Descent: The Tomb of Ice

Der Dungeoncrawler „Descent“ geht in die nächste Runde. Die Helden habe aus der „Well of Darkness“ getrunken, auf dem „Altar of Despair“ Stunden ihrer Lebenszeit geopfert und sind auf der „Road to Legend“ gewandert. Jetzt heißt es, die eisige Unterwelt des hohen Nordens von Terrinoth, der Spielwelt von „Descent“ (und „Runebound“), zu erforschen.

von Frank Stein

Fern im Norden von Terrinoth, jenseits der Donnerspitzen liegt die eisige Welt von Isheim. Hier gehen ruhelose Seelen eines vergessenen Volkes um, Vorboten eines Zeitalters der Kälte, das die ganze Welt zu verschlingen droht. Tag um Tag kriecht die arktische Fäule weiter südwärts. Es liegt an den Helden von Terrinoth, in die eisigen Höhlen Isheims einzudringen und diese übernatürliche Bedrohung zu bannen, bevor der Süden in einem endlosen Winter versinkt. Tückische Eisfelder bersten in der Tiefe unter den Füßen. Geisterhafte Erscheinungen, denen weder Axt noch Schwert etwas anhaben kann, spuken in heruntergekommenen Ruinen. Und aus der kalten, blauen Finsternis dringt das Grollen wilder Bestien, die imstande sind, einen Mann am Stück zu verschlingen!

So dräut es der Rückseite der neuen „Descent“-Erweiterung „The Tomb of Ice“, die ganz dem Thema Eis und Schnee verschrieben ist. Im Inneren der Box, die im Standard-Format für „Descent“-Erweiterungen daherkommt und drei Recken zeigt, die sich mit einem Geist herumschlagen, finden sich einmal mehr um die 1 Kilogramm neues Spielmaterial. Dazu zählen sechs neue Helden, 21 Plastikmonster, 43 neue Kartenteile, 110 neue Spielkarten, Pappmarker, ein kombiniertes Regel-&-Quest-Buch sowie ein neuer, durchsichtiger Würfel. Alles Material entspricht dem von Fantasy Flight Games etablierten Standard und ist sehr gut verarbeitet. Erfreulicherweise sind auch die Spielkarten noch im normalgroßen Format statt in der Mini-Größe wie etwa bei „Talisman“. (Manchmal zahlt es sich eben aus, wenn ein Spiel schon ein paar Jahre auf dem Buckel und anfangs gewisse Designvorgaben etabliert hat).

Vieles von dem, was sich in der Box befindet, kann als schlichte Erweiterung bestehenden Materials betrachtet werden. Das gilt sowohl für Kartenteile, als auch für die neuen Schätze und Town Store Cards. Die sechs Helden wie auch die fünf neuen Monstertypen dienen vor allem der Umsetzung der neuen Spielmechanismen. Nichtsdestotrotz haben der Nekromant Shiver, die Firnelfe Arvel Worldwalker, der Barbar Laughin Buldar, Okaluk und Rakash, das Kobold-und-Wolf-Paar, die fliegende Eisfee Zyla und das haarige Ungetüm Karnon, das einen irgendwie an ein Wampa aus „Das Imperium schlägt zurück“ erinnert, in Testspielen ihren Wert bewiesen. Und auch die Monster – Lava Beetle, Medusa, Shade, Wendigo und Ice Wyrm – gefallen, wobei vor allem die geisterhaften Shades die Helden einiges an Nerven gekostet haben.

Fünf neue Special Abilities fordern von Helden und Overlord ein noch genaueres Taktieren. Will ein Angreifer einen Gegner treffen, der die Fähigkeit „Stealth“ besitzt, so muss er den neuen „Stealth“-Würfel, der auf zwei Seiten ein X für Misserfolg aufweist, gemeinsam mit den übrigen Angriffswürfeln werfen (passend dazu gibt es jetzt neu den Unsichtbarkeitstrank zu kaufen, der einem Helden so lange „Stealth“ verleiht, bis er zu Beginn seines Zuges mit einem Power-Würfel einen Surge (Blitz) würfelt). Die Fähigkeiten „Ghost“ respektive „Shadowcloak“ verbieten benachbart stehenden Angreifern den Melee-Angriff beziehungsweise verhindern allen Schaden, der aus Angriffen resultiert, die aus mehr als einem Feld Entfernung durchgeführt werden. „Tread Ice“ hebt den Effekt des neuen Obstacles „Ice“ auf, das alle Bewegungen dadurch verlangsamt, dass eine Figur, die ein Eisfeld betritt, einen Power-Würfel werfen muss und bei einem Surge auf die Nase fällt (ihren Zug sofort beendet). Dank der Fähigkeit „Swallow“ schließlich ist es dem Ice Wyrm möglich, einen Helden mit einem Happen herunterzuschlucken. Der Glücklose kommt auf das Stomach Tile (einen überdimensionierten Magen) und wird dort langsam zu Tode verdaut – es sei denn, das Untier kann zuvor erlegt werden.

Die wichtigste Neuerung sind allerdings die Feat Cards. Feats werden genau wie Skills zu Beginn des Spiels den Helden spendiert – gemäß ihren Werten in den drei Feldern Fighting, Subterfuge und Wizardry. Im Gegensatz zu Skills, die das ganze Spiel über aktiv bleiben, sind Feats Ereigniskarten, die in bestimmten Momenten ausgespielt werden und einen temporären Bonus verleihen. Feats können beispielsweise eine Verstärkung der Rüstung oder eine Erhöhung der Schussreichweite bieten, sie können Helden zeitweilig Fähigkeiten wie „Stealth“ oder „Fly“ verleihen oder den Overlord Threat-Tokens kosten. Dabei füllen das Öffnen von Schatzkisten und das Aktivieren von Glyphen den Vorrat der Spieler auf. Die Feats sind eine Erweiterung des bisherigen „Descent“-Konzepts, die das Spielgleichgewicht spürbar zugunsten der Helden verschiebt. Waren manche Dungeons bislang für die Spieler kaum zu schaffen, konnte mithilfe der Feat Cards während unserer Testspiele mehr als ein sicher geglaubter Kill abgewendet werden (+4 Rüstung ist schon ordentlich). Auch wenn das für den Overlord mitunter frustrierend ist, gefällt mir diese Neuerung sehr gut, denn am Ende des Abends geht es ja doch irgendwie darum, dass die Helden zwar mit Ach und Krach überlebt haben, aber dennoch erfolgreich waren.

Sehr schön ist übrigens auch, dass „The Tomb of Ice“ zusätzliches Material für die mit „Road to Legend“ spielbaren Kampagnen bietet. So befinden sich nicht nur 22 neue Spielkarten (Incidents, Locations etc.) im Set, im Questguide sind neben den sechs normalen Dungeons auch vier kleine Dungeon-Level und ein Rumor für „Road to Legend“ abgedruckt. Zuletzt lassen sich alle Kartenteile doppelt nutzen. Während auf der einen Seite eisige Höhlengänge zu sehen sind, wurden auf die andere Seite schneebedeckte Firnlande gedruckt. Eine schöne Doppelverwertung des Spielmaterials.

Der einzige echte Kritikpunkt ist leider Gottes der Preis. Vor zwei Jahren noch kostete eine reguläre Erweiterung knappe 40 Dollar. Nun wurden bei Fantasy Flight Games die Preise durch die Bank um 10 Dollar angehoben (auch für alte Produkte, sodass die Preisangaben in den anderen Ringboten-Rezensionen nicht mehr der marktwirtschaftlichen Realität entsprechen). Noch mag der Dollar für uns Europäer halbwegs günstig stehen. Doch mancher Laden rechnet durchaus 1:1 um und 50 Euro sind schon ein gepfefferter Preis – auch wenn man mindestens sechs Spielabende mit „The Tomb of Ice“ verbringen kann (und es damit immer noch deutlich billiger kommt, als mit vier Leuten ins Kino oder in die Kneipe zu gehen).

Fazit: Die mittlerweile vierte Erweiterungsbox für das Brettspiel „Descent“, „The Tomb of Ice“, bietet genau das, was „Descent“-Spieler mögen: neue Monster, neue Helden, neue Abilities, neue Dungeons. Nach den Fallen in „Well of Darkness“ und dem „Treachery“-Konzept in „Altar of Despair“ führt „The Tomb of Ice“ nun die sehr spielerfreundlichen Feat Cards ein. Overlords, die ihrer Gruppe mal was Gutes tun wollen (und einen Fuffi zu viel in der Geldbörse haben), sollten also unbedingt zugreifen. Auch im Falle der Qual der Wahl würde ich aus Gründen der guten Spielbalance zu dieser Erweiterung raten – erst Recht, wenn man bereits „Road to Legend“ besitzt.


Descent: The Tomb of Ice
Brettspiel-Erweiterung
Jason Steinhurst
Fantasy Flight Games/Heidelberger Spieleverlag 2008
ISBN: 978-1-58994-459-6
27 Plastikminiaturen, 110 Karten, 43 Kartenteile, 37 Spielmarken, Stealth-Würfel, Regeln & Quest Guide, englisch
Preis: $ 49,95

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