D&D: Vergessene Reiche: Ed Greenwoods Tiefwasser 1: Schwarzstabs Turm

Viele, viele Jahre in der Zukunft, weit nach den Ereignissen und dem Leben des legendären Khelben Schwarzstab, werden der junge Fürst Neverember und seine Freunde in die Intrigen um einen neuen Schwarzstab und dessen Erben verwickelt. Wenn sich jedoch ein mächtiger Magier der Stadt Tiefwasser gegen einen wendet, heißt es, schnell auf den Beinen zu sein und neue Verbündete zu suchen, solange man dies noch kann.

von Ansgar Imme

 

Der Roman ist der Beginn einer Reihe unter der Federführung Ed Greenwoods, der etliche bekannte Personen und Orte aus den „Vergessenen Reichen“ schuf und vor allem als Alter Ego des legendären Magiers „Elminster“ bekannt ist. Der Autor Steven E. Schend arbeitet bereits seit 1990 für diverse Verlage und unterschiedliche Spielsysteme als freiberuflicher Lektor, Entwickler, Designer und Autor und hat bei „D&D“ beziehungsweise den „Vergessenen Reichen“ vor allem als Organisator und Planer im Hintergrund gearbeitet.

Der Inhalt – Tiefwassers Geheimnisse

Die Geschichte spielt in der Zukunft Tiefwassers, ein Jahrhundert nach der Zeit des berühmten Khelben Schwarzstab. Mittlerweile ist Samark Schwarzstab der Besitzer und Verwalter des Schwarzstabs und des gleichnamigen mysteriösen Turmes. Doch als er einem Attentat durch einen anderen mächtigen Magier der Stadt erliegt, kann seine Erbin, die junge Vajra nach seinem Tod die Aufgabe nicht übernehmen und wird gefangengenommen. Der Gegner möchte selbst den Schwarzstabturm und dessen Macht übernehmen, hat aber einerseits nicht mit der Gegenwehr des Turmes selbst und der Geister deren früherer Besitzer sowie den Nachforschungen und dem Widerstand des jungen Fürsten Renaer Neverember und seiner Freunde gerechnet. Diese werden eher zufällig in die Geschehnisse verwickelt, als ein Miethaus Renaers überraschend vom vermeintlichen Schwarzstab und dem Gildenmeister des Ordens der Magier und Beschützer der Stadt Khondar „Zehnring“ Naomal in Besitz genommen werden.

Renaer und seine Freunde sind neugierig geworden und beginnen mit Untersuchungen und Nachforschungen, die sie in große Gefahr bringen und die nicht alle überleben. Als sie bei ihren Ermittlungen in den Katakomben des Miethauses auch die Geliebte des toten Schwarzstabs, Vajra Safahr, entdecken und befreien, werden sie auf einmal zu Gejagten der Stadtgarde, da ihre Feinde verbreiten, dass Vajra Safahr von ihnen getötet wurde. Renaer kann diese nicht offen zeigen, da Vajra erst den Schwarzstab und den Turm in ihren Besitz bringen muss, um sich selbst der Feinde erwehren zu können. Doch durch eine magische Pforte fliehen sie in ein geheimes Versteck der Vorfahren Renaers. Dort treffen sie auf Osco Salibuck, einen dubiosen Halbling, der aber bereit ist, ihnen zu helfen und sie begleitet.

Währenddessen versucht Khondar „Zehnring“ gemeinsam mit seinem Sohn Centiv den Turm in seinen Besitz zu bringen. Doch der Turm und die Geister der ehemaligen Schwarzstäbe wehren sich, und Centiv wird von seinem Vater in deren Gewalt zurückgelassen. Renaer und seine Freunde dagegen erhalten zu der Zeit Unterstützung von unerwarteter Seite und bringen magische Gegenstände in ihren Besitz, die ihnen bei der Verteidigung helfen sollen. Doch bevor Vajra den Schwarzstabturm in Besitz bringen kann, müssen sie und ihre Freunde noch einige Prüfungen bestehen.

Bewertung

Wenn man an die „Vergessenen Reiche“ denkt, kommt vielen Lesern zunächst R.A. Salvatore mit seinen Romanen um den Dunkelelfen Drizzt do’Urden oder Ed Greenwoods legendärer Magier Elminster in den Sinn. Auch diese erlebten einige ihrer Abenteuer in Tiefwasser. Doch irgendwie erkennt man das Tiefwasser aus diesen Romanen nicht wieder. Nun mag dies der Tatsache geschuldet sein, dass es schon etwas her ist, seitdem diese Romane erschienen sind und dass der neue Roman in der Zukunft spielt, aber man hat oft den Eindruck, dass die Geschichte auch auf jeder anderen beliebigen Welt spielen könnte. Ein typisches Flair bekommt man nicht oder nur sehr selten zu spüren. Mit Ausnahme der Namen fühlt man sich nicht weiter an die „Vergessenen Reiche“ erinnert. Allerdings ist an dieser Stelle zu ergänzen, dass der Rezensent nur Leser der Romane, nicht Spieler des Rollenspiels der „Vergessenen Reiche“ ist, wo unter Umständen Zusammenhänge klarer werden könnten. Doch andererseits handelt es sich nun auch um einen Roman, der sich lesen lassen sollte, ohne dass man Hintergründe kennen muss.

Die Geschichte beginnt durch vollkommen unabhängige Geschichten und zunächst unklare Beziehung zueinander recht verwirrend, klärt die Zusammenhänge aber dann relativ schnell. Anfangs baut sich auch eine gewisse Dramatik auf, und vor allem die Szenen in den Gewölben lesen sich düster und spannend. Der Gegner wirkt anfangs geradezu übermächtig, und man wird als Leser durchaus emotional gepackt und gegen diesen eingenommen. Doch mit dem Wechsel des Ortes für die Hauptcharaktere flacht die Handlung und Spannungskurve ab. Die dann folgenden Übergaben einiger magischer mächtiger Gegenstände wirken etwas herbeigeholt und die folgenden Ereignisse zu einfach und beliebig. Die Handlung um die Erbin des Schwarzstabs Vajra Safahr und die Prüfung ihrer Freunde wirkt wie eine Farce, da bis auf nichtssagende kurze Episoden nichts passiert und es zu beliebig erscheint. Der „Endkampf“, passend zu einem Rollenspielroman, macht es nicht besser. Das anfängliche Tempo der Geschichte verflacht vollends.

Die Charaktere sind größtenteils nur oberflächlich beschrieben und kaum besonders gut oder speziell getroffen. Ein Spielen mit Klischees, wie hier versucht (der kräftige, große, eher einfache Barbar, der diebische, clevere Halbling), kann durch schnell zuordbare Eigenschaften durchaus ein Gewinn für den Leser sein, wenn es vom Autor auch konsequent umgesetzt wird. Doch hier wirken die Charaktere zu austauschbar und gewinnen überhaupt nicht an Format oder Wiedererkennungswert. Mehrfach muss man an frühere Stellen nachschlagen und noch einmal nachschauen, wer eigentlich wer ist und was ihn ausmacht (vor allem bei Renaer und seinen Freunden, wobei man meistens feststellt, dass diese jeweils nicht viel unterscheidet oder ausmacht). Am besten und einprägsamsten werden noch der Magier „Zehnring“ und der Halbling Osco Salibuck getroffen, wobei letzterer zwar zum Archetypen des klassischen Halbling-Diebes mutiert, dies aber wird wenigstens durchgezogen und mit ein wenig Humor versehen. Ansonsten bleibt neben der Spannung auch der Humor auf der Strecke, mit dem man wenigstens die Charaktere besser hätte beschreiben können.

Die deutsche Übersetzung ist anfangs etwas holperig und abgehackt, sodass man sich fragt, ob zum Teil Wort für Wort übersetzt wurde. Nach den ersten Kapiteln wird dies aber deutlich besser, und der Roman lässt sich dann flüssig und angenehm lesen. Karten oder eine Namensliste – anhand der vielen Personen nicht unangebracht – fehlen leider, auch der Anhang verdient diesen Namen kaum, da vor allem Unwichtiges wie Ränge der Stadtwache aufgezählt werden. Auch eine kurze geschichtliche Übersicht zu Tiefwasser und dem Schwarzstabturm hätte vielleicht nicht geschadet.

Fazit: Dem Vorwort und uneingeschränktem Lob Ed Greenwoods mag man sich nicht anschließen. Der Roman wirkt mehr wie einer der standardmäßigen und runtergeschriebenen Romane. Für Freunde und Fans der „Vergessenen Reiche“ und Tiefwassers sicherlich ganz interessant, ohne aber aus der Masse der Fantasy-Romane oder gar der Romane der „Vergessenen Reiche“ herauszuragen.


Schwarzstabs Turm (Ed Greenwoods Tiefwasser 1)
Rollenspiel-Roman
Steven E. Schend
Feder&Schwert 2010
ISBN: 3867620784
384 S., Taschenbuch, deutsch
Preis: EUR 11,95

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