Der Verlorene Thron

Der Kaiser ist tot, lang lebe ... Durch eine Intrige wurde der alte Herrscher ermordet, und rasch ist ein Schuldiger ausgemacht. Einer seiner jungen Söhne sollte somit schnellstmöglich den Thron besteigen, damit wieder Ordnung einkehrt. Aber es gibt Emporkömmlinge, die an der Legitimation der Herrschaftslinie zweifeln und zudem sind die Söhne weit entfernt. Als dann neue Schrecklichkeiten bekannt werden, droht das Ende des Reichs.

von Lars Jeske

 

Brian Staveley trifft mit seinem 2013 in den USA veröffentlichen Debütroman „The Emperor’s Blade - Chronicle of the Unhewn Throne Book 1“ genau den Zeitgeist. Also die Zeit, in der der Hype um „Game of Thrones“ besonders groß ist und sich die Bücher sowie die darauf basierende Serie überraschenderweise wie geschnitten Brot und warme Semmeln zusammen verkaufen. Ich möchte dem Autor nicht unterstellen, den Hype extra genutzt zu haben, schließlich schreiben sich knapp 750 Seiten plus das Grundgerüst inhaltlicher Fortsetzungen nicht mal so nebenher an ein paar Wochenenden. Dennoch kam es ihm sicherlich zupass, dass der Massenmarkt gerade von derartigen Geschichten nicht genug bekommen kann. Also wieso nicht anstatt der Neuauflage von Genreklassikern mal von der Verlagsseite ein neues Buch herausbringen?

Beim deutschen Cover wollte man eindeutig auch nichts anbrennen lassen. Das Wort „Thron“ steht überproportional groß auf dem Titel, es ist ein Thron zu sehen auf dem zufällig auch noch drei Schwerter liegen (die an die Baratheon-Brüder erinnern könnten) und dann gibt es noch die Catchphrase „Drei Erben. Ein Reich. Eine mörderische Intrige.“, die einem auch noch in diese Richtung drücken will. Ebenso die Blurps auf der Rückseite. – Also wenn das nichts wird. Gekonntes Marketing für alle, denen der immer größer werdende zeitliche Abstand von G.R.R.M. nicht passt und die auch zwischendurch etwas Ähnliches lesen wollen.

Und in der Tat ist nüchtern betrachtet „Der Verlorene Thron“ gut gelungen, wenngleich eine gewisse Ähnlichkeit nicht abzustreiten ist. Glücklicherweise findet sich diese Ähnlichkeit eher in der Erzählstruktur, als beim uferlosen Inhalt, den der G.R.R.M. nicht mehr ganz unter Kontrolle zu haben scheint und der so von Nebenkriegsschauplätzen strotzt, dass die große Handlung seid Jahren nicht vorankommt.

Aber zum Inhalt von „Der Verlorene Thron“. Der Kaiser von Annur, Sanlitun hui’Malkeenian, ist tot, heimtückisch ermordet. Legitim wäre es nunmehr, wenn aus den Reihen seiner drei leiblichen Kinder jemand auf den unbehauenen Thron nachrücken würde. Eine Frau geht nicht, somit scheidet seine Tochter Adare aus; bleiben sein Ältester Kaden oder dessen jüngerer Bruder Valyn. Allerdings befinden sich beide bereits seid Jahren an weit entfernten Orten des Reiches und werden getrennt voneinander und ohne Kontakt zum Vater oder dem königlichen Hof unterschiedlich erzogen. Die Gründe dafür sind relativ verborgen, der Fakt jedoch bleibt. Somit geht es in weiten Teilen des Romanes um das Aufzeigen der aktuellen Lebenssituation und das Näherbringen der Charaktere. Alle drei Kinder haben somit ihr eigenes Leben und ihre eigene Geschichte.

Seine Tochter Adare blieb all die Jahre bei ihm in der Hauptstadt und man erfährt etwas über das Leben am Hofe. Kaden lebt seid acht Jahren in einem abgeschiedenen Kloster bei Mönchen. Dort gibt es ein karges Leben und Weisheiten nehmst Bestrafungen, die ihn für das Leben zeichnen und stärken sollen. Sein jüngerer Bruder Valyn wurde hingegen etwa zur gleichen Zeit zu den Kettral geschickt. Dies ist die Kriegerelite des Reiches und quasi eine Militärakademie. Je ein großer Vogel und eine fünfköpfige Besatzung bilden bei den Kettral ein Geschwader. Um es jedoch überhaupt so weit zu schaffen, ist ein jahrelanges Training, härter als man es sich vorstellen mag, nötig und dann folgt Hulls Prüfung, die nicht alle überleben werden.

Lang und ausführlich beschreibt der Autor punktuell einige der Lebenswege in dieser Welt. Anhand der drei Königskinder, die an unterschiedlichster Stelle im Reich jeweils ihre Adoleszenz verbrachten, wird nicht nur deren Charakter, soziales Umfeld und ihre Weltanschauung beschrieben. Durch die extremen Unterschiede werden auch das Leben am Hofe, im Bergkloster und bei der elitären Kriegerkaste als nahezu eigene Geschichten in der Geschichte verarbeitet und verschiedene Teile der Welt offenbart. Schwerpunkt liegt hierbei auf den beiden Brüdern, deren Geschichten jedoch sehr ähnlich sind. Adare und das Leben bei Hofe sind nur eine Randerscheinung. Dementsprechend findet die Hauptgeschichte um die Ermordung auf vielen Seiten keine Beachtung, dafür werden eben Grundlagen für diese Welt geschaffen und auf eine detaillierte Charaktereinführung Wert gelegt. Es sind eigentlich drei unabhängige Geschichten, die in einem Buch verwoben sind, wodurch die Dicke des Romans erst nötig wird.

Gegen Ende dieses Auftaktbandes nimmt sich der Autor dann auch wieder energisch des roten Fadens, sprich der ursprünglichen Geschichte, an. Wer bis hierhin durchhielt, wird belohnt. Versatzstücke werden zusammengefügt, wichtige Personen begegnen sich und der Autor überrascht mit ein paar Wendungen und Pageturnern. Nach den etwas über 700 Seiten fühlt man sich wie am Ende von Tolkiens „Die Gefährten“: Man ist auf das Setting eingestimmt, nun kann es losgehen und die Geschichte richtig beginnen.

Fazit: Brian Staveley ist mit „Der Verlorene Thron“ ein guter Auftakt zu einer großen Saga gelungen. Anleihen bei dem aktuell populären „Das Lied von Eis und Feuer“-Weltenentwurf sind dabei sehr deutlich, aber nicht störend. Ähnlich brutal und blutig geht es auf alle Fälle zu. Die schiere Anzahl eingeführter Charaktere hält sich aber in Grenzen und diese überleben zudem weite Teile der Geschichte. Nach einer langen Einführung der drei mutmaßlichen Hauptcharaktere der kommenden Bücher, wird es zum Ende hin spannend und durch ein paar nicht komplett vorhersagbare Handlungsverläufe ergeben sich viele Anknüpfungspunkte für die Fortsetzungen. Diese sind auch nötig, bleibt der Autor doch die große Auflösung schuldig und hat auch ein paar entscheidende Beweggründe noch nicht ausdifferenziert. Große Aufgaben, die hoffentlich mit der bereits angekündigten Fortsetzung „Thron in Flammen“ (Ende 2015) vernünftig angegangen und zufriedenstellend für den Leser aufgelöst werden. Nun gilt es die selbst heraufbeschworenen hohen Erwartungen zu erfüllen. Dies wird nicht leicht, erscheint aber möglich. Beste Voraussetzungen also, auch die Fortsetzungen an die gewillten Leser zu bringen und sich eine solide Fangemeinde aufzubauen.


Der Verlorene Thron
Fantasy-Roman
Brian Staveley
Heyne 2015
ISBN: 9783453316614
740 S., Softcover, deutsch
Preis: EUR 14,99

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