Der Weg des Inquisitors

Torins Traum ist es, eines Tages Inquisitor der Kirche zu werden, um für den Glauben und die Kirche zu streiten, die ihn als Waisenjunge aufnahm. Durch Zufall erregt er die Aufmerksamkeit eines Inquisitors, der ihn auch noch in die Hochstadt des Glaubens mitnimmt. Es folgt eine Ausbildung, die jedoch gegen die finsteren Mächte der Welt vollkommen nutzlos sein könnte.

von Lars Jeske

In Reich Antasia hat die Kirche der Göttlichen Familie sehr hohes Ansehen. Vor allem in der Hauptstadt Centos oder dem Sitz der Kirche in Aurelia, der heiligen Stadt, herrschen Wohlstand und ein beschauliches Leben. Das freilich nützt dem elfjährigen Waisenjungen Torin nichts. Fernab der Hauptstadt lebt er in einem unwirklichen Wüstenlandstrich der Provinz Talarien in einem Kloster in der Mitte von Nirgendwo.

Seine große Chance ist der Inquisitors Naron Balosta, dessen Weg zu Torin nach Assani führt. Er soll einer vermeintlichen Hexe den Prozess machen, und hierbei begegnen sich der Junge und der Inquisitor das erste Mal. (Für den Leser gibt es auch schon einmal das erste Aufblitzen einer alten Macht, die diese Frau womöglich befallen hat.) Wenngleich von dem Kleinen beeindruckt, ist es doch erst die Rettung während eines plötzlichen Sandsturms, der das Tor für Torin in die große weite Welt öffnet. Denn es gelingt ihm durch Feuereifer den Inquisitor zu überzeugen und dieser nimmt ihn mit nach Aurelia, um Torin für die Ausbildung in der Kirche vorzuschlagen. Und vielleicht beginnt damit dessen eigener Weg des Inquisitors.

Was folgt ist die Schilderung der Ausbildung der Jugendlichen, welche beinahe dem Schema F folgt oder auch im Schnelldurchlauf an die Lehrjahre eines gewissen Zauberlehrlings mit Narbe auf der Stirn erinnert. Der ungeliebte Waisenjung hat nur wenige Freunde und muss über mehrere Schuljahre hinweg die Drangsalierungen der Mitglieder einer reichen Familie erdulden, ob durch Lehrer oder Mitschüler. Er arbeitet sich nach oben und erlebt seine Sozialisierung unter religiöser Führung. Einige für den Verlauf der Geschichte relevante Entscheidungen sind dabei wirklich nur aus Kindersicht nachvollziehbar. Andere bieten auch in der Erwachsenenwelt keine großen Alternativen. Durch die primär auf Torin fixierte Handlung muss hierbei jedoch der Leser mitgenommen werden, um der Geschichte folgen zu wollen. Das funktioniert in weiten Teilen, mitunter wären jedoch offensichtliche Handlungsalternativen interessanter gewesen. Abstriche für Abzüge bei der Realitätsnähe der Geschichte gibt es aber nicht.

Da der Roman anderenfalls auch als historisches Werk einer (hier jedoch größtenteils erfundenen) mittelalterlichen Welt im Sinne einer Iny Lorentz gelten könnte, gibt es eine Prise Sci-Fi oder mystische Phantastik. Herausstechender Faktor, um den neuesten Streich von Frank Rehfeld namens „Der Weg des Inquisitors“ dem Genre der Fantasy zuzuordnen, ist die Macht der alten Zivilisation. Diese wird wohlweislich nur angerissen, sodass deren Beweggründe und Stärke noch weitestgehend offen sind und dadurch auf alle Fälle Potenzial für mindestens einen weiteren Band bleibt. Es handelt sich dabei um eine Gefahr, die selbst die allgegenwärtige Kirche unterschätzt und die vermutlich Auswirkungen auf die ganze Welt haben wird, so sie wieder erstarkt.

Frank Rehfeld bedient sich beim Erzählen eines ruhigen, unaufgeregten Stils. Einer, der manchmal fast schon zu sachlich ist und einen dabei fast vergessen lässt, dass auf den knapp 500 Seiten mehrere Jahre vergehen und eine komplette Charakterentwicklung stattfindet. Eine, die den Grundstein legt, um in möglichen nachfolgenden Romanen schwere Entscheidungen nachvollziehbar zu machen, da sie Torins Wesen entsprechen. Der Fokus des Erzählers liegt eindeutig beim Hauptcharakter, die sonstige Welt außerhalb der Ausbildung wird nur kurz skizziert. Der Autor sah sich (dadurch) sogar genötigt, etwas zum Setting zu sagen, was schon nach Rechtfertigung klingt und bei einem Fantasy-Roman eher selten bis nie vorkommt. Es geht um die Beeinflussung der Kirche, deren Stellenwert und ihre gegebenenfalls indoktrinierenden Ansichten. Bei all dem noch immer unterschwellig schwelenden Hass und der Skepsis einiger potenzieller Leser vielleicht angebracht, ist es aber eben doch „nur“ Unterhaltungsliteratur; Fantasy ohne Elfen und Zwerge. Ähnlich wie bei seinem Roman zu „Blue Moon“ geht es Rehfeld jedoch eher um die Moral dahinter, als das vordergründig aktive Setting.

Fazit: Wenngleich „Der Weg des Inquisitors“ nicht viel Neues oder Überraschendes bietet, ist das Setting so interessant und gut geschrieben, dass man den Roman gern bis zum Ende liest. Vor allem dort gibt es dann richtig Action und Spannung, welche glücklicherweise insoweit ausgelöst wird, dass es nur einen halben Cliffhanger gibt und es bei Gefallen für den Leser ein Wiedersehen in Antasia geben kann. (Vorausgesetzt es gibt noch einen weiteren Roman als Fortsetzung.) Ein kurzweiliges Lesevergnügen, welches nur durch die erwähnten Foltermethoden des Mittelalters nicht schon für die jüngsten Leser geeignet ist.


Der Weg des Inquisitors
Fantasy-Roman
Frank Rehfeld
blanvalet 2016
ISBN: 9783734160561
470 S., Paperback, deutsch
Preis: EUR 14,99

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