Descent: The Altar of Despair

In alten Zeiten beteten fehlgeleitete Männer eine dunkle Macht an, die gerade jenseits des Lichts in den Schatten lauerte. Nun setzen sie erneut alles daran, ihren finsteren Herrn und Meister zu erwecken. Sollte es ihnen gelingen, bedeutet dies das Ende für alles, was uns lieb und teuer ist. So ist es an euch – während geringere Männer sich vor Grauen winden –, die Waffen zu ergreifen und die Welt gegen jene zu verteidigen, die sie auf immer unterwerfen wollen.

von Bernd Perplies

Markige Worte zieren die Rückseite der neuen „Descent“-Erweiterung „The Altar of Despair“ – aber tatsächlich ist die gewichtige Box einmal mehr nichts für Zauderer und Weicheier, denn eine ganze Menge neuer Gefahren erwarten die Spieler in den dunklen Gängen und Hallen, die sie durchstreifen müssen, um letztlich den Tempel von Zorek, dem Gott der Verzweiflung, zu finden und zu zerstören. Das Cover zeigt einen Troll in angriffslustiger Pose und lässt sich zusammen mit dem „The Well of Darkness“-Karton zu einem Widescreen-Motiv zusammenlegen.

Das Innere ist bis zum Rand mit neuen Späßen gefüllt, die Abwechslung ins Spiel bringen. Fluch und Verderben sind die Schlagworte dieser Erweiterung, entsprechend finden sich drei Dark Glyphs, dazu Cursed Treasures, Dark Relics und Corrupted Terrain in der Box. Sie alle bringen den Helden Nachteile, wenn diese jene aktivieren, tragen oder durchwandern wollen. So kann es passieren, dass ein Held eine Schatzkiste öffnet und plötzlich wird ein dunkles Artefakt an ihn gebunden, das ihm bis zu seinem (nächsten) Tod nur Leid bringt. Oder dass, wann immer ein Held durch vom Bösen korrumpiertes Gebiet streift und dabei Schaden nimmt, der Overlord seinerseits an Macht (a.k.a. Threat Tokens) gewinnt.

Neben Gängen und ganzen Räumen, die „corrupted“ sind, gibt es auch Corrupted-Markers mit demselben Effekt. Das zweite neue Hindernis (Obstacle) ist Nebel. Fog-Markers blockieren zwar nicht die Bewegung, aber schränken die Sicht deutlich ein, sodass Fernkämpfer und Magier einiges an Vorteil verlieren. Extra gemein sind die „Crushing Walls“, eine neue Fallenart beweglicher Wände, die übers Spielfeld wandern und jeden Helden, der zwischen ihnen und einer Wand gefangen wird, zerquetschen.

Zwei neue „andauernde Effekte“ greifen Gesundheit und Ausrüstung der Helden an: „Frost“ und „Curse“. Bei einem verfluchten Helden steigt der Conquest Value an, das heißt, wann immer er stirbt, verliert die Gruppe zusätzliche Conquest Tokens. Ein frostiger Held bekommt derweil Probleme mit seiner Ausrüstung. Wann immer er zuschlägt oder Schaden absorbiert, muss er einen Power Die würfeln – und zeigt dieser seine leere Seite, ist die Waffe oder Rüstung futsch.

Fünf neue Monstertypen machen in Form 21 neuer Plastikminiaturen unter der Herrschaft des Overlords die Unterwelt unsicher: Die verstohlenen Deep Elves sind dank „Shadowcloak“ nur im Nahkampf zu treffen, die brutalen Blood Apes werden zu kampfstarken Berserkern, wenn sie verwundet sind, die Trolle gebärden sich zwar plump, aber wenn sie treffen, machen sie furchtbaren Schaden, die Dark Priests entziehen ihren Feinde die Kraft und Nutzen sie für sich und das blasphemische Chaos Beast schließlich besitzt die Fähigkeit, sich zu verwandeln, und kann so ganz unterschiedliche Angriffe durchführen.

Darüber hinaus stehen 49 neue Overlord-Karten zur Verfügung, die aber nicht einfach eingemischt werden, sondern ein gezieltes Zusammenstellen des Overlord-Decks ermöglichen. Wie schon in „The Well of Darkness“ kommt hier der Spielmechanismus der „Treachery“ zum Einsatz, der sich an den Quests orientiert und so die Effektivität des Overlord-Zugstapels, da nun maßgeschneidert, deutlich erhöht!

Doch auch an die Spieler wurde gedacht. Sechs neue Helden (Karte und Figur) erweitern die Qual der Wahl für die Spieler, mit welchem Recken sie in die Dunkelheit ziehen wollen. Darunter befinden sich der Magier Sahla, der Effect Tokens abschüttelt wie Wasser von seiner imprägnierten Kutte, der Zwergenkraftprotz Corbin, der Wunden einfach besser wegsteckt als alle anderen, und der Goblinscout Kirga, an den sich kein Monster ungesehen anschleichen kann.

Um diese Heroes bereit für den Kampf zu machen, liegen der Box zwölf neue Skill-Karten sowie fünf neue Gegenstände und 18 Schatzkarten bei. Unter den Skill-Karten befinden sich zwei sehr coole neue Familiars, nämlich „Sharr the Brightwing“, der jede Runde 2 Wunden eines Helden heilen kann, sowie die „Shadow Soul“, eine Art Gestalt gewordener Teleportationszauber. Lustig auch ist der Skill „Necromancy“, der es erlaubt, gefallene Monster (also immer eins) zu übernehmen und als Minion mit der Truppe mitzuführen. Neu ist zudem die Invulnerability Potion, die als goldenes Fläschchen in dunklen Ecken der Dungeons liegt und es erlaubt, nach Genuss einem beliebigen zukünftigen Angriff mit +10 Armor zu wiederstehen. Heftig! Und nützlich.

Gänzlich neu ist der Spielmechanismus der „Prolonged Action“, also einer Aktion, die längeren Zeitraum in Anspruch nimmt. Dazu kann das Knacken von Türschlössern oder das Suchen nach einem verborgenen Hebel gehören. Hiermit kommt ein nettes Rollenspielelement ins Spiel, denn nun gilt es nicht mehr nur, zu rennen und zu kämpfen, sondern auch gewisse Aufgaben zu lösen. Dazu nimmt der Held den erforderlichen Skill und darf jede Runde Power Die im Wert seines Skills werfen (wenn er sich „konzentriert“ sogar zwei Mal). Dadurch sammelt er „Surges“ (Blitzsymbole) an, bis ein Zielwert erreicht ist.

Das beiliegende Heft vereint erneut Regeln und Quest Guide unter einem Cover. Zehn Seiten lang werden die neuen Spielmaterialien vorgestellt und einige Regeln des Grundspiels näher erläutert (oder korrigiert). Danach warten insgesamt sechs Questen auf die mutige Abenteurergruppe. Das sind zwar drei weniger als noch in der Vorgänger-Expansion „The Well of Darkness“, dafür aber sind sie spielerfreundlicher als die doch stellenweise ultraschweren Abenteuer, die es in jener zu bestehen galt. Bis auf die letzten beiden Questen, die so eine Art Mini-Kampagne darstellen (finde Hinweis zum Tempel und räume Tempel dann aus), sind die Missionen voneinander unabhängig. Das Spektrum reicht dabei vom klassischen Dungeon-Crawl mit Dörfler-Befreiung über die Verteidigung eines Kellos-Tempels bis hin zum Erforschen einer unterirdischen und von Geistern heimgesuchten Stadt.

Fazit: „The Altar of Despair“, die zweite Erweiterungsbox für das Brettspiel „Descent“, kommt mit etlichen neuen Spielmaterialien daher, von denen mir vor allem das Konzept der Prolonged Action, die Dark Relics und die vielen verschiedenen Monster gefallen. Mit verfluchten und frierenden Helden, Nebel und zusammenrückenden Dornenwänden wird zudem einmal mehr eine ganze Menge geboten, auch um eigene Szenarien aufzupeppen. Ein bisschen schade ist die teilweise geringe Menge der einzelnen Monster-Miniaturen. Mit nur drei Deep Elves kann man nicht so viel anfangen. Auch die Zahl der Questen ist mit sechs eher knapp bemessen. Alles in allem wird hier also insbesondere Spielmaterial geboten – für dessen Einsatz ist die Fantasie des Overlords gefragt.


Descent: The Altar of Despair
Brettspiel-Erweiterung
Kevin Wilson
Fantasy Flight Games/Heidelberger Spieleverlag 2006
ISBN: 1-58994-333-3
27 Plastikminiaturen, 110 Karten, 8 Kartenteile, 120 Spielmarken, Regeln & Quest Guide, englisch
Preis: $ 39,95