abenteuer, Science-Fiction und Fantasy. So auch im besonders prall gefüllten Band „Das Schwarze Dossier“.

von Simon Ofenloch

Großbritannien in den 1950er Jahren, zu Zeiten des Kalten Krieges. Die Glorie der Empire-treuen Einsatztruppe „Die Liga der Außergewöhnlichen Gentlemen“ scheint Geschichte. Einige Teams kamen und gingen. Eine ominöse Akte, das „Schwarze Dossier“, soll wesentliche Informationen über diese Gruppierungen, ihre Mitglieder und Abenteuer dokumentieren. Nicht auszudenken, geriete diese geheime Faktensammlung in die falschen Hände! Zum Glück gibt es noch zwei aufrechte Helden der zuletzt aufgelösten „Murray-Gruppe“, Allan Quatermain und Mina Harker, die nun alles daran setzen, das „Schwarze Dossier“ zu finden und in Sicherheit zu bringen. Der Feinde gibt es viele.

Spielten die Abenteuer der beiden ersten Comic-Bände um „Die Liga der Außergewöhnlichen Gentlemen“ noch ganz im üblichen Steampunk-Ambiente unter viktorianischer Regentschaft, so ist die (Rahmen-)Handlung von „Das Schwarze Dossier“ 1958 angesiedelt. Wieder gibt es mannigfache Anspielungen und Verweise auf Figuren und Ereignisse der klassischen und neueren Populärkultur wie Ian Flemings Über-Spion und männlich-überlegenen Frauenhelden James Bond oder Emma Peel, die schlagfertige Agentin aus „Mit Schirm, Charme und Melone“. Die eigentliche Comic-Geschichte, das neue Abenteuer um Quatermain und Harker, wird immer wieder unterbrochen mit Einblicken in die geheime Akte, mit Passagen aus dem „Schwarzen Dossier“. Dort gerät der Band dann stärker noch zum überbordenden Kompendium phantastischer Bezugnahmen.

Aus der Lesefreude kann dabei ein zwiespältiges Vergnügen werden, nicht nur weil man es plötzlich mit ganzen Buchpassagen zu tun bekommt, Textzeilen um Textzeilen ohne Comic-Panels. Mitunter fragt man sich, welche kleinen versteckten Hinweise man womöglich übersieht, welche hintergründigen Bezüge man gerade verpasst. Nicht alles wird sofort einsichtig, gar vieles erschließt sich nicht von selbst. Und ohne das Wissen um die zugrundeliegende Vorlage oder Bezugsquelle bleiben einige Inhalte geradezu unbedeutend oder erscheinen lediglich irritierend. Zum Glück hat sich Pulp-Freak Jess Nevins für weniger Versierte die Mühe gemacht, viele wenn nicht gar alle Verweise in einer Online-Sammlung aufzuzeigen. Seine Funde und Erkenntnisse sind auch in Buchform erhältlich, allerdings so und so nur auf Englisch. Seine Begleit-Publikation zu „Die Liga der Außergewöhnlichen Gentlemen: Das Schwarze Dossier“ trägt den Titel „Impossible Territories: An Unofficial Companion to The League of Extraordinary Gentlemen: The Black Dossier“.

Im englischen Original ist der Comic-Band von Alan Moore und Kevin O’Neill schon 2007 erschienen. Wegen seiner zahlreichen Anspielungen auf Kulturphänomene und Popkultur-Inkarnationen, bei denen man sich nicht ohne Weiteres auf die Freiheit der Urheberrechte berufen kann, war eine Veröffentlichung außerhalb der USA lange Zeit nicht möglich. Mittlerweile nimmt der Band in der Chronologie der Reihe um „Die Liga der Außergewöhnlichen Gentlemen“ den Status eines Sonderbandes ein. Auch aufgrund seiner ungewöhnlichen inhaltlichen Struktur und seiner eklektizistischen Machart.

Im Band kommen unterschiedliche Papiersorten zum Einsatz, das letzte Kapitel wurde teilweise im Anaglyphen-3D-Verfahren realisiert. Zur Betrachtung liegt dem Comic eine entsprechende Rot-Cyan-Brille bei.

Während Alan Moore die inhaltlichen Texte verantwortet, sind die Zeichnungen in verschiedenen Stilen, grundsätzlich eher rau und kantig, auch in der Darstellung vieler freizügiger Motive, das begnadete Werk von Kevin O’Neill. Dem bewährten Comic-Duo stand Ben Dimagmaliw als Kolorist zur Seite.

Die Druckqualität ist hoch. Im gewohnt gut verarbeiteten Klappbroschur-Softcover bietet Panini Comics „Das Schwarze Dossier“ mit einem von Spotlack-Azenten veredelten Cover an.

Fazit: Extravagant und verrückt-kreativ. So präsentieren Kultautor Alan Moore und Zeichen-Genie Kevin O’Neill ihre inhaltsreiche Geheimakte zur „Liga der Außergewöhnlichen Gentlemen“. Ein aufregender Ritt durch die Kulturgeschichte, der dem geneigten Comic-Leser aber auch einiges abverlangt. Für den vollen Genuss braucht es einige Nebenlektüre und Durchhaltevermögen bei den textlastigen Passagen. Zur Belohnung gibt es außergewöhnliche Gimmicks wie eine 3D-Brille. Von Panini Comics alles hochwertig umgesetzt.

Die Liga der Außergewöhnlichen Gentlemen: Das Schwarze Dossier Comic Alan Moore, Kevin O'Neill Panini Comics 2013 ISBN: 978-3-86607-463-7 200 S., Softcover, deutsch Preis: EUR 29,99 bei amazon.de bestellen

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„Annotations“ von Jess Nevins zu „Das schwarze Dossier“ (auf Englisch)