Das Tagebuch von Indiana Jones

Tagebücher sind heikle Dokumente, die neben Einblicken in das Innenleben einer Person zuweilen auch brisante Erkenntnisse derselben enthalten können. Der Jagd nach dem Tagebuch von Dr. Henry Jones Sr. war ein elementarer Nebenplot des dritten Indy-Jones-Kinofilms „Der letzte Kreuzzug“. Pünktlich zum neusten Abenteuer des wohl populärsten Archäologen der Popkulturgeschichte haben die Russen nun das Tagebuch von Dr. Henry Jones Jr. in ihren Geheimarchiven gefunden und präsentieren es dem staunenden Fandom.

von Bernd Perplies

Die Idee ist an sich witzig: Statt eines weiteren Sachbuchs, das sich mehr oder minder kenntnisreich und ausführlich mit dem Phänomen „Indiana Jones“ befasst, bringt man ein Buch heraus, das den Anschein erweckt, aus der Feder des Helden selbst zu stammen, und tarnt dabei das Hintergrundwissen als erlebte Geschichte. Dadurch hat man nicht nur die Möglichkeit, ein wildes Sammelsurium an Informationen zwischen die Buchdeckel zu pressen, sondern kann sich auch optisch richtig austoben. Für Fans entsteht auf diese Weise ein kleiner Schatz, für Menschen, die an Fakten interessiert sind, ist es allerdings nicht viel mehr als Tinnef.

Ich selbst halte mich für einen faktenbegeisterten Fan, insofern schlagen bezüglich des vorliegenden „Büchleins“ zwei Herzen in meiner Brust und ich nenne es liebevoll „höchst besitzenswerten Tinnef“. Schon äußerlich gefällt, dass der gepolsterte Einband des guten Stückes den Eindruck eines alten, in Leder gebundenen Buches erweckt, inklusive Verschlusskordel (in Gestalt eines roten Gummibands) und Streifband mit Archivinformation des Russischen Inlandsgeheimdienstes.

Im Inneren beginnt das Buch mit einer Widmung von Jones Sr., der den Junior ermahnt, alles, was er auf seinen Reisen so erlebt hat, in diesem Tagebuch festzuhalten. Danach folgt, beginnend mit dem Jahr 1908 und endend in 1957, eine Zeitreise durch die Jahrzehnte, in denen Indiana Jones die Welt bereiste und unglaubliche Abenteuer erlebte, die er auf diesen Seiten niedergelegt hat. Alle Einträge simulieren Handschriftliches, wobei sogar daran gedacht wurde, die Schrift des Verfassers mit zunehmendem Alter anzupassen.

Dazwischen findet sich – auf stabilen Seiten im Look alten, vergilbten und teilweise gerissenen Papiers – eine Fülle an Zeichnungen, „eingeklebten“ Fotos und Zeitungsausschnitten, Briefen, Urkunden, Tickets und vielerlei mehr. Die Speisekarte des Menüs, das Indy in „Tempel des Todes“ im Palast von Pankot „genießt“ ist ebenso vorhanden wie Indys Zeichnung von Marion Ravenwood, die er nach ihrem scheinbaren Tod in der Marhala Bar in Kairo angefertigt hat. Wären all diese Objekte tatsächlich haptisch erfahrbar und nicht bloß abgedruckt, wäre das Buch vermutlich mehr als doppelt so dick – und ein bibliophiler Knüller.

Aber auch bloß gedruckt wirkt das Ganze unglaublich hübsch, und in der Vielfalt der Informationen stellt dieses Buch eine wahre Schatzkiste voller netter Details aus dem Leben des Indiana Jones dar, in der man stundenlang stöbern kann, bis man auch den letzten Zeitungsfetzen und die letzte Anmerkung gelesen hat.

Während ein Großteil des Textes eingedeutscht wurde, sind einige beschrifteten Grafiken, wie die Widmung auf dem Foto von Sängerin Willie Scott oder die Prospekte der Fluggesellschaften, weiterhin in Englisch. Doch dankbarerweise hat der Oetinger Verlag, der das Tagebuch in Deutschland herausbringt, ein dünnes Heftchen beigelegt, das auch diese Elemente allesamt sorgfältig übersetzt, damit auch der englischen Sprache Unkundigen kein Detail entgeht.

Die versammelten Informationen beziehen sich dabei nicht nur auf die Kinofilme und die TV-Serie, es befinden sich auch einige Verweise auf verschiedene amerikanische Romanabenteuer des Teilzeit-Dozenten mit dem Hut und der Peitsche sowie eine Doppelseite zu dem Computerspiel „The Fate of Atlantis“. Ein netter Gag, der demonstriert, dass die Filmemacher auch im Indiana-Jones-Universum eine Art kanonisiertes Expanded Universe (wie im Falle von „Star Wars“) akzeptieren – wenngleich etwa die Romane von Wolfgang Hohlbein nicht dazu zählen.

Fazit: „Das Tagebuch von Indiana Jones“ gehört in die Kategorie von Büchern, die man eigentlich nicht braucht, aber die so wunderschön sind, dass man sie dennoch unbedingt haben muss. Wer faktenreichen Fließtext zu dem Phänomen „Indiana Jones“ sucht, ist hier völlig falsch. Wer aber ein unglaublich buntes und mit viel Fantasie zusammengestelltes Bilderbuch mit Randnotizen erleben möchte, in dem man stundenlang stöbern und dabei auf subtile Art und Weise das Leben und die Geschichte des Indiana Jones kennenlernen kann, der wird an diesem Spaßprojekt für Fans und Geeks seine helle Freude haben.


Das Tagebuch von Indiana Jones
Sachbuch
Anthony Magnoli, Joana Price u. a.
Oetinger 2008
ISBN: 978-3-7891-8423-0
156 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 19,90

bei amazon.de bestellen