von Bastian Ludwig
Handlungsort von „Die Larm-Chroniken“ ist das titelgebende Dorf Larm, das im ersten Viertel des Bändchens beschrieben wird. Der Leser bekommt einen Überblick über Geschichte und politische wie wirtschaftliche Bedeutung des Weilers. Fast alle Gebäude werden vorgestellt nebst ihrer Bewohner und deren großen und kleinen Problemen, Interessen, Zielen und Konflikten. Abgerundet wird das Ganze durch eine Reihe von Gerüchten und Situation, die den Helden einfach nur begegnen oder aus denen sich auch kleinere Aufträge ergeben können.
Der Großteil von „Die Larm-Chroniken“ ist dann mit vorgefertigten Abenteuern gefüllt. Der Schwerpunkt liegt dabei – ebenso wie auch bei „Herr der Labyrinthe“ selbst – auf dem Dungeon-Crawl. In „Die Mühle“ sollen die Helden nachsehen, was Seltsames im Keller des Müllers Bode vorgeht, danach wartet der „Vergessene Tempel des Thaxon“, der vor 30 Jahren nach einem missglückten Ritual verlassen wurde, darauf, von der Gruppe erkundet zu werden. Diese beiden Abenteuer lassen sich kaum als solche bezeichnen, eher sind es einzelne Szenen oder Herausforderungen, Fingerübungen für Spielleiter und Spieler. Etwas umfassender wird es in „Der Schrein des Grimic“, „Die Festung des Bergkönigs“ und „Die Rückkehr des Bergkönigs“.
Raus aus der Finsternis der Labyrinthe geht es zum einen in der kurzen Herausforderung „Das Goblinlager“, in der ein ebensolches angegriffen werden soll, und nicht zuletzt im Wildnis-Abenteuer „Der Fluss Dolm“, auf dem die Abenteurer die verzogene Tochter des larmschen Bürgermeisters zu ihrem Verlobten in das Städtchen Dolmvay eskortieren sollen.
Zum Abschluss gibt es noch einen Anhang mit zusätzlichen Hintergrundinformationen zu den Abenteuern, vorbereiteten Charakteren und ein paar neuen Monstern, einer Kopiervorlage des Charakterbogens und einem kurzen Abschnitt über One-Page-Dungeons samt Beispiel, in welchem der Bergkönig ein drittes Mal auf der Bildfläche erscheint.
„Die Larm-Chroniken“ richtet sich an Anfänger, sowohl Inplay, wo es für die Stufen 1 bis 5 ausgelegt ist, aber vor allem auch Outplay. Der Band ist für all jene geeignet, die sich das erste Mal mit einem Rollenspiel beschäftigen und überhaupt erst einmal ein paar Anregungen brauchen, wie Rollenspiel überhaupt gestaltet werden kann, wie ein Dungeon aufgebaut sein kann und was es in einem klassischen Fantasy-Szenario so alles zu erleben gibt.
So sind dann auch die präsentierten Abenteuer in ihrem Aufbau eher einfach gehalten. Die Handlung sowie Charakter- und Dialogszenen spielen in den Abenteuern eine untergeordnete Rolle. Der Fokus liegt auf der Action in Kämpfen und dem Erforschen der Dungeons. Auch das Wildnis-Abenteuer „Der Fluss Dolm“ ist in erster Linie eine Reihung unabhängiger Begegnungen und Herausforderungen. Einen spielerischen Unterschied zu den anderen Abenteuern des Heftes dürfte hier allerdings die Figur der Bürgermeistertochter machen, welche als verzogene Göre angelegt ist, was wiederum – einen gut aufgelegten Spielleiter vorausgesetzt – zu Spielsituationen jenseits von Monsterkämpfen und dem Durchsuchen von Räumen führen kann.
Jedem, der schon ein paar Spieleabende hinter sich gebracht hat, werden die Situationen, Herausforderungen, Orte, Charaktere und Abenteuer mehr oder weniger bekannt vorkommen. Da gibt es etwa die beiden Dorfhändler, die sich spinnefeind sind, den mysteriösen Einsiedler außerhalb des Dorfes, den menschlichen Dorfschmied, der von Zwergen aufgezogen wurde oder auch das Geheimnis um die alte Dorfeiche, die aus unerfindlichen Gründen langsam einzugehen scheint. Anfänger aber können aus einem breiten Fundus schöpfen und in einer von einer komplexeren Handlung befreiten Umgebung ihr Handwerkszeug erlernen; sicherlich nicht der schlechteste Start ins Rollenspiel, schließlich sollen die Regeln später ja einigermaßen sitzen, um nicht den Fluss einer aufwändigeren Story zu stören. In diesem Sinn sollte man „Die Larm-Chroniken“ einfach als eine Ergänzung zum Grundregelwerk von „Herr der Labyrinthe“ verstehen; gemeinsam bilden die beiden Bücher einen runden Einstieg ins Rollenspiel.
Ähnlich wie schon beim Grundregelwerk ist es auch hier nicht ganz leicht, die Aufmachung objektiv zu bewerten. „Herr der Labyrinthe“ ist ein Retro-System und ebenso klassisch gehalten ist auch das Layout. Hinzu kommt, dass der Band wohl als semi-professionell bezeichnet werden kann. Bezieht man dies mit ein, ist das Ergebnis wirklich gut gelungen. Die Texte sind flüssig geschrieben und lassen sich gut lesen, die Illustrationen schwanken in ihrer Qualität zwar stark und erreichen nur in ihren besten Momenten die Stufe „talentierter Hobbyzeichner“, sind aber doch mit viel Liebe zum Detail und zum Zeichnen gestaltet. Das restliche Layout erfüllt seinen Zweck, ist einigermaßen locker und übersichtlich und die Materialqualität ist insgesamt sehr gut.
Ein Glossar oder eine Stichwortverzeichnis muss man in einem Heft dieses Umfangs nicht unbedingt erwarten; überraschenderweise fehlt aber ein Inhaltsverzeichnis völlig. Auch ist jede einzelne Seite mit „Die Larm-Chroniken“ übertitelt; eine Angabe des Kapitels wäre hier sinnvoller gewesen. Punkteabzug gibt es deswegen auf Seiten der Übersichtlichkeit, allerdings fällt das bei einem schmalen Heftchen mit nur 80 Seiten auch nicht allzu stark ins Gewicht.
Fazit: Für Neulinge stellt „Die Larm-Chroniken“ einen guten Einstieg in die praktische Seite des Rollenspiels dar und kann so als sinnvolle Ergänzung zum Grundregelwerk von „Herr der Labyrinthe“ gesehen werden. Erfahreneren Spielern wird das Bändchen aber wohl nur wenige nützliche Anregungen und spannende Herausforderungen bieten können.
Die Larm-Chroniken
Abenteueranthologie
Moritz Mehlem
Mantikore-Verlag 2010
ISBN: 978-3-981281-25-5
80 S., Softcover, deutsch
Preis: EUR 14,95
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