Der zerbrochene Stern 2 – Im Schatten der Grauen Jungfer

Die Jagd nach den Scherben des zerbrochenen Sterns geht weiter. In Im Schatten der Grauen Jungfer – dem zweiten Teil des Abenteuerpfades „Zerbrochener Stern“ – ziehen die Helden aus, einen uralten Leuchtturm zu erkunden. Neben einer Söldnerbande stellt sich ihnen auch die Runenherrscherin der Lust entgegen.

von Tobias Dworschak

 

Grundlage der Rezension ist die PDF-Ausgabe des Bandes. Das sind 100 vollfarbige Seiten, in gewohnten, zweispaltigen Layout. Neben dem zweiten Teil der Kampagne – diesmal von Mike Shel – beinhaltet das Heft einen Hintergrundartikel zu den Grauen Jungfern und einen zu Torag, dem Gott der Zwerge. Daneben gibt es wie gewohnt eine Kurzgeschichte und ein Bestiarum. Abgerundet wird die Datei durch 4 Seiten mit den Karten aus dem Abenteuer.

Erscheinung, Aufmachung und Übersetzung sind in gewohnter Qualität. Gleiches gilt für die Abbildungen, die vielfach NSC darstellen und einen guten Eindruck von der jeweiligen Figur vermitteln. Das Abenteuer selbst spielt ein wenig auf den zweiten Abenteuerpfad („Curse of the Crimson Throne“) an, der nicht auf Deutsch erschienen (und auch nicht geplant) ist, in dem aber die Grauen Jungfern bereits einen prominenten Auftritt hatten.

Ich denke, es ist unnötig zu sagen, dass in den folgenden drei Absätzen Spoiler zur Handlung des Abenteuers enthalten sind.

Wie bereits in der Rezension zum ersten Band der Kampagne dargestellt, handelt es sich beim „Zerbrochenen Stern“ um einen Dungeon-lastigen Abenteuerpfad. Dies wird auch gleich zu Beginn des zweiten Teils deutlich. Der Aufhänger bleibt gleich: Findet die nächste Scherbe (diesmal der Lust oder Wollust, die Übersetzung ist da nicht ganz einheitlich) des zerbrochenen Sterns. Praktischerweise verrät eine Vision der zweiten Scherbe auch grob den Aufenthaltsort und so geht die Reise, die knapp eine Spalte Platz einnimmt, los – zu einem alten, legendären Leuchtturm im Sumpf.

Die erste Herausforderung für die Charaktere ist es, einen Eingang in den Leuchtturm zu finden. Hierzu können sie sich wahlweise mit den verfeindeten Troglodyten oder Boggards verbünden. Oder mit keinem von beiden. Oder den Konflikt beenden. Der Ansatz ist hier sehr schön, bietet zahlreiche Optionen zum Rollenspielen (auch durch die wirklich gelungen gestalteten NSC, die man im Sumpf treffen kann) und lockert das Abenteuer auf.

Den Hauptteil nimmt aber doch die Erkundung des Dungeons unter und im Liebfrauenlicht ein. Da es sich um ein Relikt der Runenherrscherin Sorschen handelt, lässt sich hier natürlich viel Geschichte erleben. Eine Kompanie Grauer Jungfern hat in dem Leuchtturm ihren Unterschlupft gefunden und träumt davon, Rache an Korvosa zu nehmen (eine Fortentwicklung aus den Ereignissen in „Curse of the Crimson Throne“). Die Herrscherin des Turmes hat andere Pläne, die sich nach und nach entfalten. Wiewohl es sich um einen Dungeon handelt, gelingt es dem Autor doch, spannende Kämpfe, denkwürdige Charaktere und sogar eine sich entfaltende Handlung unterzubringen. Es gibt Fallen, Rätsel und natürlich auf den Kampf gemünzte Begegnungen, allerdings auch mit der Möglichkeit, an diesem Ort Verbündete zu gewinnen.

Es folgt die Vorstellung der beiden wichtigsten NSC in diesem Abenteuer, und ich hatte schon in der Rezi zum ersten Teil erwähnt, dass ich diese Darstellung und den Raum, der den Figuren damit eingeräumt wird, gelungen finde. Selbst wenn man das Abenteuer oder den Abenteuerpfad nicht spielen möchte, kann man die beiden mit den hier gelieferten Hintergründen sehr gut auch in anderen Geschichten verwenden.

Ebenso werden wieder besondere Schätze aus dem Liebfrauenlicht vorgestellt.

Um es gleich vorweg zu nehmen: Der Rest des Heftes fällt dagegen etwas ab.

Da ist zunächst der Hintergrundartikel über die Grauen Jungfern, auf den man, kurz gesagt, hätte verzichten können. Die Grauen Jungfern sind eine Gruppe von Elitesoldatinnen aus Korsova. Es gibt sie – nach der Zeit, die auf Golarion insgesamt vergangen ist – noch nicht so furchtbar lange, aber sie gehörten zu den ikonischen Gruppen der Spielwelt. Nur – wozu dieser Artikel? Hier wird erzählt, wann und warum die Grauen Jungfern gegründet wurden, wer ihre Anführerinnen und besonderen Mitglieder waren und was nach dem Fall ihrer Stifterin mit den Gruppen geschehen ist. Das ist zwar alles sehr schön, um etwas über den Hintergrund der Spielwelt und ihre Geschichte zu erfahren und zur Not kann man hier noch Ansätze finden, die sich in eigenen Abenteuer weiterentwickeln lassen. Im Großen und Ganzen empfand ich die Lektüre des Kapitels aber als Zeitverschwendung und habe mich ein bisschen über diese Seiten geärgert. Sie helfen nicht einmal dabei, die Grauen Jungfern im Liebfrauenlicht glaubwürdiger darzustellen.

Mit Torag wird die Serie um die Vorstellung der wichtigsten Götter Golarions fortgesetzt. Der Aufbau folgt dem, was bisher zu den Göttern zu lesen war, und hier findet der interessierte Leser Wissenswertes zu Torag, seinen Beziehungen zu den anderen Göttern, seinen Glaubensgrundsätzen, Feiertagen und Klerikern. Insgesamt ist Torag ein viel zu stereotypischer Zwergengott (aha, er findet Schmieden und Handwerkskunst gut), als dass er mich wirklich fesseln würde und seine Vorstellung in diesem Heft ändert daran leider nichts. Sicher kann man darüber streiten, ob es notwendig ist, einen besonders originellen Zwergengott zu erfinden – ich persönlich hätte hier mehr erwartet. Der Spieler des Torag-Klerikers in meiner Gruppe konnte dem Artikel auch nicht viel Neues abgewinnen.

Die Fortsetzung der Geschichte um Taldara von Bill Ward „Neue Berufungen“ leidet unter dem knappen Raum, schafft es aber, der Protagonisten mehr Tiefe und Facetten zu geben. Nach den beiden vorangegangenen Kapiteln eine echte Entspannung und dass, obwohl ich in den englischen Abenteuerpfaden die Geschichte meistens übersprungen habe.

Den Abschluss des Bandes bildet wie gewohnt das Bestarium, in dem 5 neue Kreaturen mit Herausforderungsgraden zwischen 1 und 15 präsentiert werden, wobei der Schwerpunkt auf niedrigstufigen Gegnern liegt. Neben einem Herold für Torag (HG 15) und neuen Thassilonischen Wächtern (2 Varianten) sind dies die aus meiner Sicht sehr gelungenen Boggardartigen. Mit dem Bogquapp und dem Bogwisch werden zwei Sumpfbewohner vorgestellt, die ich jederzeit in einer sumpfigen Umgebung einsetzen würde.

Zum Abschluss gibt es 4 Seiten mit den Karten aus dem Heft – ich kenne dies weder aus dem englischen PDF noch aus dem englischen gedruckten Heft, finde diese Idee aber hervorragend. Bei der Vorbereitung der Abenteuer muss ich Karten für meine eigene Orientierung im Dungeon mühsam aus den Seiten des Heftes heraus kopieren; sie gesammelt an einer Stelle zu haben ist eine wirkliche Bereicherung.

Die Innenumschläge werden von zusätzliche Aufträgen, die die Charakteren übernehmen – und praktischerweise auch in den Modermarschen oder dem Liebfrauenlicht erledigen können – und zwei Monumenten aus Magnimar eingenommen, die bei bestimmten Handlungen bestimmte Boni verleihen.

Fazit: „Im Schatten der Grauen Jungfer“ ist – wenn ich nur das Abenteuer betrachte – die gelungene Fortsetzung eines Abenteuerpfades, der zweierlei verfolgt: interessante Gewölbe und einen engen Bezug zur Geschichte der Runenherrscher. Und der zweite Teil macht hierbei vieles richtig. Das Liebfrauenlicht erscheint beim Lesen spannender als der Brückenpfeiler aus dem ersten Band. Allerdings beginn die Art der Verbindung der einzelnen Abenteuer – nämlich durch die Visionen, die bereits gefundenen Scherben vermitteln – mich hier schon zu stören. Viel mehr vorgeben kann man eine Handlung eigentlich nicht. Aber vielleicht ist das etwas, worauf man sich einlassen muss, wenn man diesen Abenteuerpfad spielt.

Die Hintergrundartikel enttäuschen, weil sie keinen wirklichen Mehrwert bieten. Wer also den Abenteuerpfad nicht spielen will hat wenig Anreiz, das Heft zu erwerben.


Der zerbrochene Stern 2 – Im Schatten der Grauen Jungfer
Abenteuerpfad
Mike Shel u.a.
Ulisses Spiele 2013
ISBN: 978-3-86889-3-052
96 S., Softcover, deutsch
Preis: EUR 22,95

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