Der Schrecken der Schädelbucht (Uthuria)

Vor einem Götterlauf schickte das Horasreich eine Expeditionsflotte zum unbekannten Südkontinent Uthuria, um vor den verhassten Al’Anfanern die fremden Lande zu entdecken und in Besitz zu nehmen. Da bisher kaum Botschaften und noch weniger Schätze zurück ins Horasreich gebracht wurden, wird eine kleine Flotte ausgesandt, um zu erkunden, was in der Kolonie Nova Methumisa vor sich geht. Doch schon die Überfahrt birgt Gefahren. Bei der Ankunft müssen die Helden feststellen, dass die heruntergewirtschaftete Kolonie von außen wie von innen bedroht wird.

von Ansgar Imme

Das Abenteuer „An fremden Gestaden“ leitete die Entdeckung und Besiedlung des Südkontinents Uthuria durch die Großmacht Al’Anfa ein, dem die Trilogie „Grüne Hölle“ folgte und erste Erkundungen erlaubte. Das vorliegende, 128 Seiten starke Abenteuer von Marie Mönkemeyer, Marc-André Karpienski und Markus Lütkemeyer erlaubt das Teilhaben an einer Expedition auf Seiten des Horasreiches und das Erkunden der seltsamen Ereignisse in der Kolonie.

Der Startpunkt der Reise und die Anwerbung der Helden erfolgt in der horasischen Hafenstadt Belhanka. Nachdem längere Zeit nur wenige Neuigkeiten aus der Kolonie eingetroffen sind, wird eine kleine Expeditionsflotte zusammengestellt, um auf dem Südkontinent nach dem Rechten zu sehen. Über verschiedene Auftraggeber können die Helden zur Mannschaft der Flotte stoßen und damit auch ganz unterschiedliche Ziele und Aufgaben mit auf die Reise bekommen. An Bord der Karacke „Prinz Sirlan“ haben sie zunächst die Möglichkeit, die Mannschaft wie auch einige Siedler und gar Sträflinge nach und nach kennenzulernen. Die Helden können sich mit ihnen im Wettstreit messen, Streite schlichten, einzelne Inseln auf der Strecke erkunden und schließlich auch in einem Mordfall an Bord des Schiffes ermitteln. Kurz vor der Ankunft in Nova Methumisa legt die Flotte zur Ausbesserung der Schiffe noch an einer Insel an. Hier entdeckt man die Spuren einer vergangenen Kultur sowie eine unheimliche Bucht, die mit den Knochen unterschiedlichster Lebewesen übersät ist und von der Besatzung den Namen „Schädelbucht“ verpasst bekommt.

Als man nach kurzer Weiterfahrt durch ein gewaltiges Flussdelta in der horasischen Niederlassung auf dem Südkontinent ankommt, erwartet die Helden und die Besatzung leider kein herzlicher Empfang durch die Obrigkeit, sondern abgerissene und erkrankte Siedler, die nur schnell wieder nach Hause wollen und das Schiff zu stürmen drohen. Hier gilt es, die Besatzung und die neuen Siedler zu schützen und eine frühzeitige Eskalation mit den verstörten Flüchtenden zu vermeiden. Die Helden erkennen anschließend, dass die Kolonie am Abgrund steht: Eine Hungerepidemie droht, die Gouverneurin zeigt wenig Interesse an den Geschehnissen und setzt höchstens erbarmungslos Regeln und Gesetze durch, und die Stimmung und Moral unter den alten Siedlern ist auf dem Tiefpunkt.

Die Helden werden vielerlei gefordert: Eine Seuche ist zu bekämpfen, gefährliche Schwarzoger wollen bezwungen werden, es gilt weitere Morde aufzuklären und Phobien entwickeln sich unter den Bürgern. Die Stimmung wird immer schlimmer, und es kommt zu ständigen Streitigkeiten der Einwohner, zu einem Amoklauf und zu einem Duell der Magier. Die Helden erkennen, dass irgendeine dunkle Macht die Einwohner der Kolonie beeinflusst und gegeneinander aufhetzt. Bevor es zu einem Aufstand oder größerer Revolte kommt, werden die Helden in den Dschungel geschickt, da man vermutet, dass die Eingeborenen an der Misere schuld sind. Doch das Blatt dreht sich, als sie auf die „Wilden“ treffen und erfahren, dass eine andere Macht dahinter steckt. Sie überzeugen einen Schamanen, ihnen zu helfen und müssen in kurzer Zeit wichtige Zutaten für ein Ritual zur Vernichtung des Gegners sammeln. Im Ritual enttarnt sich der Gegner schließlich, und die Helden haben die Möglichkeit, diesen zu vernichten und der Kolonie Frieden zu schenken.

Kritik: Aufmachung, Layout, Inhalt

Auf 128 Seiten präsentiert sich das Abenteuer im „DSA“-typischen Gewand. Das Cover mit zwei Schiffen vor der Küste südlicher und urwaldlicher Lande wirkt dabei ebenso wie die farbige Übersichtskarte und Portraits im Innenband zu deutlich am PC erstellt und damit zu glatt und steif. Auch die meisten Illustrationen des Bandes teilen diesen Stil und vermitteln damit zu wenig Flair, obwohl sie weitestgehend als gelungen zu betrachten sind (sehr schlecht allerdings ist das Bild des Schamanen). Besser sind hier die Karten gehalten, die zumindest die wichtigsten Örtlichkeiten abdecken, auch wenn – wie schon üblich bei „DSA“-Abenteuern –, noch die eine oder andere Karte für Gebäude dem Abenteuer gut getan hätte. Zu loben ist der fast 30-seitige Anhang, der die Kolonie, seine Bewohner, das Umland und die Eingeborenen beschreibt sowie Werte aller wichtigen Gegner enthält.

Von der Struktur, dem Ablauf und der Ausarbeitung her kann das Abenteuer durchaus überzeugen. Es gibt einen groben roten Faden von Beginn bis zum Ende, und gleichzeitig wird an nahezu allen Stellen den Spielern ausreichend Freiheiten und Möglichkeiten gegebenen, in verschiedenen Richtungen zu ermitteln oder zu agieren. Das beginnt bereits bei der Einführung, in der verschiedene Auftraggeber aufgeführt und mit Motivationen versehen werden und die Helden auch mit unterschiedlichem Hintergrund ins Abenteuer starten lassen, je nachdem was die Spieler am meisten anspricht. Einzig zu kritisieren ist, dass auf die Ziele des Auftraggebers später nicht weiter eingegangen wird. Diese werden durch die eigentliche Handlung auch verdrängt. Sollten die Spieler hier verstärkt in diese Richtung tätig werden, muss der Spielleiter ein wenig Zusatzarbeit leisten. Alternativ bietet sich ansonsten der auch vorgeschlagene Einstieg über die eigene freiwillige Meldung für die Expedition an.

Je nach Neugier und Laune der Spieler kann es bis zur Ankunft in der Kolonie durchaus schon einen oder mehrere Spielabende gebraucht haben, da in Belhanka und auf dem Schiff Informationen über Uthuria und die Kolonie eingeholt sowie auf dem Schiff mit Teilen der Mannschaft agiert und auf die Herausforderungen und Probleme während der Fahrt eingegangen werden kann. Es können Teile vom Spielleiter weggelassen und von den Spielern mit aller Flexibilität angegangen werden. Da gerade bei Schiffsreisen oft Langeweile bei den Spielern aufkommt, empfiehlt es sich je nach Lust der Spieler, Tage zu überspringen und vor allem die wichtigen Szenarien anzuspielen. Ein kleines Nadelöhr kann die Insel der Schädelbucht sein, die das Schiff anlaufen sollte, in der der spätere Widersacher sich in der Besatzung einnistet. Wenn die Spieler hier nicht anlanden wollen, muss der Spielleiter sich überlegen, wie die Macht von hier anders in die Kolonie gelangt.

In Nova Methumisa erwartet die Spieler auch weiter eine recht freie Handlung, in die sie mehr oder weniger tief eintauchen können. Auch die Anzahl der Nichtspielercharaktere, mit denen sie agieren, kann sich auf wenige beschränken oder sehr viele Personen umfassen. Dabei bleibt die Freiheit, sich auf verschiedene Seiten (Gouverneurin, Militär, Siedler usw.) zu schlagen und dementsprechend die Handlung anders voranzutreiben. Je nachdem wie schnell die Spieler erkennen, dass die Vorgänge nicht normal sind und etwas von außen die Einwohner beeinflusst, umso schneller können sie zu Gegenmaßnahmen übergehen und die Situation weniger eskalieren lassen. Das Abenteuer arbeitet hier mit einer Eskalationsstufe in Form von sogenannten „Essenzsplittern“, die je nach Handlung der Spieler in den einzelnen Episoden mehr oder weniger ansteigen und die Macht des Gegners im Hintergrund, eines Dämons, wiedergeben. Diese „Essenzsplitter“ beeinflussen schließlich die Schwierigkeit der finalen Auseinandersetzung mit dem im Hintergrund agierenden Gegner. Sehr vereinfacht steigert eine höhere Aggressivität durch die Helden oder das Laufenlassen von Konflikten die Punktzahl und damit auch die spätere Schwierigkeit.

Etwas schade ist hier allerdings, dass die Lösung grundsätzlich im Aufsuchen der Eingeborenen außerhalb des Dorfes liegt. Egal was die Helden in der Kolonie unternehmen – stoppen kann es den Verlauf der Ereignisse nicht, sondern nur in andere Richtungen lenken. Wenn die Spieler hier nicht von selbst und mit eigener Motivation dort um Hilfe suchen oder zufällig mit den Eingeborenen in Kontakt kommen, wird der Spielleiter sie mit dem „Holzhammer“ in diese Richtung treiben müssen. Immerhin schlagen die Autoren noch zwei Lösungen vor, wie damit umgegangen werden kann. Die Ereignisse im Urwald sind baukastenartig aufgebaut, sodass Spieler und Helden sowohl die Hintergründe als auch Gegenmaßnahmen beliebig zusammentragen können und damit wieder recht hohe Freiheit genießen. Je nach Verhalten der Helden sind die Eingeborenen mehr oder weniger zur Zusammenarbeit bereit, und auch die Episoden dauern kürzer oder länger, was wiederum zur Erhöhung des „Essenzsplitter“ führen kann. Die Anzahl der „Essenzsplitterpunkte“ bedeutet für das Finale mit dem Ritual jeweils einen Gegner sowie erhöht in der direkten Konfrontation die Lebens- und Astralpunkte des Dämons. Allerdings wirkt gerade die Handlung im Urwald mit seiner Mischung aus Kontakt herstellen, Zutaten suchen, Informationen finden etwas an PC-Spiele angelehnt und zudem eher konventionell. Zudem könnten die Eingeborenen auch auf jeder beliebigen Südmeerinsel zu finden sein und geben noch keinen tiefen Einblick in den neuen Kontinent.

Fazit: Das Abenteuer bietet eine solide, wenn auch nicht immer überraschende Handlung mit sehr vielen Freiheiten für die Spieler. Je nach Verhalten der Spieler steigert es den Schwierigkeitsgrad der Konfrontation und erleichtert oder erschwert die Lösung zum Ende. Zwei Nadelöhre können die Handlung etwas erschweren und erfordern dann Flexibilität beim Spielleiter. Für Spieler, die Entdeckerabenteuer und Nachforschungen mögen, bietet sich hier eine schöne Möglichkeit, auch wenn die Fremdartigkeit des neuen Kontinents noch nicht wirklich sichtbar wird. Insgesamt eine gute Einstiegsarbeit der Autoren, der nur ein wenig mehr Innovation fehlt.


Der Schrecken der Schädelbucht (Uthuria)
Abenteuerband
Marie Mönkemeyer, Marc-André Karpienski, Markus Lütkemeyer
Ulisses Spiele 2014
ISBN: 978-3957520692
128 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 22,95

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