Die Janus-Gesellschaft

Mit dem Quellen- und Abenteuerband „Die Janus-Gesellschaft“ greift Pegasus einen seit langem bestehenden Kritikpunkt am cthuloiden Rollenspiel im Allgemeinen an: die Motivation der Charaktere. Was bringt einen Privatdetektiv, einen Reporter und einen Mathematikprofessor dazu, sich todesmutig außerweltlichen, die Psyche zerfetzenden Gefahren zu stellen? Mitglied in einer Geheimgesellschaft zu sein, deren Ziel das Ausloten des menschlichen Wissens darstellt, kann hier vielleicht der Grund sein.

von André Frenzer

 

Die Janus-Gesellschaft ist ein Geheimbund, ganz ähnlich wie die Freimaurer. Ihre hehren Ziele sind, das eigene Wissen  zu mehren und dann zum Wohle der Menschheit einzusetzen. Gleichheit und Brüderlichkeit sind unter Janobiten hohe Gebote und das Streben nach Wissen ist ihnen heilig. Da ist es vielleicht nicht verwunderlich, dass es immer wieder Mitglieder der Gesellschaft gibt, die auf den Cthulhu-Mythos stoßen und den beschwerlichen Kampf gegen die Schrecken des Mythos aufnehmen. Im vorliegenden Quellen- und Abenteuerband wird diese Gesellschaft für die Spielercharaktere erschlossen und zugänglich gemacht. Außerdem finden sich direkt drei fertig ausgearbeitete Szenarien, die die Charaktere in die Janus-Gesellschaft einführen sollen.

Der Quellenteil füllt die ersten rund 80 Seiten des Bandes aus. Einem umfangreichen Abriss über die Geschichte der Janus-Gesellschaft folgt ein ausführliches Kapitel über ihren Aufbau und ihre Organisation. Hier werden auch zahlreiche Nichtspielercharaktere aus der Führungsebene der Gesellschaft vorgestellt. Im Anschluss widmet der Band sich den Freunden und Feinden der Janus-Gesellschaft. Hier kann man auf alte Bekannte wie den Ordo Teutonis oder die Thule-Gesellschaft treffen, die bereits in anderen Publikationen die eine oder andere Rolle übernommen hatten. Insgesamt wird der Spielleiter durch den Quellenteil ausführlich genug über Ziele und Motivationen der Gesellschaft sowie einzelner Fraktionen innerhalb derselben informiert, um die Janobiten in seiner Spielrunde einzusetzen. Dabei sind einige Konflikte vorprogrammiert, wie man es von einer jahrhundertealten Geheimgesellschaft auch erwarten darf. Ein Zwischenfazit sei zum Quellenteil erlaubt: Die Geschichte ist etwas umfangreich geworden, Freunde und Feinde fallen ein wenig zu knapp aus. Hier wäre etwas Umverteilung des zur Verfügung stehenden Platzes besser gewesen. Nichtsdestotrotz erhält der Spielleiter zahlreiche, direkt im Spiel verwertbare Informationen.

Die nächsten rund 120 Seiten nehmen dann drei komplett ausgearbeitete Szenarien in Anspruch. Alle Szenarien sind nach dem für „Cthulh“u-Publikationen üblichen Schema aufgebaut: einem kurzen Überblick über das Geschehen folgt das eigentliche Szenario; Spielwerte und Handouts werden jeweils in einem separaten Anhang zusammengefasst. Diese Herangehensweise ist bewährt und erprobt und erleichtert das Vorbereiten und Leiten der Szenarien.

Das erste Szenario, „Kaisergeburtstag“ von Christoph Maser, führt die Charaktere auf der Suche nach einer verschwundenen jungen Frau nach München. Hier müssen sie die richtigen Schlüsse aus einer Reihe kriminalistischer Recherchen ziehen, bevor sie ein zehn Jahre zurückliegendes Ereignis in ihren Bann zieht. Auch wenn das Finale recht heftig ausfällt, ist der Mythos-Bezug eher dezent vorhanden, sodass sich die Gruppe auf ihre neue Rolle als Janobiten konzentrieren kann. Es folgt „Das Schreiende Haus“ von Peer Kröger, und hier geht es dann richtig zur Sache. Ein unerklärlicher Autounfall lässt die Charaktere (die auf der Suche nach einem verschwundenen Janobiten sind) in einem kleinen Dorf stranden. Hier geschehen eine Menge merkwürdiger Dinge und im großen Finale werden alle Register gezogen. Dem Autor ist durchaus bewusst, dass sein Szenario hart an der für „Cthulhu“ verträglichen Menge Pulp vorbeischrammt, und er gibt hilfreiche Tipps und Hinweise für Spielleiter, die das Szenario etwas gemächlicher gestalten möchten. Als drittes folgt mit „Zwillingswelten“ ein eher klassisches Szenario mit frischen Ideen: Die Charaktere folgen der Einladung der Janobiten auf die Burg Rieneck (wohl nur zufällig auch Standort der beliebten „Cthulhu“-Convention). Hier stoßen sie auf Feinde in den eigenen Reihen und müssen die Beschwörung zweier großer Alter verhindern. Das wiederum ist gar nicht so einfach, wenn man in eine andere Dimension geschleudert wurde. Ein starker Abschluss des Bandes.

„Die Janus-Gesellschaft“ entspricht optisch den übrigen „Cthulhu“-Veröffentlichungen der letzten Jahre. Der Band ist reichhaltig bebildert, die Seiten wie die eines altertümlichen Folianten aufgemacht. Leider ist der Druck in diesem Fall etwas dunkel geraten. So wird durch die zahlreichen Schnörkel und dem grauen Hintergrund die Schrift manchmal etwas unleserlich. Insgesamt würde ich das Layout aber als ansprechend und hübsch bewerten wollen, und insbesondere die umfangreiche Bebilderung weiß zu gefallen.

Fazit: Der Quellenteil ist umfangreich ausgefallen, die Szenarien allesamt einen Blick wert und die Optik des Bandes opulent wie immer. Doch kann „Die Janus-Gesellschaft“ seinem ursprünglichen Ziel gerecht werden? Ich denke ja. Alle Szenarien machen es vor. Prinzipiell lässt sich die Einstiegsmotivation der Charaktere beliebig austauschen: der verschwundene Janobit aus „Das schreiende Haus“ könnte ein alter Klassenkamerad sein, zur Versammlung auf Burg Rieneck könnte ein ehemaliger Kommilitone laden. Doch für all diese an den Haaren herbeigezogenen Abenteuereinstiege hat Pegasus mit der Janus-Gesellschaft nun Abhilfe und einen glaubhaften Hintergrund geschaffen. Ein toller Band, der jedem Spielleiter, der nicht weiter verzweifelt nach Abenteuereinstiegen suchen möchte, ans Herz zu legen ist.


Die Janus-Gesellschaft
Quellen- und Szenarienband
Stefan Droste, Peer Kröger, Christoph Maser, Daniel Neugebauer, Sebastian Weinkamp
Pegasus Press 2013
206 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 34,95

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