Das Licht hinter den Wolken

Oliver Plaschka, der deutsche Meister der experimentellen und teilweise verwirrenden Fantasy versucht sich nun an einer klassischen Geschichte. Ein Mädchen vom Land, dessen Mentor ein verwirrter Magier ist, ein junger Mann, der davon träumt, ein Held zu werden, und die Tochter eines Adligen, die den Mörder ihrer Familie sucht. Das sind die Protagonisten von „Das Licht hinter den Wolken“. Doch wer Oliver Plaschka kennt, weiß, dass das alles nicht so einfach werden wird, wie es klingt.

von Andrea Bottlinger

 

Oliver Plaschka ist als Autor experimenteller Fantasy bekannt. Mit seinem Roman „Fairwater oder Die Spiegel des Herrn Bartholomew“ hat er den Deutschen Phantastik Preis gewonnen und auch in „Die Magier von Montparnasse“ konnte er vor allem mit seinem ungewöhnlichen Stil beeindrucken. Nun hat er sich mit „Das Licht hinter den Wolken“ in die klassische Fantasy vorgewagt, in eine Welt voller Helden, magischer Schwerter, korrupter Herrscher und Magie. Das klingt zuerst einmal alles sehr vertraut. Kann man hier noch mit großen Überraschungen rechnen?

Worum es geht

Seit sie denken kann, sieht das Mädchen April am Horizont etwas, das sie „die zweite Sonne“ nennt. Als sie es schließlich bei ihrem ständig betrunkenen Vater nicht mehr aushält und von zu Hause fortläuft, beschließt sie, diese Sonne zu suchen. Sie findet das magische Schwert Schneeklinge. Zusammen mit dem Fealv Janner, der eine Waffe namens Banneisen von seinem Vater geerbt hat, will sie der Welt ihren Stempel aufdrücken. Sie ziehen los, um die Geschichte von Banneisen und Schneeklinge zu schreiben.

Gleichzeitig ist die Senatorentochter Cassiopeia auf der Suche nach dem Mörder ihres Vaters. Das führt sie in die Kriegerschule Leiengart und von dort um die halbe Welt, bis sie erfährt, dass sie, um den Mörder zur Strecke zu bringen, das Schwert Schneeklinge braucht. Alle drei Protagonisten geraten in einen äonenalten Konflikt zwischen den sogenannten Mächtigen und den noch mächtigeren Wesenheiten, der droht, die ganze Welt zu verändern.

Einstieg mit Schwierigkeiten

„Das Licht hinter den Wolken“ hat ein einziges Problem: Man braucht ungefähr 100 Seiten, um mit den Charakteren warm zu werden. Diese 100 Seiten erzählen recht distanziert Aprils Vorgeschichte, sowie die von Cassiopeia, und sind insgesamt leider nicht sonderlich spannend, wenn auch sehr schön geschrieben. Man verfolgt, wie die beiden Mädchen ihr Zuhause verlieren, Cassiopeia erst Diebin und dann Kriegeranwärterin und April vergewaltigt wird. Hin und wieder gibt es zudem die Perspektive des Magiers Sarik, in deren vielfachen Andeutungen auf vergangene Ereignisse man sich auch erst zurechtfinden muss.

Wer jetzt aber glaubt, den Roman deshalb nicht lesen zu müssen, dem sei eines gesagt: Der Rest der Geschichte ist es wert! Spätestens, sobald April und Janner beschließen, als Banneisen und Schneeklinge berühmt zu werden, wird der Roman großartig. Der Stil der Geschichte ändert sich von diszantiert-märchenhaft zu etwas, das wirkt, als hätte Quentin Tarantino versucht, einen Fantasy-Western zu machen. Sobald man ein Gefühl für die Charaktere entwickelt, funktioniert zudem Oliver Plaschkas Art, mit nur wenigen, sparsamen Andeutungen Gefühle zu vermitteln, viel besser, als es ausufernde Beschreibungen je vermocht hätten. Man ist ganz dicht bei April und Janner, während diese versuchen, sich einen Platz in der Welt zu erstreiten, und dabei in mehr Schwierigkeiten geraten, als sie erwartet haben. Man bringt zusammen mit Sarik Ordnung in dessen Vergangenheit, von der der Magier einen Großteil vergessen hat, und deckt dabei ein schreckliches Geheimnis auf. Und selbst bei der immer etwas unterkühlten Cassiopeia wird es spannender, je näher sie dem Rätsel um den Mörder ihres Vaters kommt, und je weiter sich ihr Handlungsstrang mit denen der anderen verknüpft. Am Ende kann man das Buch kaum mehr aus der Hand legen.

Dabei weist die Handlung immer wieder Überrschungen auf. Vieles ist nicht so, wie es auf den ersten Blick scheint. Freunde werden zu Feinden und Feinde zu Freunden. Manchmal werden auch Freunde zu Feinden, um danach wieder zu Freunden zu werden. Gleichzeitig ist „Das Licht hinter den Wolken“ eine der Geschichten, die einem zeigen, dass nicht immer alles so läuft, wie man es in Geschichten hört. Die Legende von Banneisen und Schneeklinge verselbstständigt sich, während April und Janner feststellen, dass es nicht immer einfach ist, eine Legende zu sein. Das ist derzeit ein immer wiederkehrendes Motiv in der Fantasy, aber bisher noch keines, das zu sehr abgenutzt wurde – vor allem dann nicht, wenn man es gekonnt anwendet, was Oliver Plaschka ohne Zweifel tut.

Fazit: Wer Oliver Plaschkas Werke bisher mochte, wird diesen Roman ebenfalls mögen. Wem „Fairwater“ und „Die Magier von Montparnasse“ zu verkopft und kompliziert war, der sollte dem „Licht hinter den Wolken“ eine Chance geben. Der Roman ist einfacher, actionreicher und gefühlvoller als seine Vorgänger, sobald man die ersten 100 Seiten hinter sich hat.


Das Licht hinter den Wolken
Fantasy-Roman
Oliver Plaschka
Klett-Cotta 2013
ISBN: 978-3608939163
688 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 24,95

bei amazon.de bestellen