D&D Player’s Handbook (v.4.0)

Als eines der drei Basis-Regelbüchern der neu überarbeiteten Version des erfolgreichen „Dungeons & Dragons“-Rollenspiels präsentiert sich das Spielerhandbuch in einem optisch komplett neuen (durchaus ansprechenden) Gewand. Diese Abgrenzung zur letzten Version (Version 3.5) ist wohl durchaus beabsichtigt, krempelt das neue Regelwerk doch so gut wie alles um, was Kenner über „D&D“ zu wissen glauben. Davon sollte sich jedoch niemand abschrecken lassen, denn ist dieser erste Schock einmal verdaut, offenbaren sich dem Leser nach und nach die vielen Verbesserungen des Regelwerkes in Bezug auf Zugänglichkeit und Spielspaß.

von Markus Humer

Inhaltlich wird im Spielerhandbuch auf 317 Seiten alles geboten, was das Herz eines Rollenspielers höher schlagen lässt. Angefangen von einer grundlegenden Einführung, in der die wesentlichen Züge des Systems erklärt werden, führt einen das Buch nach und nach in die Charaktergenerierung, die Volk- und Klassenwahl und die in großer Zahl gebotenen Fertigkeiten und Talente ein. Naturgemäß ist eines der umfangreichsten Kapitel dem Kampfsystem gewidmet, allerdings findet sich im Gegensatz zu früheren Editionen in diesem Kapitel erstmals wirklich alles wieder, was für den Kampf benötigt wird, und zwar alphabetisch nach Gebieten sortiert. Das letzte Kapitel behandelt ein völlig neues Gebiet, die Rituale. Doch dazu später mehr.

Ausgeglichenheit und Spielspaß, das sind die Schlagworte, um die sich in der vierten Edition von „Dungeons & Dragons“ alles dreht. Vorbei die Zeiten, in denen der arme Halbelfen-Barde mit neidbehaftetem Blick zu seinen Mitspielern schielte, weil diese einmal mehr den Kampf mit mächtigen Zaubern und Fähigkeiten entschieden hatten, während er selbst, singend und die anderen anfeuernd, mehr einen Zuschauerplatz als eine tragende Rolle eingenommen hatte. Die vierte Edition ist anders. Bereits bei der Wahl des Volkes (zur Wahl stehen Menschen, Zwerge, Elfen, Eladrin, Halbelfen, Halblinge, Tieflinge und Dragonborn) sticht dem Leser sofort ins Auge, dass Abzüge jeglicher Art offenbar der Vergangenheit angehören. War die Wahl des Volkes früher noch eine Art „Geben und Nehmen“, bei dem man sich einerseits für ein Volk aufgrund seiner Boni entschied, aber andererseits damit auch mit den Nachteilen, die diese Wahl mit sich brachte, leben musste, so wurden diese Nachteile restlos gestrichen. Zwar unterscheiden sich die verschiedenen Völker immer noch grundlegend voneinander, doch nur hinsichtlich der Vorzüge, was den Vorteil mit sich bringt, dass sich die Spieler viel freier und nach persönlichen Vorlieben für ein Volk entscheiden können, sind sie doch, alles in allem, gleich stark.

Dieselbe Herangehensweise von Seiten der Entwickler findet sich auch bei den neuen und überarbeiteten Klassen wieder. Alle angebotenen Klassen (Kleriker, Kämpfer, Paladin, Waldläufer, Schurke, Magier, Hexenmeister und Warlord) spielen sich nun grundsätzlich gleich und sind auch in etwa gleich stark auf ihrem jeweiligen Gebiet, natürlich gleiche Charakterstufe vorausgesetzt. Jede Klasse verfügt nun über so genannte „Powers“, die sich entweder jederzeit, einmal pro Kampf oder einmal pro Tag einsetzen lassen. Man kann sich das Ganze also so vorstellen, dass nicht mehr nur magiebegabte Klassen die „Qual der Wahl“ in Bezug auf ihre Fähigkeiten haben, sondern alle Klassen in gleichem Maße. So kann etwa ein Kämpfer jederzeit einen Spezialschlag ausführen, der sogar, wenn der Gegner verfehlt wird, Schaden bei eben diesem verursacht, wohingegen ein Magier jederzeit dazu in der Lage ist, „magische Geschosse“ auf seine Gegner niederprasseln zu lassen. Beim Erreichen bestimmter Stufen wird das Repertoire um neue, noch stärkere Fähigkeiten erweitert, das motiviert natürlich ungemein, eine neue Stufe zu erreichen. Hinzu kommt noch, dass die Anzahl der erlernbaren Talente ebenfalls erhöht wurde und ebenfalls an bestimmte Stufen gekoppelt ist.

Das Kampfsystem wurde ebenfalls von Grund auf neu gestaltet und entschlackt und ist nun auf den ersten Blick um vieles leichter zugänglich und intuitiver als früher. Zwar gibt es immer noch Momente, bei denen sogar erfahrene Spieler gezwungen sind, während eines Kampfes nochmal nachzulesen, doch geschieht dies – subjektiv betrachtet – doch um einiges seltener, als noch in der letzten Edition. Jeder Spieler verfügt immer noch über eine bestimmte Anzahl an Aktionen, die er im Laufe seines Zuges innerhalb einer Kampfrunde ausführen kann. Gestrichen wurden die berüchtigten „vollen Aktionen“ der letzten Version, die zwar besonders mächtige Angriffe und änliches erlaubt hatten, jedoch gleichzeitig jegliche andere Aktion während des Zuges untersagten. Diese Änderung ist vor allem der Mobilität der Kontrahenten dienlich und kommt damit indirekt auch der „Action“ zu gute, da man nicht mehr dafür „belohnt“ wird, sich nicht zu bewegen.

Immer noch gibt es viele Fähigkeiten und Talente, die sowohl innerhalb als auch außerhalb eines Kampfes zum Einsatz kommen. Neu hinzugekommen sind allerdings die bereits kurz erwähnten Rituale. Rituale sind Zauber, die aufgrund ihrer langen Wirkungsdauer zwar so gut wie nie innerhalb eines Kampfes gewirkt werden können (einfache Rituale dauern gut und gerne 10 Minuten, was 100 Kampfrunden entspricht), allerdings im Gegenzug dafür beispielsweise Krankheiten heilen oder Tote wiederbeleben. Die Rituale decken also den Bereich jener Zauber ab, die aufgrund der Änderungen der Klassenfähigkeiten nicht mehr anderswo Platz gefunden hätten.

Die größten Stärken der neuen Version von „Dungeons & Dragons“ sind gleichzeitig seine größten Schwächen. Die leichtere Zugänglichkeit wird durch eine geringere Individualisierbarkeit erkauft, trotz der immer noch vielen Möglichkeiten, seinen Charakter zu gestalten, wird es doch viele Charaktere geben, die sich wie ein Ei dem anderen gleichen. Besonders stark trifft dies naturgemäß auf magisch begabte Klassen wie Kleriker oder Magier zu, konnten diese doch in der letzten Version noch aus Hunderten oder gar Tausenden Zaubern ihre Favoriten wählen, so sind ihre Wahlmöglichkeiten nun extrem beschränkt. Die gesteigerte Ausgeglichenheit zwischen den Völkern, Klassen und Fähigkeiten geht wiederum etwas auf Kosten des Spielgefühls, eben weil nun alle in etwa gleich stark sind, und dem Einzelnen weniger Möglichkeiten geboten werden, zu brillieren, sei es jetzt innerhalb oder außerhalb des Kampfes.

Fazit: Ob man sich nun mit der neuen Version anfreunden kann oder nicht, man kann nur jedem Fan von Rollenspielen empfehlen, sie einfach unvoreingenommen einmal anzuspielen. Denn was auf dem Papier möglicherweise unlogisch oder unnötig erscheint, könnte sich während des Spielens als wahrer Segen entpuppen. Und nichts macht schließlich mehr Freude, als ein Rollenspielabend mit ein paar Freunden, egal für welche Version man sich entscheidet.


D&D Player’s Handbook (v.4.0)
Grundregelwerk
Rob Heinsoo, Andy Collins, James Wyatt u. a.
Wizards of the Coast 2008
ISBN: 0786948671
317 S., Hardcover, deutsch
Preis: $ 34,95

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